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Die Geschichte der Deutschen Weihnacht
Kapitel V

Weihnachtsumzüge


Umzüge haben bei vielen Völkern zu den Bräuchen gehört, mit denen man ein Fest feierte. Daß solche auch an dem deutschen Jahresanfang am 11. November stattgefunden haben, wäre sicher, auch wenn es sich heute nicht mehr beweisen ließe. Schon Tacitus weiß von Umzügen in heiliger Zeit zu erzählen, bei denen die Gottheit, der sie galten, persönlich dargestellt wurde, wohl von einem lebenden Menschen, und noch aus den ersten christlichen Jahrhunderten Deutschlands sind uns solche volkstümliche Prozessionen bezeugt, bei denen die Teilnehmer festlich gekleidet einherschritten und heilige Gesänge absangen. Tanz und wohl auch kleine mimische Darstellungen waren damit verbunden. Um 850 war solches an den Heiligentagen und Sonntagen üblich, zu Weihnachten hingegen noch nicht. Bei der Bekehrung Süddeutschlands nahmen die Träger der neuen Religion an diesen Umzügen keinerlei Anstoß. Sie beschränkten sich vielmehr darauf, den Hauptpersonen, welche in besonderem Schmucke dabei auftraten, Namen von heiligen Männern ihrer Kirche zu geben. So glitten diese Umzüge unvermerkt in den kirchlichen Brauch hinüber und wurden selbst ein erstes Band zwischen der Priesterreligion und dem Volke. Wie schon ausgeführt wurde, traten vor allem der heilige Martin und der heilige Nikolaus an Stelle der einheimischen Götter bei den Herbstfesten.
Mit der Verlegung des amtlichen Jahresanfangs auf die römischen Januarkalenden rückte zahlreicher Umzugsbrauch dahin. Die altgallische Kalendenfeier ist jedenfalls ein Produkt aus der römischen und deutschkeltischen. Namentlich die Tiere der Nikolausumzüge konnten in dem bereits mit südlichem Getreide versorgten Gallien leicht auf Anfang Januar rücken. Die Kalendenfeier war wenigstens südlich und westlich vom römischen Grenzwall sicher ausgebildet, als das Christentum nach Deutschland kam, und hat sich dort noch bis ins neunzehnte Jahrhundert gegen die spätere deutsche Weihnachtsfeier behauptet. Auch nach Norden drang sie mit der römischen Bildung, wenn auch langsamer.
Als das Christentum nach Deutschland kam, fand es die Kalendenfeier bereits vor, und als es ein paar hundert Jahre später begann, das Jesusgeburtsfest einzuführen, konnte es von ihr wie von den Herbstfesten dafür Bräuche entlehnen, die aber infolge der Entstehung der Kalendenfeier ganz gleichartigen Charakter trugen und sich heute kaum mehr werden scheiden lassen. Was nicht erst über Neujahr gegangen, sondern von den, Winteranfangsfesten direkt nach Weihnachten oder noch häufiger auf die Zeit unmittelbar vorher gewandert ist, verrät sich allerdings teilweise direkt durch seinen Namen. Alle die zahlreichen Martins, Klause, Ruhklase u. s. w. sind noch im Herbst verchristlicht und dann direkt nach Weihnachten hinübergezogen worden. Bei den Ruprecht, Rumpanz, Buzebercht liegt kein solches äußeres Erkennungszeichen vor. Nur die Beziehung von Bercht auf Epiphanias spricht für frühen Uebergang auf die Januarkalenden.
Auch hier haben wir jedoch früh mit örtlichen Verschiedenheiten zu rechnen. Die bald freundlichere, bald härtere Veranlassung zur Taufe schuf auch in solchen Dingen Unterschiede. Namentlich auf dem deutschen Kolonisationsgebiete, wo oft wie bei Kloster Schlägl in Oberösterreich für Jahrhunderte Mönche die einzigen Siedler waren, machten sich stärker kirchliche Einflüsse geltend, und diese Umzüge glitten ganz in Priesterhände hinüber, die sie dann unmerklich aber stät nach ihren eigenen Festen hin verschoben. So erging es wohl schon im vierzehnten Jahrhundert den Martins- und Nikolausumzügen im östlichen Teile des bayrischen Sprachgebietes und später in Böhmen. Dadurch drang ganz kirchliches Zeremoniell ein, Kruzifix und Rauchfaß spielten die Hauptrolle. Letzteres erst gab vielleicht den Donnerstagen der Adventszeit den Namen der Rauchnächte, der sich bis in unsre Tage erhalten hat. Als die Priesterschaft selbst im katholischen Oesterreich gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts sich von diesen Rauchnachtlumzügen zurückzog, traten wieder die Hausväter mit ihrer Familie und dem Gesinde an ihre Stelle, da sie die Segnung in den geweihten Nächten nicht missen wollten. Trotzdem aber haften diese Umzüge noch heute an bestimmten Tagen im ganzen Dezember und sind noch nicht nach Weihnachten gerückt. Ja selbst als der „heilige Christ" in sie eindrang und neben Nikolaus, Ruprecht, Petrus und einen Engel trat, blieb der Umzug an der Adventszeit haften.
Unter den Anstrengungen der Priesterschaft, die alte Herbstfestzeit auszutilgen, rückten wohl seit dem vierzehnten Jahrhundert die Herbstumzüge in vielen Gegenden bis nach dem Dezember und endlich ganz nach Weihnachten. Martin und Nikolaus spielten in ihnen die Hauptrolle. Daneben standen aber auch Gestalten ohne Tagheiligennamen wie Ruprecht und Bercht. Bei diesen war naturgemäß die Verschiebung leichter. Meist wurden die ganzen Umzüge verlegt. Aber auch allein ist der heilige Martin nach Weihnachten gewandert. In Norddeutschland sagte man noch 1848 in einigen Dörfern am Huy, z. B. in Huy-Neinstedt, auch in Dedeleben bei Jerxheim, wenn zwischen altem und neuem Jahr was auf der Dieße bleibt, kümt de Märtche oder Märtchen. Von einem, dem es besser geht als andern, sagte man gleichfalls: den hat wol de Märtchen wat bröcht.
Mit den Nikolausumzügen rückten auch ihre drei Tiere, der Zuchteber, der Bulle und der Hengst, naturgemäß mit. Die Kirche erklärte diese Vermummungen zu Tieren namentlich im Norden für etwas Teuflisches, ja selbst für Teufel. Die übermütige männliche Jugend blieb bei einem Tier nicht stehen, sondern schuf in den Städten, nachdem der Ursprung des Brauches vergessen war, ganze Herden von Tierlarven. Aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts sind sie uns belegt. Es war eine Gewohnheit in Braunschweig, daß die jungen Leute eine Compagnie machten, „dat se lopen Schoeduvel in den hilligen Tagen to Weihnachten" - Da ließ man die Bürger zusammenrufen und sagte ihnen, daß niemand Schoeduvel laufen solle, „daß nicht der Schäffer solcher Rotte hätte 10 Mark bei dem Rad zur Versicherung erlegt, daß sie sich daran erholen konnten, wenn ein Unfug dabey vorging. Die Schoeduvel durften nicht laufen in die Kirchhöfe, niemand bestuppen oder schlan." Im Jahre 1428 wurden in Hildesheim 11 Schoeduvels erschlagen, „dann sie sich voel upp der Straten anstelleten, da die Frauen, Mägde und Kinder versehren, davon heft dat Schoeduvels Crüze in Hildesheim vor dem Korsner Hofe stehend, den Namen bekommen."
In einer holsteinschen Sage ist noch die Erinnerung an die ehemaligen Tiermasken erhalten, mit denen man später in christlicher Zeit um die Weihnachtszeit ging. Ein Bauer Hans Hildebrand schlachtet seine alte schwarze Kuh und überredet seine Frau, die sich schon längst einen Mantel gewünscht hat, anstatt dessen die Kuhhaut mit den Hörnern umzuhängen. So geht sie Sonntags in die Kirche; die Gemeinde glaubt, es erscheine der leibhaftige Teufel und läuft voll Bestürzung auseinander. Aber die Sache wird entdeckt, und nun erklärt der Pfarrer dem Bauern, „diese Sünde sei allzu groß, als daß er sie ihm vergeben könne, vielmehr müsse Hildebrand nach Rom wallfahrten und sich dort vom Papst die Absolution holen."
Auch sonst wußte die Tendenzsage Schreckliches aus der Zeit des Niederganges dieser Maskenumzüge zu berichten. Vom Nikolaustage erzählt in Schwaben die Sage, in Mühringen seien sonst immer zwölf Klause herumgezogen. Einst waren es dreizehn. Der Pfarrer wurde gerufen, segnete die Klose und sieh da: es waren im Nu nur mehr ihrer zwölf. Im Norden ist diese Sage auf Weihnachten übertragen.
In einem mecklenburgischen Dorfe hatten sich am Vorabende des Weihnachtsfestes zwölf junge Leute als „Ruhklas" verkleidet und zogen tobend durch das Dorf. Auf dem Friedhof angekommen, bemerkten sie plötzlich, daß ihrer dreizehn waren. Wie sie noch darüber staunten, fing mit einemmal der eine Knecht, der tollste Schreier, der sich in Erbsenstroh gewickelt hatte, lichterloh zu brennen an. Als es gelungen war, das Feuer endlich zu löschen, waren es jetzt nur wieder zwölf.
Aber noch lange erhielten sich Reste. Franck in „Altes und Neues aus Mecklenburg" eifert heftig gegen die Weihnachtsumzüge und meint, daß wir als Christen für dergleichen Teufelsspiel billig einen Abscheu tragen und unsre Kinder nicht mit Wodansgesichtern erschrecken sollten, wenn wir sie mit dem lieben Jesus-Kindlein erfreuen wollten; viel weniger sollte man ihnen Christum und den Teufel zugleich zur Anbetung darstellen.
Das Maskieren völlig verfemend, verbietet in neuerer Zeit der kluge mecklenburgische Volksglaube überhaupt, sich am heiligen Abend umzukleiden, mit Verkleiden und Maskieren Scherz zu treiben. Trotzdem erhielt sich eine andre, umständlichere und vollständigere Form des Umzuges noch lange; daß nämlich auf dem Lande zu Weihnachten der „Schimmel" erschien. Die Leute machten aus zwei Personen durch Behängung und Umwickelung mit Tüchern und vielleicht der Haut eines Pferdekopfes einen Schimmel nach. Dieser Schimmel ging in das herrschaftliche Zimmer und auf die Herrschaften los, um Gaben zu gewinnen. Der darauf Reitende hieß Klingklas oder Ruhklas und sammelte ein. In Buchholz in Mecklenburg kam noch 1880 am heiligen Abend der Ruhklas, des heiligen Christ Vörposten, auf einem Schimmel reitend, mit Aschenbeutel und Rute, die Kinder peitschend. Ihn begleitete der „Rumpssack", einen Ziegenbock leitend.
Karl Weinhold sagt von den Gestalten, welche durch die Dämmerung der Adventabende und Zwölfnächte schleichen: „Es sind verschiedenartige Wesen: im Norden des deutschen Vaterlandes altheidnische Götter, unter ihnen verirrt eine Gestalt aus der Schar der Kirchenheiligen; im Süden und dessen Grenzgegenden die lebendig gewordenen Bilder der biblischen Geschichte; mitten unter ihnen tauchen aber alte Heiden auf und gemahnen an die gestürzte Dynastie, deren Reich das Christkind eroberte und die früher zu solcher Zeit die Länder durchzogen." Die Tiere, welche in früher wie in später Zeit eine ziemliche Rolle spielten, kommen noch dazu, und auch sonst ist die Scheidung zwischen Nord und Süd nicht ganz so scharf. Die Zwölften sind erst christlichen Ursprungs und noch zahlreiche andre Momente sind in Betracht zu ziehen.
Neujahrstänze und Singen zu Weihnachten im Umzuge waren schon im dreizehnten Jahrhundert gebräuchlich, ja so sehr, daß die Polizei dagegen einschritt.
Im Stadtrecht zu Saalfeld in Thüringen wird um 1300 mit Strafe bedroht: „Wer zu winachtensinget vor den husern oder wer das reiget zu dem nuwen jare umme gelt.“ Vielleicht haben wir es dabei mit einer Sitte zu thun, die auch in Schwaben belegt ist. „In früheren Jahrhunderten war es in Schwaben Sitte, daß die jungen Männer um Neujahr vor die Häuser ihrer Liebsten gingen und durch Lieder und Reime zum Zeichen der Gunst einen Kranz zu erlangen strebten." In Nordhausen wurde das gleiche Vergehen 1308 verboten. Meist Frauen, aber auch Männer sangen auf den Straßen und in den Hausfluren und erhielten dafür Geld, Wein, Meth und andres. Am Abend des 24. Dezember begannen die Umzüge und dauerten bis zum 12. Januar. Unter den verschiedensten Formen bestand das Herumziehen in der Schweiz und in Böhmen. In dem mittelalterlichen Statutenbuch von Schaffhausen heißt es: „Wir der vogt zu Schafhusen haben gesetzet dur gutes frides willen, daß nieman sol bitten in unserer stat und in unsern gerichten zu Schafhusen an des in genden jares abent, ald an den zwelften abent, ald an andern tagen, als man in den ziten daher getan hat, dur dehain geverde mit singene oder susse, und sol das menglich miden, das man dehain geverde darunder trieben sol. Und wer das brichet, der sol unser stat zu busse geben 1 phenning unser münz, als es beschiht. Wer och jemanne ihtes dar über also git, der sol och dieselben busse geben, als dik es beschiht." Weihnachten ist hier nicht genannt, und daraus ist sicher zu schließen, daß in Schaffhausen besonders an diesem Abend Umzüge noch nicht üblich waren.
Um 1390 bestand in den „Prager Städten" schon lange der Brauch des Koledasammelns. Nach einem in das Statutarrecht eingetragenen Gemeindebeschlusse pflegten am Vorabende des Christtages die Armen, aber auch die Stadtbediensteten und die Gerichtsboten, Büttel, Henkersknechte, die „Famuli braxatores’ (Mälzerknechte) und die Wasserführer, endlich auch die öffentlichen Dirnen herumzugehen, um die Koleda einzusammeln. 1390 wurde diesen aber der Umzug verboten, damit nicht durch ihre Konkurrenz die Armen beeinträchtigt würden. Es wurden zwei Stadträte an den Rat der benachbarten Neustadt geschickt, um zu erbitten, daß man die Meute der Dirnen während der Festzeit an der Koppel halte. Nach der Sage fand dieser Umzug seit dem Jahre 1098 statt, in der Hussitenzeit geriet er jedoch in Vergessenheit und wurde erst 1620 wieder aufgefrischt. Joseph II. hob ihn dann am Ende des achtzehnten Jahrhunderts wieder auf. Der böhmische Presbyter Alsso empfiehlt den Brauch der Priesterumzüge mit Gesang zu Weihnachten sehr und weiß auch die Geldspenden der Leute gebührend zu schätzen. Vielleicht hatte das Kloster nicht unbedeutende Einnahmen davon. Als sechsten Brauch nennt er, daß man am Christabend in den umliegenden Häusern singen geht, was man jedoch auch eine Woche später (am 1. Januar) thut. Dabei werden Reliquien und ein Kruzifix herumgetragen, ein Gesang aus den Propheten wird gesungen, und daran schließt sich die Weihnachtsliturgie; dann folgen andre Lieder, und die wahren, gläubigen Christen lauschen ihren Gesängen mit Freuden, beschenken die Boten mit einem ,Botenbrot' und reichen ihnen auch etwas Geld, damit sie das ganze Jahr über um so eifriger und weniger gehindert im geistlichen Amt sein könnten. Die Leute knieen vor den Reliquien und dem Kruzifix nieder und bezeugen öffentlich, daß sie dem neugeborenen König, Christus dem Herrn und seinen Heiligen, unterworfen seien und gehorchten. Außerdem bringen sie vor das Kruzifix, die Reliquien und seine Boten brennende Wachskerzen, gleichwie vor einen Fürsten und seine Krieger. . . . Die Priester und Meßner gehen aber in weißen Ueberwürfen zu dem Empfang, weil die reinsten Diener und des lautersten Herrn Boten diejenigen sind, welche die Weiße der Reinheit und Unschuld lieben. Seine Knechte räuchern auch die Häuser aus, in die sie kommen, um durch Weihrauchskraft den Fürsten der Finsternis, den Teufel, aus allen Winkeln zu vertreiben. . .
Aber auch an diesem löblichen Brauche hat der Teufel seinen Anteil, nämlich bei den Menschen, die sich selbst anräuchern, die die Kohlen nicht im Räucherfaß mit hinausnehmen lassen, sondern sie in den Ofen schütten, damit nicht das gesamte Glück des folgenden Jahres ihre Häuser verlasse: die um etwas Weihrauch von jenem Abend bitten, um damit Zaubereien auszuüben, um sich ihrer Männer und andrer Liebe zu erwerben."
Die Ersetzung der Kalenderheiligen der beiden großen Winteranfangsfesttage in den immer mehr nach Weihnachten hinrückenden Adventumzügen durch die biblische Gestalt von Jesus fällt ins fünfzehnte Jahrhundert. Später verschwindet nämlich die Bezeichnung der heilige Christ für die Person selbst. In den Weihnachtsumzügen aber erhält sie sich noch fort, ja wird geradezu zum Eigennamen für den nachmals unsichtbaren Beschenker zu Weihnachten. Der Begriff dessen löst sich dann freilich seit dem Beginn des achtzehnten Jahrhunderts von der dogmatischen Persönlichkeit des Gottessohnes völlig los und bleibt auch volkstümlich, als die Vorboten des Bruches zwischen Volkstum und Christentum sich einstellen und dieser sich in den beiden folgenden Jahrhunderten selbst vollzieht. Dann nimmt das deutsche Volk aus seiner christlichen Episode ein neuentstandenes Familienfest mit in seine Periode der wissenschaftlichen Weltanschauung hinüber, indem es dem Weihnachtsfest die dogmatische Bedeutung abstreift, die es in der mittelalterlichen Weltanschauung hatte. An Stelle der alten Winteranfangsfeste behält das Volk Weihnachten als Kinderfest bei, nachdem die sozialen Verhältnisse und namentlich die Entwickelung des Städtelebens, das nicht mehr plump an die landwirtschaftliche Produktion gebunden ist, ein Mittwinterfest möglich gemacht haben. Daß in jenen Tagen sich die nördliche Erdhälfte der Sonne wieder mehr zuzukehren beginnt und infolgedessen die Tage länger werden, gibt dem Feste einen naturreligiösen Hintergrund. Weihnachtsbaum und Pyramide aber gehören eng zu der Bescherung, die sie erleuchten, und stehen wie geschichtlich durch ihre indogermanische Abkunft, so auch thatsächlich jeder konfessionellen oder dogmatischen Bedeutung fern, so sehr auch die protestantische Kirche, die ja zur Entstehung ihrer heutigen Form mit beigetragen, sie im neunzehnten Jahrhundert zu ihrem Eigentum zu machen sucht.
Das Reformationszeitalter kennzeichnet sich durch die Ausmerzung der volkstümlichen Bestandteile, welche sich nach und nach in das Christentum eingenistet und seine Entwickelung auf deutschem Boden dargestellt hatten. Das gilt von dem Heiligenglauben, der im wesentlichen auf den deutschen Polytheismus zurückgeht, von dem Kultus des Weibes Maria, wie von dem volksmäßigen Rankenwerk der religiösen Dramen. Man faßt das volkstümliche Christentum des fünfzehnten Jahrhunderts als eine Entstellung der ursprünglichen Reinheit und sieht überall Verfall, nicht bloß im Norden, sondern ebenso im Süden. Die Zimmernsche Chronik, die in den Jahren 1563—66 zusammen gestellt wurde, erzählt von einer Gräfin von Oettingen: „In der Weihenecht nacht — wie dann ainest ain großer Andacht bei unsern Vorfaren gewesen, dann laider bei uns, also das sie gar nahe die ganz nacht im Gebet hervornen gewesen — do ist die guet Fraw auch nit zu bet gangen, sonder vor und bei iren wachsliechtlin knüet und ire Gebett gesprochen."
Bis ins sechzehnte Jahrhundert waren und blieben die beiden Hauptpersonen Martin und Nikolaus, jeder mit seinem Bäumchen und seinen Gaben, im Süden wie im Norden beide. Erst das sechzehnte Jahrhundert hat im Norden den Nikolaustag so völlig ausgerottet, daß ihn der heutige Volksglaube überhaupt nicht mehr kannte, wenn der Name seines Heiligen nicht in dem Ruh Klas der Weihnachtsumzüge fortlebte. Mußte man es doch mit der Abschaffung des Kultus der von der Kirche verehrten Männer als anstößig empfinden lernen, daß diese in volkstümlichen Umzügen herumschritten, die Kinder beschenkten und so ihren Tagen immerhin noch eine gewisse Bedeutung gaben. Der Kampf gegen diese Heiligenumzüge ging in dreifacher Weise vor sich. Zunächst wurden die ernstesten Versuche gemacht, den Rest von Winteranfangsumzügen, der sich am Martins- und Nikolaustag noch erhalten hatte, nach Weihnachten zu ziehen, und diese Versuche sind auf dem ganzen protestantischen Boden mit Erfolg gekrönt worden.
Diese neuen Weihnachtsumzüge aber konnten ebenfalls nicht unverändert bleiben. Ihr neues Datum forderte eine neue Hauptgestalt. Diese erhielten sie in Jesus, dem noch ein paar Apostel, namentlich aber Petrus, beigegeben wurden, wenn der Schlüsselträger ihnen nicht schon früher angehörte, wofür mancherlei spricht. So entstand in diesen Umzügen eine dunkle und eine lichte Gruppe. Träger des Bäumchens und der Gaben blieb die Hauptgestalt der dunklen Gruppe, die zum Kinderschrecken ausgebildet wurde, während die lichte sich ihnen freundlich gegenüberstellte. Dazu diente vor allem das ständige Requisit des Umzuges, das Bäumchen oder der Zweig, das meist, vielleicht immer, aus Wachholder bestand und wie der alte Martinsbusch zum Teil zum Aufstellen eingerichtet war. Neben dem wirklichen Busch kam auch ein künstlicher, zusammengebundener vor, und zwar um so mehr, als man zu Weihnachten keine Wachholderbeeren und keine Eichenblätter mehr zum Ausputzen haben konnte. So half man sich mit künstlichen Blumen aus Papier, mit Aepfeln und Nüssen, oder stellte auch Wochen vorher, namentlich seit dem Andreastage, Zweige von Kirsch- und Weichselbäumen in die Stube in Wasser, damit sie zum Umzug Blüten hätten und ein wirkliches Geschenk darstellten. Wer das Bäumchen, den Blütenzweig, erhielt, stellte ihn auf. Daß das Bäumchen als Segensgabe das Geschenk begleite, hatte man längst vergessen. So machte man es einem neuen Zwecke dienstbar, den der Fortschritt der Zeit geschaffen hatte, und machte den Zweig zur Rute, zum pädagogischen Züchtigungsmittel.
Das Mittelalter hatte sich verhältnismäßig wenig mit den Kindern beschäftigt. Es hatte auch keine Veranlassung dazu, denn das Wissen, das man sich fürs Leben einzuprägen hatte, war gering. Das Kind lernte es ohne Mühe durch Uebung. Schreiben und Lesen zu können, bedeutete bereits Gelehrsamkeit. Bei den Sachsen wurden die Knaben im zehnten Jahrhundert bereits mit dem elften bis zwölften Jahre mündig, und nach den deutschen Volksrechten trat die Mündigkeit des Mannes meist vor dem fünfzehnten Jahre ein. Das wurde erst anders, als seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts die griechisch-römische Bildung in neuer Auflage nach Deutschland kam und thatsächlich eine größere Menge Wissenswertes sich aufhäufte. Das Lehren der Kinder nahm nunmehr einen größeren Raum im Leben ein, und die Zeit bekam einen pädagogischen Zug.
Wo der Zweig oder das Bäumchen in der Hand der umziehenden dunklen Gestalten blieb, wurde er zur Zuchtrute. Mit dieser schlug man jedoch die Kinder nur zum Teil, zum Teil schenkte man sie ihnen mit den Gaben. Auch als im sechzehnten Jahrhundert die umziehenden Figuren örtlich ganz verschwanden und man, namentlich in den Städten, den Kindern die Geschenke in ein Bündel zusammengepackt gab und ihnen sagte, der heilige Christ habe sie gebracht, war in das Bündel, in „die Christbürden", stets eine „Christrutten", ein Zweig, eingebunden, den man als Mahner zum Artigsein auffaßte. Durch das Ausscheiden der umziehenden Gestalten aus der Weihnachtsfeier an zahlreichen Orten Nord- und Mitteldeutschlands erst entstand die eigentliche Weihnachtsbescherung, die sich in einem Jahrhundert zum förmlichen Rechtsbrauch entwickelte. Sie ist demnach nur eine Abzweigung von dem großen Stamme der Weihnachtsumzüge.
Aber nicht auf dem ganzen deutschen Sprachgebiet ging diese pädagogische Umwandlung des alten Martins- und Nikolausbäumchens vor sich. In Ober- und Mitteldeutschland erhielt es sich vielmehr als Bäumchen. Als Martin und Nikolaus es nicht mehr brachten, sondern man sie aus der üblichen Festfeier gestrichen hatte, stellte man das Bäumchen dennoch für die Kinder weiter auf. Statt des schwerer erhältlichen Wachholderbusches nahm man Tannenbäumchen, die nach und nach etwas größer wurden. Bald bekamen alle Kinder eines Hauses eins zusammen, bald jedes eins. 1605 kommt der erste solche Weihnachtsbaum in Straßburg vor. Noch lange eiferten Theologen dagegen, aber der Brauch hat doch immer neuen Boden gewonnen und wird seine Schwester, die Christrute, vermutlich um manches Jahrhundert überleben.
In seinem Stamm noch ins sechzehnte Jahrhundert und zwar in dessen zweite Hälfte gehört ein Umzug, der in einigen Dörfern des Fürstentums Waldeck noch bis 1830 allweihnachtlich zur Aufführung kam. In diesem Jahre wurde er polizeilich verboten, weil allerhand Unfug dabei vorgefallen war. Das Stück zeigt noch die Geschichte, die es durchgemacht hat. Der Sage nach soll es von einem Cültener aus dem Sachsenlande mitgebracht und in Culte umgedichtet und zur Aufführung gebracht worden sein. Sicher sind die vierhebigen Knittelverse der Stamm; die eingeschobenen Alexandriner und der Schäfer Pamphilius stammen aus dem siebzehnten Jahrhundert; das Hauptvergehen der Kinder ist, daß sie dem Dünnbier den Kaffee vorziehen, ein Vergehen, das dem achtzehnten bis neunzehnten Jahrhundert angehört. Hansruhbart (Hans Rauhbart, offenbar aus „Rupert" entstellt) spricht platt (sächsisch, wie ehedem vielleicht das ganze Spiel war). Die Personen zerfallen in eine lichte und eine dunkle Gruppe: Christus, Maria, der Engel, Petrus, Niklawes sind weißgekleidete Gestalten. Hansruhbart, Brose, der (unverkleidete) Sackträger und der Schäfer Pamphilius mit dem edlen Rosse Zink stehen ihnen ganz deutlich gegenüber. Hansruhbart und Brose sind sogar in Erbsenstroh gekleidet und tragen abschreckende Masken. Pamphilius hat am Halse an einem Riemen eine „Büchse voll Dreck oder Gotte" hängen, mit dem er die Kinder anzuschmieren droht. Jede Person wird einzeln aufgefordert, zu erscheinen und zu reden. Die Art der Einführung ist in hohem Grade altertümlich. So wenn Christus das Erscheinen des Schäfers Pamphilius motiviert:

„Ich habe noch einen getreuen Knecht,
Pamphilius heißt er schlecht und recht.
Der mag nun auch zugegen sein;
Herein! Pamphilius, herein."

Petrus ist der Spender der Gaben, die die Kinder aber nicht erst nach der Verzeihung erhalten. Er hat ein Körbchen mit Aepfeln, Nüssen und Schnitzen in der Hand, die er den Kindern hinwirft, mit denen er am Tisch spielt. Sobald die Kinder nach seinen Gaben fassen, schlägt er sie mit seiner weißen Gerte auf die Finger.
Brose, der schon ein böses Kind im Ranzen hat, und Hansruhbart sind volkstümliche Schreckgestalten. Keiner von ihnen hat das Roß, sondern das gehört dem Schäfer mit dem griechischen Namen.
Draußen klingt eine kleine Messingglocke, und der Engel tritt in die Stube, um die Kinder zu prüfen. Auf seinen Ruf folgt ihm Christus und läßt sich auf einen Stuhl nieder. Maria dankt Gott für seine Erscheinung, und er verheißt den Kindern große Gaben, wenn sie gut, und Strafe, wenn sie unfolgsam gewesen seien. Niklawes, eine wie Jesus, Maria, der Engel und Petrus weißgekleidete Gestalt, verklagt die Kinder, Petrus schließt sich ihm an, und Christus spricht:

Ei nun, da habe ich den Knecht Hansruhbart zu rufen,
Daß er komme und strafe mit Liebesruthen.
Komm' du, Holle! Holle! Hansruhbart! mit deinem großen Sack
Und steck hinein das gottlose Kinderpack.

Hansruhbart ist nicht faul:

Potz Stieb, potz Stab, potz Spieß und Ofengab(el)!

ruft er:

Bo is min Sack?
Min dicke Sack, min graute Sack, min breide Sack, min smale Sack? Nu steck hinein dat guottlause Kingerpack!

Ein besonderer Sackträger wirft einen Sack voll Erbsstroh auf den Boden, und Hansruhbart ruft noch den Brose mit dem Ranzen herein. Dieser ist wie er selbst mit Erbsstroh bekleidet, das ihnen mit Stricken um Leib, Schultern, Beine befestigt ist. Eine schwarze Bärenkappe auf dem Kopfe, eine Pelzmaske vor dem Gesicht mit rotem Mund, roten Augen und einer großen roten Nase, gleichen sie sich. Beide führen einen langen, dicken weißen Stab. Aber Niklawes weist Brose zurück und bittet für die Kinder. Jesus ruft den Schäfer Pamphilius herein, der mit seinem Rosse Zink erscheint. Dies ist ein künstliches Tier, ein abgestorbener Pferdekopf an einer Schuttegabel befestigt. Diese trägt ein Bursche unter einem großen weißen Laken. Auch er droht den Kindern und macht mit Zink allerlei Späße. Jesus läßt die Kinder examinieren, die fünf weißen Gestalten scheiden, und auf die Versicherung der Kinder, „es nicht wieder zu thun," verlassen auch die grausigen Gestalten die Scene, jedoch nicht ohne die Kinder erst aufgefordert zu haben, doch unartig zu bleiben.
Solche kleine Umzugsspiele waren über ganz Deutschland verbreitet. Mochten sie sich auch örtlich noch so verschieden gestalten, der allgemeine Grundzug blieb. Die alten volkstümlichen Gestalten, daneben die neuen christlichen. Bald halten sich beide die Wage, bald verschwindet die eine, bald die andre Gruppe. Auch ging stellenweise der heilige Christ allein herum. So in Züllich 1610—1615. Da ging er am heiligen Abend nach der Vesper „ausgekleidet (d. i. schön angezogen) von Haus zu Haus in der gantzen Stadt sobald auch in den Vorstädten um mit einem lieblichen Räuchwerk eines Rauchfasses, und wurden die Kinder ihm vorgestellt, die da beten mußten und kriegten etliche ihr Christgeschenke von Kleidern, daß sie also in die Christ-Nacht gehen und derselben beiwohnen konnten."
Unter den volkstümlichen Gestalten tritt vor allem eine hervor, die in dem Waldecker Spiele als Hansruhbart erscheint, Ruprecht, auch Knecht Ruprecht genannt. An der ersten Stelle, wo dieser in der Litteratur vorkommt, führt er zugleich den Namen Acesto. Obwohl Rupert gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts gleichbedeutend mit einer vermummten Gestalt gebraucht wird, ist er doch keiner der Teufel des mittelalterlichen Dramas und kommt in einem solchen überhaupt nicht vor. Er ist auch kein plumper Bauer mit einem Scherznamen, sondern scheint seiner weiten Verbreitung nach, für die allerdings auch, wie wir sehen werden, in ausgedehntem Maße litterarische Denkmäler als Quellen anzunehmen sind, die durch christlichen Einfluß ungetrübte Fortsetzung einer Hauptgestalt der alten deutschen Novemberumzüge, vielleicht Wuotans selbst zu sein, auf den der Name Hruodperaht, der Ruhmglänzende, nicht übel passen würde.
Seit dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wenden sich die Gebildeten zum großen Teil von diesen Umzügen ab. „Christlarven", wird der ständige Ausdruck für die vermummten Gestalten der Weihnachtsumzüge. Theologen brauchen noch weit härtere Worte. Während des dreißigjährigen Krieges, der großen „Blutflut", wie man ihn nannte, spricht in seinen Festpredigten der Straßburger Theologe Dannhauer von „Affentheuer und Unfläterei vor der Blutflut" Zu Weihnachten. Wenn von „Christspiel", „den heiligen Christ tragiren" und ähnlichem die Rede ist, sind ebenfalls immer die Weihnachtsumzüge gemeint. Erst um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, in der kritischsten Zeit für den deutschen Volksglauben, nehmen teilweise die Weihnachtsumzüge auch sachliche Elemente aus den Jesusgeburtspielen auf, wenn auch nur äußerlich, und wenn auch nur die so äußerst beliebten Hirtenscenen. Auch Personen werden herübergenommen. So namentlich Maria, wie in dem Waldecker Umzugsstück, aber außerdem auch noch Joseph. Ein Nürnberger Weihnachtsumzug von 1668 zeigt diese Einflüsse bereits ganz deutlich. Er hat eine ganze Reihe Personen der christlichen Weihnachtssage nebst dem Knecht Ruprecht, der von Jesus auch Acesto angeredet wird. Das Personenverzeichnis führt ihn auf als „Kindleinfresser". Ein Schäferspiel in Prosa eröffnet das kleine Stück, ganz wie das hessische Jesusgeburtspiel. Die beiden Hirten Ruben und Jthamar unterhalten sich über ihre Weide bei Bethlehem, die reißenden Wölfe und den Bösen, der gleich ihnen umgeht. Da erscheint der Engel Gabriel und verkündet ihnen die Geburt des Jesus. Sie gehen ab und Gabriel spricht als „Vorredner" seinen Versprolog „rücket den Sessel in die Mitte der Stuben / und fähret im Reden fort". „Er machet die Thür auff" und „Sie gehen alle ordentlich hinein / Raphael/ Petrus / Christus / Nikolaus / Maria / Joseph / Ruprecht." Sie knieen nieder und stehen wieder auf, und es beginnt die Anklage der Kinder. Raphael, Nikolaus und Petrus sprechen schlecht von den Kindern. Joseph und Maria bitten für sie. Ruprecht will sie gestraft wissen. „Christus / gantz erzürnt will weggehen." Er sagt zu Ruprecht: „Acesto nimm sie hin" und dieser freut sich des Befehles:

„Ja freilich will ichs thun / ich hab mich längst gefreut /
Bis ich empfangen werd / so einen guten Bescheid /
Die Uhr, die geht mir recht / sie hängt auff meine Seiten /
Ich will mit grosser Schaar, zur Hölle jetzt einreiten /
Fahr du nur also fort / erzeige zornig dich /
Die Kinder sind gar bös / und das ist gut für mich.
So wird der Sack bald voll / und also kan ich prangen /
Wann ich so wol mundirt / zur Hölle komm' gegangen /
Ja schreyt und weint ihr nur / nach euren guten Willn /
Die Peitsche und der Sack / die sollens euch bald stilln /
Ich frag nicht viel darnach / ob ihr wollt trotzig sehen /
Der Ausspruch / so geschach / der muß gewiß geschehen /
Ich, achte kein Geheul / ich nehm kein Bitten an /
Trab immer mit euch fort / nach meiner Höllen Bahn /
Fort öffne dich mein Sack / ich mutz dir etwas sagen /
Du must mir helffen jetzt / die bösen Kinder tragen.
Juch freuet euch ihr Gäst / ich will euch warten auff /
Auffs beste daß ich kan / und wacker schieren drauff /
Der Schwefel-Dampff und Rauch / euch reichlich sollen speisen /
Die Augen in dem Kopf / mit einem Huy ausbeissen /
Da ist die Bitt zu spat / dort kein Erbarmen gilt /
Ich meß euch volle Maß / wie ihrs allhier gefüllt /.
Ich trag euch ferner auff, viel Funcken / Feuer-Flammen /
Die schlagen über Gäst / Stühl / Bänck / und Tisch zusammen.
Und dieses ist der Lohn / vor eure böse That /
Bey mir gild keine Gunst / ich weiß von keiner Gnad /
Sind das nicht kleine Gäst / find das nicht feine Trachten?
So denen es ergeht / die gute Zucht verachten."

Noch einmal spricht Christus:

„Acesto führe sie / hin in den Schlund der Höllen."

und noch einmal freut sich Ruprecht. Gabriel legt seine Fürbitte ein, während Raphael, Nikolaus, Ruprecht und Petrus für Bestrafung eintreten. Petrus schließt:

„Darumb O Jesu straff / die bösen Sünden Thaten /
Was wilt du lieben viel / verdamte Höllen-Braten."

und Ruprecht frohlockt:

„Dieses ist ein Pfenning werth
Daß es geht wie ichs begehrt /
Freuet euch ihr Kinderlein /
Ihr müst in den Sack hinein /
Da hilfst gantz kein Greinen nicht /
Und ein krumbs und scheels Gesicht /
Ich nehm euch mit Strimpff und Schuh /
Und trab nach der Hollen zu.
Hätt ihr besser es bedacht /
Hätt ich über euch nicht Macht /
Christe du thust recht daran /
Daß du keine Bitt nimmst an.
Ich dein Knecht
Der Ruprecht /
Will sie striegeln /
Und zerprügeln /
Ohne Maß /
Ohn Ablaß
Ich will lohnen /
Und nicht schonen /
Sünden-That /
Ohne Gnad /
Ohn Vorsprechen /
Tapffer rächen /
Fahr nur fort /
Laß kein Wort
Von Gnad wissen /
Laß sie büssen /
Weil sie dich
Freventlich
Nur verachtet /
Nicht geachtet."

Maria und Joseph fallen Jesus zu Füßen und bitten für die Kinder, dabei ist Joseph ganz offenbar wie im Jesusgeburtspiel die komische Figur. Ruprecht sagt zu ihm:

„Der alte Weiber-Mann / der will mir viel drein brummten /
Sein Blatten ist so groß / man könte wol drauff drummlen /
Was ist das Bettlen nütz / was soll das Gnecklen seyn /
Was gehts dich Alter an / die Schelme die sind mein /
Warum sind sie nicht fromm / so dörfft ich sie nicht straffen /
Ich warte meins Befehls / du hast nichts mit zu schaffen."

Abermalige Fürbitte von seiten Gabriels. Die Kinder „beten und werden verhört von Gabriel / Raphael / Petro und Thoma." „Ruprecht / hält ein weil still / bis die Kinder gebet haben" und spricht dann seinen Aerger aus, daß ihm die Kinder entschlüpfen. Aber Jesus bringt ihn zum Schweigen:

„Heb dich verfluchter Geist / verstumm / was willst reden /"

ermahnt die Kinder und läßt ihnen bescheren:

„Nun aber Petre du / trag schöne Gaben her /
Und theil sie ihnen aus / daß keines gehe leer.
Ich will euch daß ihr mögt / dest besser mein gedencken
Zu dieser Weihnacht Zeit / mit Gaben reich beschencken."

„Petrus / Thomas / Joseph und Ruprecht / gehen hinaus und tragen die Gaben herein." „Petrus / setzet sie auff den Tisch:"

„Die Frau im Haus / wird wissen wol /
Wie sie die Gaben austheilen soll."

„Ruprecht / leget seine Waaren auch aus."

„Hier bring ich auch mit mir / Karwatschen / Gürten / Sennen /
Die können ohne Streit / Uneinigkeit zertrennen /
Sie sind nichts bessers werth; hier hab ich welche Grüben /
Die sind von unserm Pferd / den Esel überblieben.
Ich wolte euch noch wol / auch geben Pomerantzen /
Doch sind ihrs alle Tag / an Mauren / Zäun und Schantzen.
Noch etwas hab ich hier / es muß nicht aussen bleiben /
Es gehört nur für die / so fangen an zu schreiben /

(Legt einen Scharmitzel voll Segspän hin.)

Es ist ein wenig Gstüpp / damit man kan bedecken /
Die Säu / wann selbe sich zwischen die Zeilen stecken.
Und also nehmt vorlieb / und danckt für solche Gaben /
Ihr seyd nichts bessers werth / und solt nichts bessers haben."

Sie knieen nieder. „Sie gehen alle um den Stul und singen /
Ehre sey Gott in der Höhe / und darnach zur Thür hinaus. Michael und Ruprecht bleiben darinn." „Ruprecht redet nach" und „Gehet auch ab".
Mit dem Eindringen der Gestalten des Jesusgeburtspieles in die volkstümlichen Umzüge nunmehr der Weihnachtszeit war endlich eine wirkliche Verschmelzung der deutschen und der christlichen Anschauungswelt eingetreten. Der neue Gott Jesus zog mit dem alten Wuotan, wenn wir es in Ruprecht wirklich mit diesem zu thun haben, in derselben Prozession umher. Freilich war dieser zum Kinderschrecken geworden, und jener war eine leuchtende Lichtgestalt. Erst durch dieses unbewußte Kompromiß war es möglich geworden, das Christentum in den Kreis der Familie, in die Kinderstube einzuführen, erst dadurch war es ganz volkstümlich geworden, hatte sich die letzten Winkel des Volkes erobert. Die Umwandlung der volkstümlichen Umzüge im sechzehnten Jahrhundert beschränkt sich nicht auf protestantische Gegenden. Auch im Süden vollzieht sie sich, wenn auch in andrer Weise. Zwar gibt ihnen hier nicht ein neues Dogma neue Nahrung, aber der Niedergang der alten dramatischen Aufführungen, namentlich der Dreikönigsspiele, wirkte auf sie in gleicher Weise. Die Gestalten, welche in diesen auftraten, dringen in die Umzüge ein und verdrängen deren eigentliche Figuren. Eigentlich auf das Erscheinungsfest gehörig, treten sie auch schon zu Neujahr, dann zu Weihnachten auf. Mit einem Stern auf einer langen Stange gehen sie herum und singen ihre Weise, meist drei an der Zahl, aber auch in größerer Menge auftretend. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts sind diese „Sternsinger" zuerst belegt; und zwar in Oberösterreich. In den Rechnungen des Stiftes St. Florian in Oberösterreich finden sich mehrfach Ausgaben des Propstes für sie. Schon 1596 erhalten die, die den Propst zu Neujahr besuchen und singen wollen, Geld, 1614 bekommen dies die „Eblspergischen Sternsinger" am 3. Januar. Dabei ist bemerkenswert, daß sie von Weihnachten 1614 an auch wirklich zu Weihnachten erscheinen. Schon 1614 wurde die Gabe am 27. Dezember gereicht, 1617 den „Sternsingern von Linz" am 26. Dezember, denen von Ansfeld und Ebelsperg am 30. Ebenfalls aus Süddeutschland und aus der gleichen Zeit stammt ein Ansinglied, das sich seitdem an zahlreichen Stellen findet. Es erscheint zuerst in einem Nürnberger Drucke. In einem Straubinger Druck von 1590 beginnt es:

In Gottes Namen heben wir an!
Die heiligen drei König sind wolgetan.
Wir kommen daher ohn allen Spott;
Ein seeligen Abent geb euch Gott!
Ein seeligen Abent, ein fröliche Zeit
Verleih uns der Vater von Himmelreich!

Auch vielerorts, wo das Sternsingen jetzt verschwunden ist, war es einst üblich. So konnte man sich noch 1862 in Schwaben des Herumsingens entsinnen.
Hie und da werden diese durch das Dreikönigsspiel stark beeinflußten Martins- und Nikolausumzüge, die den Namen „Sternsingen" angenommen haben, als Komödien von den heiligen drei Königen bezeichnet. Enthielten sie auch ein Wechselgespräch oder waren epische Berichte über das, was die drei Könige erlebt hatten wie das Angelnsche Sternsingerlied, so war doch ihr eigenster Charakter der von Umzügen.
In Hamburg war eine reiche Variation dadurch zu stande gekommen, daß zwei neue Elemente in die Umzüge eindrangen, außer den Resten des Dreikönigsspiels auch noch die der kirch- lichen Krippenfeier. In der Zeit der energischen Durchführung des Protestantismus waren der heilige Martin und Nikolaus mit ihrem klingelnden Begleiter in einen Jesus mit einem Klingelgeist verwandelt worden. Wohl um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. Bis ins achtzehnte, ja stellenweise bis ins neunzehnte, haben sich diese Gestalten erhalten. Im siebzehnten Jahrhundert erfuhr ihr Umzug jedoch vielerorts die erwähnte Bereicherung. Luther und seine Zeitgenossen hatten gegen das Jesusgeburtspiel und ähnliches an sich gar nichts einzuwenden gehabt, wenn nur das Volkstümlich-Komische und Derbe nicht zu sehr hervortrat, ebensowenig gegen das Kindelwiegen. Das beginnende siebzehnte Jahrhundert dachte darüber anders. Die Jesusgeburtspiele wurden planmäßig ausgerottet und das Kindelwiegen aus der Kirche vertrieben. Die Jesusgeburtspieler und Dreikönigsspieler zogen seitdem neben den alten Gestalten der Novemberumzüge herum, die nach und nach völlig ausstarben. Die Krippe drang in die Kinjees- und Klinggeestumzüge ein.
Den Hamburger Brauch, wohl des angehenden achtzehnten Jahrhunderts, schildert Beneke in seinen Hamburgischen Geschichten und Denkwürdigkeiten: „Da war ein Stern zu tragen, so großmächtig, daß seine Strahlen den kleinen Träger vorn ganz bedeckten, während hinten ein unhistorischer Kometenschweif nachschweifte; da waren drei Könige vorzustellen mit langen Ziegenbärten, schleppenden Mänteln, mit goldpapiernen Kronen, langen Zeptern und Kegelkugeln als Reichsäpfeln. Und unter den dreien war gar ein schwarzer Mohrenkönig. . . . So zogen diese unheiligen drei Könige langsam und bedächtig durch die Gassen, gefolgt von jubelnden Kinderscharen, deren Geschrei nur verstummte, wenn vor den Thüren angesehener Leute die Könige mit ihrem Sternträger ganz ehrbar ein geistliches Lied zu singen begannen. Dem folgte oft ein weltlich Schelmenlied, das ganz arglos mit derselben trübseligen Miene vorgetragen wurde, als wär's ein Bußpsalm. Dann sammelten sie milde Gaben ein, Butterbrot, Kuchen, Aepfel und Nüsse, selten bares Geld. Häufig nötigte man sie in die Häuser, zum Entzücken der kleinen Kinder, welche sich anfangs in scheuer Ehrfurcht den vermummten Gestalten näherten, aber zuletzt selbst mit dem schwarzen Mohrian Freundschaft schlossen. . . . Sie schieden mit dem alten hell herausgegröhlten Verse:

Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern,
Sie essen und trinken und bezahlen nicht gern.

In den kleineren Landstädten Schleswig-Holsteins behaupteten sich die Weihnachtsumzüge noch bis zum Anfang unsres Jahrhunderts. 1865 kamen dieselben nur noch hie und da auf dem Lande vor. Drei Knaben in weißen Hemden trugen an einem Stock den papiernen, mit Flittergold und Sammet aufgeputzten Stern, an dessen Spitzen Glöcklein hingen, während dahinter eine kleine Lampe schien, und sangen ihr Weihnachtslied.
Aber auch die alten Figuren waren in diesem äußersten protestantischen Norden aus den Umzügen des achtzehnten Jahrhunderts noch nicht ganz verschwunden, wenn sie auch stark in den Hintergrund traten. Drei Knaben (auch Erwachsene) thaten sich zusammen und meldeten sich mit dem Reim:

Wir Kasper und Melcher und Baltzer genannt,
Wir sind die heiligen drei König aus Morgenland.

Sie waren je nach ihren Mitteln stattlich ausgeputzt. Einen goldpapiernen Stern, mit oder ohne Kometenschweif, führten sie mit sich, oder ließen denselben vorantragen: davon hießen sie im Volksmunde die Steernlopers (Sternläufer), auch Steerndregers (Sternträger) oder Steernkikers (Sterngucker): dänisch Stjärnefolk (Sternleute). Vor den Häusern wurden abwechselnd geistliche Gesänge und schelmische Bettellieder gesungen, und hatten die Sternläufer eine Gabe empfangen, so zogen sie mit einem Wunschlied von dannen. Hie und da pflegte der Knecht Ruprecht (der rüge Klas) dem Zug der heiligen drei Könige wie auch dem Christkinde voranzugehen. Das war eine in Pelz oder Stroh gehüllte Gestalt, das Gesicht vermummt, eine Rute oder einen Aschenbeutel in der Hand, einen Sack voll Aepfel, Nüsse und andre Gaben auf dem Rücken. Die artigen Kinder, welche gut beten konnten, beschenkte er; die unartigen drohte er in seinen Sack zu stecken oder strafte sie mit Rute und Aschenbeutel.
In Angeln in Schleswig-Holstein war zu Anfang unsres Jahrhunderts beim Weihnachtsumzug folgendes Lied üblich:

So treten wir hin ohn allen Spott;
Einn guten Abend, den gebe Euch Gott,
Einn guten Abend, ein fröhlichs Neujahr,
Daß uns kein Unglück widerfahr!

Zum Ersten, wir wollen Gott loben und ehrn.
Wir Heilgen drei König mit unserm Stern;
Wir Heilgen drei König, wir tragen die Kron,
Wir meinen, wir wollen das Beste dran thun.

Da kamen wir vor Harodos sein Haus,
Harodos der kukte zum Fenster heraus,
Harodos sprach mit lauter Stimm':
„Wo kommet ihr her? wo wollet ihr hin?"

Nach Bethlahem steht unser Sinn,
Da kommen wir her, da wollen wir hin,
Nach Bethlahem, der schönsten Stadt,
Wo unser Herr Christus geboren ward.

Harodos sprach: „Kommt herein zu mir,
Ich will euch geben Wein und Bier,
Ich will euch geben Stroh und Heu
Und auch die ganze Zehrung frei."

O nein! o nein! wir müssen jetzt fort,
Wir haben ein kleines Kindlein dort.
Ein kleines Kindlein, ein großer Gott,
Der Himmel und Erde erschaffen hat.

Und als wir auf dem Wege gehen,
Da blieb der Stern ganz stille stehen.
Ach Stern, du mußt nicht stille stehen,
Du mußt mit uns nach Bethlahem gehen,
Nach Bethlahem der schönsten Stadt,
Wo unser Herr Christus geboren ward.

Haben die Sänger dann eine Gabe erhalten, so stimmen sie ein Danklied an, von dem es zahlreiche Variationen gibt, z. B.:

Sie haben uns eine schöne Verehrung gegeben;
Der liebe Gott laß Sie in Freuden leben.
Er gebe Ihnen Glück, Gesundheit und Ruh',
Und führe Sie nach Ihrem Tode dem Himmel zu!

Aus der Kirche vertrieben und nur noch in wenigen Privathäusern erbaut, drang in Hamburg auch die Krippe in die Weihnachtsumzüge ein. In den letzten Tagen vor Weihnacht fanden dort Aufzüge folgender Art statt: „Maria und Joseph trugen unter frommen Christgesängen ein grünbekränztes Krippchen umher; Oechslein und Eselchen fehlten selten dabei. Dazu schritt „Kinjees" schon ganz erwachsen nebenan, obendrein seinen Verkünder, den großen Stern, selbst tragend. . . . Klinssgeest, ein weißes Engelchen, mit Glöcklein behängen, eröffnete klingelnd den mit Tannenzweigen reichgeschmückten Zug. Joseph, ein langaufgeschossener Junge, trug regelmäßig einen himmelblauen Talar und gelbe Unterkleider: Maria, in der Regel ein stämmiger Bursche von kleiner Statur, war ganz hochrot gekleidet. Häufig ließ man die Kinder auf die Hausdiele treten, wo sie sofort Gruppe machten und zu singen begannen. . . . Man beschenkte die Darsteller und Sänger reichlich. ..."
Mit der Zeit machten sich die verschiedenen Truppen Konkurrenz, und es kam öfter zu Schlägereien zwischen ihnen. Die Wache mußte einschreiten und damit war die Anregung zum polizeilichen Verbot gegeben.
In der langen Zeit, die die fremde Religion des Christentums in Deutschland gebraucht hatte, um wahrhaft volkstümlich zu werden, war den Gebildeten schon ein neues Evangelium gekommen, das ihre ganze Aufmerksamkeit gefesselt hielt, das erneute Studium der alten griechischen und lateinischen Dichter. Unter seinem Einfluß hatte die fortgeschrittenere Anschauungswelt neben dem alten noch ein neues Zentrum bekommen. Aus der alten Kreiswelt war eine Ellipsenwelt mit zwei gleich bedeutsamen Brennpunkten geworden. Hatte schon die Priesterschaft des fünfzehnten Jahrhunderts das Volk von der aktiven Beteiligung an den gottesdienstlichen Handlungen fernzuhalten versucht, so brach sich jetzt, nachdem der Protestantismus den anziehenden Pomp der alten Kirche abgestreift hatte, noch weit mehr die Anschauung Bahn, daß man das Heilige nur aus der Ferne betrachten dürfe, daß es eine Entweihung sei, den Gott Jesus in Person in der Kinderstube Geschenke verteilen zu lassen. Die Theologen hatten schon eine Weile geeifert, da kam ihnen auch die Polizei zu Hilfe. Während noch 1668 in Nürnberg der Nikolas-Ruprecht-Jesusumzug gedruckt wurde, war im fernen Norden, in dem protestantischen Hamburg, bereits zehn Jahre früher, das erste polizeiliche Verbot der Christumzüge erlassen worden, und 1666 war ihm ein zweites gefolgt.
In der Zeit der äußerlichen Bekehrung hatte die Kirche solche Verbote erlassen; jetzt nach der Reformation trat der Staat in dieser Hinsicht an ihre Stelle. Seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts beginnt ein förmlicher Hagel von harten Worten der Priester und Verboten der Polizei auf das Christspiel niederzusausen. Die theologischen Fakultäten werden um Gutachten angegangen und treffen reformatorische Entscheidungen, die Landesfürsten kommen mit feierlichen Erlassen. Gefängnisstrafen harren der Zuwiderhandelnden, und alle möglichen schlimmen Ausschreitungen werden ihnen nachgesagt. Die Schmähungen der Christumzüge in der Priesterlitteratur und die obrigkeitlichen Verbote sind für die Folgezeit denn auch unsere Hauptquellen für die kleinen und großen Schattierungen, die dieser Brauch an verschiedenen Stellen Deutschlands aufwies.
1647 und 1654 erschienen in Wien Regierungserlasse betreffs der „Comaedien von den h. 3 Khönigen". Sie wurden in volkstümlicher Weise beim Umzug von Kirchendienern aufgeführt, die „auf der Gassen mit dem Stern herumb" gingen und juchezten. Gerade das Juchezen aber erregte das Mißfallen der Polizei.
Am 14. Dezember 1658 wurde in Hamburg von allen Kanzeln der Befehl verlesen, „daß Niemand sich unterstehen solle mit dem Kinde Jesus und mit dem Stern herumzuziehen." Aus dem einen feierlichen Umzug hatten sich zahllose kleine Aufzüge entwickelt. Es wurde eine Art Volksbelustigung, sich zu Weihnachten als Christkindlein zu verkleiden und am heiligen Abend auf den Straßen und in den Häusern herumzuziehen. In einem Hamburger Ratsmandat vom 23. Dezember 1666, wo die jugendlichen Weihnachtsdarsteller schon mit vagierenden Bänkelsängern und Bettlern in eine Klasse geworfen und ihre Aufzüge strenge untersagt werden, heißt es: Jeder, der sich auf der Gasse als gekleidetes Christkindlein mit oder ohne Stern betreffen lässet, soll von der Nachtwache ergriffen und sonder Gnaden in Arrest gebracht werden.
Während in der Stadt Hamburg selbst polizeiliche Verordnungen den Christumzügen zum Teil schon im siebzehnten Jahrhundert einen Riegel vorschoben, erhielten sich dieselben z. B. in der Vorstadt St. Georg noch bis nach 1800, wo erwachsene Männer in Verkleidung und mit Sammelbüchsen versehen den Brauch übten.
Auf Sternsingerumzüge bezog es sich auch, wenn 1764 das Ordinariat zu Regensburg eine Weisung erließ, daß die Pfarrer gegen die Dreikönigsspiele eifern sollten, und um etwas ganz Aehnliches wird es sich gehandelt haben, wenn wir erfahren, 1782 feien in München die „Weihnachtsspiele" in die Zechstuben gewandert gewesen und seien in der Stadt eben untergegangen.

Wo die Polizei dem Sternsingen nicht ein jähes Ende bereitete, da fristete es sein Leben noch eine Weile hin. Hier ging es früher, dort später zu Grunde. Auch in völlig katholischen Gegenden war das sein Los. Bisweilen schleppten sich Reste davon bis in unser Jahrhundert fort. Aber endlich erlag es doch den veränderten Bedürfnissen der Zeit. Aus Oberösterreich haben wir eine Schilderung seines Verfalls in der zweiten Hälfte unsres Jahrhunderts. „Früher waren es oft angesehene wackere Männer, die stets und allen willkommen herumwanderten, die auch kein Geld annahmen, sondern höchstens ein Stück Störibrot und ein Gläschen ,angsötzten Branntwein': das Sternsingen ward als Ehrenamt angesehen, und nicht so schnell und unerprobt konnte ein neuer „Singer' sich eine solche Stelle erobern. In neuerer Zeit lebte, nach sangloser josephinischer Zeit, auch hie und da das Sternsingen wieder auf und noch (1881) gibt es mitunter solche Triumvirn, welche die alte würdige Tradition bewahren und herhalten; meistens aber sind heute nur die alten Lieder noch ehrenwert, deren Sänger aber das in geringstem Grade, da wir in ihnen oft nur jene verwahrlosten Gassenbuben wieder finden, die uns auch sonst im Jahr nur zu oft keck bettelnd in den Weg laufen."
Auch das sogenannte Paradiesspiel des Mittelalters, welches die alte jüdische Sage von dem Sündigwerden der Menschen durch das Apfelessen des ersten Weibes zum Gegenstand hatte, beeinflußte die Umzüge, indem seine Personen hie und da in sie eindrangen.
Am 20. November 1746 erließ der Fürst von Fürstenberg ein Decretum, in dem es hieß: „Eine gleiche Beschaffenheit (wie mit dem Nikolausfeste) hat es mit denen jenigen, welche um die heilige Weyhnacht und Neujahrszeit mit einander herumziehen, und wie sie es nennen, Drey König, oder Adam und Evam zu spihlen und andere derlei Sagen, um ein Schankung zu erhalten, vorzustellen, demnächst auch nächtlicher weil vor denen Häusern herumzusingen pflegen, woraus mehrere Verachtung, Gespött und Unanständigkeit als Auferbauung und Gutes entstehet: welchem nach dann auch dieses in Zukunft weder Fremd noch Einheimischen mehr zu gestatten -". Derselbe Brauch fand sich noch 1846 in den Städten Masurens in Preußisch Polen, und zwar hatten dort auch noch andre Stücke aus der biblischen Sage Spuren, d. h. Personen hinterlassen. Vielleicht an Stelle des Martinsbäumchens war der Lebensbaum getreten, den Adam trug. Jede Gestalt hatte ihr Kennzeichen: Eva erschien mit dem Apfel, Abraham mit einem Schlachtmesser, Moses mit einem Zauberstab, Aaron mit den Schaubroten, Simson mit dem Eselskinnbacken und einer Menge von Philistern, sogar Salomo mit der Königin von Saba. Auch als umgekehrt der Weihnachtsumzug stellenweise in das Jesusgeburtspiel einmündete und daraus ein Jesusgeburtspielumzug entstand - wohl im sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert - erhielt sich das alte Martins- und Nikolausbäumchen in ihm. In einem ungarischen Spiel hat es sich beim Umzug am ersten Advent erhalten, wenn es im neunzehnten Jahrhundert auch den Namen Christbaum angenommen hat.
Auch im sächsischen Erzgebirge vermischte sich, wohl erst im neunzehnten Jahrhundert, das Jesusgeburtspiel mit dem Weihnachtsumzug. Seit alters hatte die „Königsschar" die Geburtssage etwa von Weihnachten an zur Aufführung gebracht, während der Weihnachtsumzug in die Adventszeit gefallen war. Jetzt drang das Jesusgeburtspiel auch in den Umzug ein, der den Namen „Engelschar" führte. So kam, wie in Hamburg, die seltsame Thatsache zu stande, daß in derselben Aufführung Jesus als erwachsen und als Kind vorkam. Engel, der heilige Christ als Mannesgestalt, Bischof Martin und der heilige Nikolaus oder statt dessen anderorts der heilige Petrus, bildeten die Engelschar. Sie gingen in langen weißen Gewändern und trugen Kronen, die Engel außerdem noch Flügel, während Christus das Szepter, Martin eine Rute, Nikolaus einen grünen Zweig, Petrus einen großen gelben Schlüssel in der Hand hielt; ferner Joseph, Maria, der Wirt, zwei Hirten und der Knecht Ruprecht. Diese zogen von Haus zu Haus. Der heilige Christ fragte nach dem Fleiß und der Folgsamkeit der Kinder, Martin mußte sie im Katechismus examinieren und Gebete aufsagen lassen, Ruprecht schreckte die Ungehorsamen durch seine Drohungen, der heilige Christ aber beschenkte die Artigen; dann wurde die Geburt von Jesus im Stalle zu Bethlehem, die Verkündigung an die Hirten auf dem Felde und die Anbetung der Hirten im Stalle dargestellt und an passenden Stellen Weihnachtslieder gesungen; zuletzt verabschiedete Jesus sich und die ganze Schar mit einer Ermahnung an die Kinder. Die Engelschar hatte „das Recht zu gehen" vom ersten Advent bis Neujahr oder Hohesneujahr.
Dieses Eindringen von fremden Elementen aus dem Jesusgeburtspiel, Dreikönigsspiel, Paradeisspiel und der Krippenfeier ist aber nur ein lokales. Nachdem er den heiligen Christ in sich aufgenommen und den Zweig zur Rute umgebildet hatte, bestand der alte Umzug in Gestalt einer kleinen Aufführung noch lange fort als volkstümlicher Gebrauch, aber bekämpft von Theologie und Polizei. Die abstrakt gewordene Religion, die auf kleinliche mythologische Fragen das Hauptgewicht legte, glaubte ihrer Sache zu dienen, wenn sie alle konkrete Religiosität beseitigte und sich durch Entvolkstümlichung ihrer Gottheiten selbst den Boden unter den Füßen weggrub. Ohne Frage wurde sie durch diesen Kampf, allerdings sehr gegen ihr eigenes Interesse, selbst die Trägerin des geistigen Fortschrittes. Die Zeit, in der die Gebildetsten des Volkes in hohlen oder auch bedeutungsreichen Kultusformen ihr Genüge fanden, ist vorbei. Auf allen Gebieten fängt die abstrakte Auffassung an vorzuherrschen. Ihre eigenen Aufstellungen, die mit der fortgeschrittenen Zeitanschauung nicht mehr vereinbar sind, faßt die Kirche jetzt „rein geistig", ja vielfach nur noch sinnbildlich. Um die Formen zu halten, prägt man ihre Bedeutung zum Teil gewaltsam um. Der Kampf gegen die katholische Kirche mit ihrem prunkhaften, ausgebildeten Kultus, der Streit wider Heiligenverehrung und Heiligenbilder hat die Furcht erweckt, man möchte selbst in irgend einer Beziehung nicht frei von Götzendienst sein. Das lustige, auch ausgelassene Verhalten der heiligen Christe und ihrer Begleiter verwirft man als nicht mit dem neuen Begriff von der Würde und abstrakten Höhe der Religion vereinbar, aber auch wo sich der heilige Christ würdig und freundlich beträgt, verdammt man ihn unbedingt. Wenn die Kinder ihm ihre Gebetlein hersagen, vor ihm die Kniee beugen, so ist das ja grober Götzendienst, sie verehren den Schein für Wirklichkeit. So seltsam die Entrüstung der Pastoren dieser Zeit uns auch heute zum Teil anmutet, gerade in dieser Zeit hat die protestantische Kirche ein unendliches Verdienst um die geistige Befreiung des Volkes, gerade in dieser Zeit hilft sie wacker der eben aufsteigenden Wissenschaft die Schranken niederbrechen, die den geistigen Gesichtskreis des Volkes einengen, und bricht mit der Neigung zu den alten heimischen Göttergestalten, die längst keine Götter mehr sind, auch die Neigung zu denen, die sie selbst als Gottheiten verehrt.
Noch vor das Jahr 1680 gehört folgende Schilderung des Weihnachtsumzugs aus Norddeutschland. „Da lauffen bey uns, wider alles Verbot der Obrigkeit, die also genanten hall-heilige Christe mit Kühglocken und Schafschellen behänget auf den Gassen und Strassen noch offtmals herum, brüllen, schwärmen, schlagen an die Häuser, erschrecken die Kinder, und was des Wesens mehr ist. Da werden von denen, die für andern einen Schein der Gottseligkeit haben wollen, gantz öffentliche Processiones von den vermeynten heiligen Christen, Engeln, Aposteln und Knecht Ruprechten, die sich wie die Pickelhäringe und Fastnachts-Narren ankleiden, mit Gefolge einer großen Menge lachenden und schreyenden unbändigen Volcks, in den Häusern gehalten, und den Kindern die abgöttischen Concepte gemacht, das sey der heil. Christ, der sey mit seinen Engeln und Aposteln vom Himmel gekommen. Da giebt sich alsdenn ein gekrönter, und mit einem grauen Bart behängter Oel-Götze für Christum aus, und lässet sich von den Kindern als Christus ehren, die Knie für sich beugen und wohl gar als Christum anbeten. . . . Verklagt Knecht Ruprecht die Kinder bey dem falschgenannten heil. Christ, so stellet er sich zornig, als wolte er davon gehen. Da denn entweder ein Engel, oder einer aus den Aposteln eine Vorbitt einleget, und ihn begütiget, daß er den Kindern Gnade und Geschenck verspricht. ..."
Im Jahre 1670 war von dem preußischen „Consistorio und Cammergericht ein Befehl ergangen, daß man dergleichen unchristliches Wesen einstellen solle". Der Rat der löblichen Stadt Cölln an der Spree hielt auch ernstlich und beständig darüber, daß die Umzüge verfolgt wurden. Der Professor und Pastor D. Quistorpius zu Rostock sprach sich in einem lateinischen Werk ebenfalls dagegen aus.
Auch der Hochweise Rat zu Halle ließ „nach dem Höchstrühmlichen Exempel des Durchl. Fürstens Augustus Postulirten Administratoris zu Halle" „von den Cantzeln ablesen":
„Demnach durch die also genante heilige Christe bisanhero vielerley Unfug verübet, die hiesigen Bürger und Einwohner in heiliger Andacht und Vorbereitung zu dem hochheiligen Fest verhindert, und an stat gebührender Gottseligkeit unverantwortlicher Muthwille bey dem Umbgange bemeldter heiliger Christe getrieben worden; Und denn des Postulirten Herrn Administratoris des Primat- und Ertz-St(i)ffts Magdeburg, unsers gnädigsten Fürsten und Herrn, Hoch-Fürstl. Durchl. E. E. Rath unlängst gnädigst anbefohlen, solchen unheiligen und aus den Pabstthum herrührenden Unwesen ferner nicht nachzusehen, sondern dasselbe in dieser Stadt Weichbilde gäntzlich abzuschaffen, auf die belarvete Personen achtung zu geben, sie von den Gassen weg, und ins Gefängnüß etliche Tage setzen zu lassen; Als wil dem gnädigsten Befehl zu gehorsamster Folge, auch aus schuldigster Ampts-Pflicht E. E. Rath das Umbgehen der heiligen Christe hiermit gäntzlich verboten, und männiglich dieses Ortes verwarnet haben, sich darzu nicht zugebrauchen zulassen, noch dißfals einigen Vorschub zu thun, so lieb einem jeden ist die Strafe des Gefängnüß zu vermeiden. Wie denn auch das nächtliche Umlauffen mit den Sternen, und das dabey auf den Gassen des Abends und des Nachts verübende Singen und Schreyen hiermit nochmals bey Straffe des Gefängnüsses gäntzlich untersagt wird. Gestalt denen Stadtknechten ernstlich anbefohlen, auf die vorberührte Excesse gnau Achtung zu geben, und die Übertreter ohn Ansehn der Person, zur Gefänglichen Hafft zu bringen. Es hat sich ein jeder hiernach eigentlich zu achten, und für Schimpff und Schaden zu hüten."
Im Jahre 1682 verbot der Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg die repraesentratio scandalosa in einem ausführlichen Edikt: „Demnach nunmehro die Adventszeit und darauff folgende Heilige Christ-fest herbey kombt, da dem gemeinen Gebrauch nach allerlei vermummte Personen unter dem Namen des Christkindleins, Nicolai und Martini, auff den Gassen umbherlauffen, in die Häuser entweder willig eingeruffen werden, oder auch in dieselben sich hineindringen dergestalt, daß den Kindern eingebildet wird, als wehre es das wahre Christ-kindelein, welches sie anzubeten angemahnet werden, Nicolaus und Martinus auch als Intercessores bey demselben die Kinder zu vertreten sich annehmen, auch sonsten andre nichtige, unchristliche, muthwillige Dinge in Worten und Werken vornehmen und treiben, in der That aber die Sache also bewand, daß sie aus dem abergläubischen und abgöttischen Papstthum, ja wohl gar mutatis nominibus et personis, stockfinsteren Heidenthume den Ursprung hat, die Ido latriam crassam unterhelt und dieselbe den Kindern sub schemate alicujus religionis et devotionis beybringet, auch allerhand Ueppigkeit forciret und die rechtgläubige christliche Celebration der heiligen Zeit durch ungöttliche Meditation und Devotion verhindert. So haben Wir, in Erwegung solcher Umstände, nach reifflicher Ueberlegung dahin geschlossen, daß repraesentatio scandalosa mit allen ärgerlichen Ceremonien in Unseren Herzogthümern und Landen bei Unserer willkürlichen ernsten Strafe gänzlich abgethan und durchaus bey Adel und Unadel verboten seyn soll."
1724 wurde in Waldeck die Umkleidung des sogenannten Clagges zur Weihnachtszeit verboten.
Am 23. Dezember 1739 verbot der König von Preußen, „daß am Christabend vor Weihnachten Kirche gehalten, das Quem pastores gesungen werden, und die Leute mit Kronen oder auch Masken von Engel Gabriel, Knecht Rupprecht u. s. w. gegangen, noch dergleichen Alfanzereien mehr getrieben werden."
In Großbottwar in Schwaben wurde Anno 1750 den 26. Februar das Umhersingen und Musizieren vor den Häusern in der Christ- und Neujahrsnacht abgestellt. Aber noch später setzten sich am Vorabende vor Weihnachten eine Menge junger und alter Leute in Bewegung, und sangen vor den Häusern zum Teil Lieder aus Jesus' Kindheit, zum Teil Kriegslieder und Schnurren; Knaben, kleine Mädchen und Studenten, welche nicht singen konnten, beteten ein Vater unser oder Pater noster. Oft gingen die „drei Könige" mit ihnen. 1786 wurde das Singen jedoch abgeschafft.
Die Bemühungen zur Einschränkung des Christspieles waren schon früher zuweilen mit Erfolg gekrönt. 1679 hatte der Konrektor Grabow am Gymnasium zu Cölln an der Spree einen kleinen Traktat geschrieben über die Finsternis, welche unter dem sogenannten Heiligen Christ enthalten sei, und schon im folgenden Jahre konnte er in einem weiteren Schriftchen, das er „Danck-Opffer" nannte, seine Freude aussprechen, daß sich die studierende Jugend dessen „mit Hintansetzung ihres eigenen Geniesses" nicht teilhaftig gemacht.
Aus diesen beiden Traktätchen erfahren wir noch genauer, wie es bei diesen Christspielen zuging. Auch bei ihnen ist einschließlich der Gestalt des Ruprecht auf litterarische Verbreitung Rücksicht zu nehmen. Ihr Verfasser kannte Comoedien, „welche hievon in Druck" waren, und zwar rechnete er dergleichen Comoedien mit unter die weltlichen Gedichte. „Das unheilige Christwesen, die närrische Christ- Comoedie ", das „den heiligen Christ agiren", waren die Ausdrücke, die er dafür hatte. „Das töhrichte und liederliche verkleiden" war ihm nichts andres als ein Werk der geistlichen Finsternis. Er stimmte darin dem Verfasser des „Berichtes von den schändlichen Weynacht-Larven", einem Lehrer am Gymnasium zu Halle, völlig bei. Zu seinem Schmerze war dies Verkleiden sehr allgemein. „In allen Städten, ja in allen Gassen, wo nicht in allen Häusern, bald Alte bald Junge, bald Grosse bald Kleine" gaben sich für den heiligen Christ aus. Schüler, Knechte, Mägde, Lehrjungen, alle liebten diesen Spaß. Sie gingen „bey der finstern Abendzeit herumb" und machten einen Höllenlärm. „Was müssen sie (die Juden) gedencken von unserm Messia, wann sie unsern heil. Christ sehen und hören daher kommen, in Begleitung vieler Jungen und Mägde, mit Spiessen und mit Stangen, mit vielen Schellen, mit grossem Geschrey und Klatzschen der Peitsche?" war sein schmerzlicher Ausruf darüber.
Außer Jesus selbst gehörten zu dem Umzug der Knecht Ruprecht, Nikolaus, Petrus und andre Personen. Jesus trug eine „von Papier gemachete Krone" und einen „Höltzernen Scepter in seiner Rechten", Haar von Flachs und einen Bart aus Tierfell. Knecht Ruprecht kam in die Stube hereingepoltert und sagt, „andere schandbare Worte fürbey zu gehen":

Ich bin der böse Mann,
Der alle Kinder stracks auf einmal fressen kan.
Ich Herr Knecht Ruprecht, ich hab euch was zu sagen.
Das mir der heilge Christ zu sagen auffgetragen, u, s. w.
Es ist der heilge Christ mit seinen Engeln draussen,
Und wil euch nun durch mich die Kolben lassen lausen u. s. w.

Die Engel „bringen für":

„Macht auff ihr Seelen euer Thor,
Und lasset euren Heyland vor:
Macht auf die Thüren, wer da kan,
Und nehmet euren Heyland an."

Ferner sagen sie:

„Zeuch ein, du neugebornes Kind,
Weil dir die Thüren offen sind."

Der heilige Christ sagt dann:

Den Himmel laß ich stehn,
Mein Thron ist nicht zu mächtig.
Mein Stuhl ist nicht zu hoch.
Die Hoffstat nicht zu prächtig:
Ich lasse Thron und Stuhl mitsampt der Hoffstat stehn,
Und wil auff diese Welt mit wenig Dienern gehn u. s. w.

Jesus setzte sich auf den Stuhl und ließ „die kleine Kinder für sich beten, ja wol gar sich von denselben anbeten". Der Knecht Ruprecht „ examinieret das Gesinde" und Grabow meint, das heiße „mit den Glaubens-Artikeln ein Gespötte treiben". Auch das Seelenheil der Kinder machte ihm schwere Sorge. „Denn sie bäten ja nicht allein für ihm (dem heiligen Christ), sondern bitten auch denselben, nachdem sie dreiste sind, umb allerley Gaben, und dancken, wenn sie dieselben empfangen, in Meynung, daß es Gott oder Christus selber sey." Schon vorher hat man ihre Ehrfurcht vor dem Gotte erschüttert. Man hat sie erschreckt und mit ihnen gescherzt: „Der heiliche Christ kommt!" man hat gesagt: „Der heilige Christ ist arm" und so seinen Spott getrieben.
Eine ebenbürtige Schilderung der mitteldeutschen Weihnacht im ausgehenden siebzehnten Jahrhundert gibt Drechßler in seinem lateinischen Traktätchen über die Christlarven, das um 1670 erschien. Er gibt ausdrücklich an, daß diese Umzüge vor die Weihnachtszeit und in sie fallen. „Lange vorher" beginnen sie schon. Der Heilige des 11. November, Martin, und des 6. Dezember, Nikolaus, sind als alte Figuren vertreten. Dazu kommt noch „Knecht Rupert" auch „des Heiligen Christs Knecht" genannt. Jesus selbst erscheint, wie in allen Weihnachtsumzügen, erwachsen, und der Verfasser, der den Ursprung des Brauches nicht kennt, macht seine Glossen dazu. Engel, St. Peter und andre Apostel sind auch dabei. Außerdem noch mehrere Spukgeister, auf die der Name Rupert als Gattungsname angewendet wird: „etliche Rupert, oder verdammte Geister".
„Der H. Abend wird zum heydnischen Lauff- und Sauff-Abend. Die Gassen sind voll törichter Irrwische, voll Büberey und Muthwillen, voll Gauckeley und Phantasey. Und das währt durch die liebe Nacht. Des Morgens folgenden Tages ist das erste Wort: Was der H. Christ gebracht? wie ers gemacht? wie es närrisch zugangen?"
„Damit man aber wisse, wohin eigentlich gezielet werde; so mercke, daß ich denjenigen Gebrauch verstehe, welcher vor und zur Weynachts-Zeit gemein ist: Da nemlich, lange vorher, vermumte Personen mit klingenden Schellen herumlauffen, sich vor des H. Christs Knecht, Sanct Martin oder Niclas ausgeben, die Kinder erschrecken, zum Beten antreiben, und mit etwas wenigen beschencken. Rücket hernach das heilige Weynacht-Fest näher herzu, so nehmen die Irrgeister um desto mehr überhand, biß endlich den heiligen Abend das gantze Himmlische Heer (welches der schwartze Popantz vielleicht ausschicket), Häuser und Strassen anfüllet. Da führet man das neugebohrene Jesulein, den Heil. Christ, auf, mit Kron, Scepter und Bart gezieret; gleich als ob das liebe Christ-Kindlein in solcher Gestalt wäre auf die Welt gebohren worden. Diesen begleiten die Engel, S. Peter mit dem Schlüssel, andere Apostel, und dann etliche Rupert, oder verdammte Geister. Solche heilige Compagnie führt man vor die aus Furcht halberstorbenen kleinen Kinder, der Ertz-Bösewicht, Knecht Rupert, fängt an wider sie eine harte Klage zu führen: der Heil. Christ, heftig entrüstet darüber, bricht auf, will weiter gehen; der Engel Gabriel, gleichwie auch Petrus und andere heilige Gefärten legen eine Vorbitte ein; worauf der H. Christ besänfftiget, reiche Bescherungen lässet auftragen, und Gnade und Güte den kleinen Abgöttern verspricht. Sie die betrogenen Kinder sind unter des voller Andacht, welche alle auf diese sichtbare Dunst gerichtet. Der Heil. Christ wird mit Gebet verehret wegen der Bescherung; die umstehende Heilige wegen der kräfftigen Vorbitt; der Rupert wegen leichter Begütigung und inhaltender Straffe. ... Ich mag nicht anführen, und dran dencken, was vor abscheuliche Gedancken den unschuldigen Kindern durch dieses Werck unvermerck beygebracht werden: wenn man siehet, daß offt reicher Leute Kinder, so manchmal der Ausbund von losen Buben sind, viel bekommen; Arme und Fromme leer gelassen werden: Wenn man höret, der Heil. Christ habe diß und jenes gestohlen, entführet, sey arm, wisse nicht, wie sich das Kind verhalten u. s. w. . . . Die Kinder aber sprechen zu einander: „Der H. Christ kömmt: Der H. Christ brummet: Der H. Christ hat mir einen Qvark bescheret: Der arme H. Christ fiel in Koth: Der H. Christ ist nicht viel werth: Der H. Christ ist ein Mausekopff."
In einem Weihnachtsprogramme des Professors Herm. Christ. Engelken in Rostock von 1727 führt dieser an, daß das Christkind weiß gekleidet, sein Begleiter, der Rug' Klas, dagegen in allerlei rauhe Felle gehüllt und daß beide noch von einer Schar jungendlicher Gestalten umgeben waren, welche Engel vorstellten. In Sachsen war dafür auch der Ausdruck: „Heiliger Christ-Umbgang" üblich. Ein Dresdner Pfarrer schildert ihn 1722. Sein Bericht zeigt zugleich, daß die Priesterschaft den Umzug hie und da dadurch unterstützte, daß sie dafür kirchliche Gewandstücke zur Ausrüstung der Personen herlieh: „Der H. Christ-Umbgang" besteht darin, „daß man etliche Personen besonders, auch wohl mit dem aus der Kirche entlehnten Meßgewandt, bekleidet, dieselbige vor Gott dem Vater, und einige aus den Himmel gekommene Heilige ausgiebt, dabey auch Engel, nebst dem unter den Nahmen des Knechtes Ruperts bedeuteten Teufel vorstellt, und durch selbige die von Eltern denen Kindern zugedachte Weyhnachts-Verehrungen überreichen läst."
Unermüdlich war man in der Bekämpfung dieses Weihnachtsbrauches. Allerhand Argumente führte man gegen das Auftreten des heiligen Christ vor. Bald hatte dem Ruprecht die Hitze in der Vermummung geschadet, bald eine Hysterische in ihrem ekstatischen Gefasel „das Agiren und Heil. Christrepräsentiren bei den Kindern" als sündlich bezeichnet. Man ging noch weiter in diesen tendenziösen Behauptungen. Auf die zarten Nerven der Kinder Rücksicht nehmend, sagt der „Curiöse Bericht von den schändlichen Weynacht-Larven", betrübt: „Wie mancher ein Mörder an seinem Kinde wird, wenn ers durch den schwartzen Rupert erschrecket", und die Tendenzsage bleibt nicht aus: „Bey dem so genannten Heil. Christ-Umbgang wolte der Knecht Rupert einen losen Jungen in den Sack stecken, darüber jener sich so hefftig entsetzte, daß er niemals wieder zurecht werden kunte, sondern das traurige Denckmahl davon, so lange er in der Welt war, behalten muste; welches ob es wol betrübt, dennoch bey weiten so unselig nicht war, als da ein anderer sich solcher Unlust zu erwehren, den vermeinten Teufel durch einen heimlichen Stich hinunter zur Höllen schickte."
Noch für das Buch vom Aberglauben 1791 ist dies der Hauptgrund: „Man würde erstaunen, wenn man die Menge der Kinder wissen sollte, die vor Schreck über solchen Anblick ge- storben sind."
Neben dem klugen Schachzug, in die vermummte Schar eine lichtere Gestalt Jesus einzuschieben, kommt es auch vor, daß man die Hauptlarve selbst zum Jesus stempelt. Ein sächsischer Theolog aus dem Anfang des achtzehnten Jahrhunderts berichtet von dieser Form:
„Es ist überall der Gebrauch, daß man zu dieser Zeit etliche vermummete Personen bestellet, von welchen man vorgiebet, und die Kinder beredet, es sey der heilige Christ mit seinen Engeln, und habe auch bey sich den bösen Rupert (oder den Teufel, denn es ist doch endlich einerley) der die Ungehorsamen Kinder wegführe, und so fort." Dabei erhalten die Kinder von Christus „schöne Sachen und Geschencke". Christus ist dabei eine „mit Peltzen oder andern Kleidern vermummte Person", vor der sich die Kinder fürchten." Sie erhalten „neue Kleider, Schuhe, Bücher, Marcipan, Aepfel, Birnen und dergleichen".
Mehrmals wurden von seiten der protestantischen Kirche Versuche gemacht, die Umzüge auszurotten. Aber hie und da wurden auch angesehene Stimmen für sie laut. Im März 1680 lag der theologischen Fakultät der Universität Leipzig die Frage vor, ob diese Spiele noch fernerhin zu dulden seien. Und sie entschied sich in folgender Weise: „Halten dannenhero schrifftmäßig davor, daß so beschaffenes Heil. Christ-Spiel in Haupt und Fuß zu verändern, daß sowol die vornehmste Person, der vermummte Heil. Christ, als die unterste, nehmlich der Knecht Ruprecht, abzuschaffen seynd, damit weder Occasion zur Abgötterey noch zu allerhand Schand und Ueppigkeit in Zusammenkünfften gegeben werde. Die mittel Personen können, als Engel, S. Petrus, oder von dem Heil. Christ abgeordnete Diener, die Kinder zu examiniren, beten zu lassen, und von Untugenden abzumahnen, in geziemenden Schrancken wohl beybehalten, und hierdurch die Kinder bey Christlicher Weynacht-Freude, die Agirenden aber bey den hergebrachten Accidenz (darum es sonsten zu thun zu seyn scheinen will) gelassen werden, welches dann mit Zusammensetzung des Magistrats und Ministerie gar füglich und absque strepitu, ohne Eintrag der Schul-Collegen und derer, welche bißher einig solatium daran genossen, auch ungehindert des hierunter von Eltern abgezielten Zweckes, wohl geschehen mag."
Wenn die Weihnachtszeit herannahte, trat im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts in Zittau in Sachsen und sicher auch noch in weiterem Umkreis der „Heilige Christ-Rath" zusammen. Dies war eine Genossenschaft von meist jüngeren Leuten, welche die Weihnachtsumzüge organisierten und allen damit verbundenen Mummenschanz in die Hand nahmen. War dann die Familie oder der Bekanntenkreis fröhlich beisammen, da erschienen die „Christlarven". Voran der Rupertus, der Knecht Ruprecht, mit furchtbarem Antlitz und einem großen Sacke. Er droht, die Kinder hineinzustecken, und jagt sie gewaltig ins Bockshorn. Wenn es daher Abend wird, getrauen sich die Kinder schon nicht mehr ins Freie, sondern bleiben aus Furcht, „mitgenommen" zu werden, hübsch im Zimmer. Auch die Erwachsenen sind vor den Christlarven nicht sicher, sondern diese erlauben sich allerhand Neckereien gegen sie, und namentlich gegen das weibliche Geschlecht. Besonders die Mädchen liebkosen sie gern unversehens und libidinosae et impudicaa contrectationes, scurrilitates aliaque delicta sind an der Tagesordnung, „denn diejenigen, welche Geschenke austheilen, meinen, ihnen sei unter ihrer Verhüllung und bei dieser Gelegenheit Alles erlaubt." Läßt aber ein vorsichtiger Familienvater die bösen Larven nicht herein, dann erhebt sich draußen ein Mordslärm. Ein förmliches Geheul wird angestimmt, an die Thüren wird gedonnert, daß sie fast brechen, Leitern werden angelegt, die Fensterbretter gefegt und zuletzt, wenn die Schar abzieht, ruft noch einer mit feierlicher Stimme, der Heiland selbst sei dagewesen und nehme nun die dem Hause zugedachten Geschenke wieder mit sich fort. Dieses Larventreiben dauert von einbrechender Dunkelheit den ganzen heiligen Abend hindurch bis tief in die Nacht, ja bis zum nächsten Morgen.
Mitglied dieses Heil. Christ - Rates zu sein, war ein einträgliches Geschäft; denn in seine Tasche flossen alle die Gelder und sonstigen Geschenke, welche bei dem Umzüge am heiligen Abend zusammenkamen. Und diese müssen sich ziemlich hoch belaufen haben, denn als in Zittau die Polizei einschritt und das Spiel verbot, beschwerten sich die Mitglieder des Christ-Rates wiederholt, daß man ihnen das Einkommen verkürze, und verlangten eine förmliche Ablösung, so daß jeder Hausvater gehalten sein solle, ihnen eine bestimmte Summe zu zahlen. Das war im Jahre 1722. Auf Beschluß des Zittauer Magistrates hatte nämlich derPraetor Zittaviensis damals einige Männer, die um Geschenke auszuteilen, also um den Knecht Ruprecht zu spielen, vermummt auf öffentlichen Plätzen sich zeigten, ohne weiteres festnehmen und einige Tage in Gewahrsam halten lassen. Auch die Schullehrer (ministri scholae) und die Schüler (scholares) selbst gingen vielfach vermummt herum, teilten in den Bürgerhäusern unter allerhand Narrheiten kleine Geschenke aus und erhielten dafür ein Trinkgeld, das deren Wert weit überstieg, und wie der Wittenberger Dozent Kißling, dem wir diese Nachricht verdanken, meint, würden sie wohl sauer sehen, wenn er sich so für die Abstellung dieses Brauches ausspreche. Aber da gebe es ja einen Ausweg. Der Magistrat brauchte den Lehrern und Schülern ja nur zu erlauben, am Weihnachtsmorgen von Haus zu Haus zu ziehen und Gesangsstücke vorzutragen. Auf diese Weise würden die Bürger daran erinnert, daß sie ihnen zu Weihnachten eine Abgabe schuldig feien. Sonst könnte sie der Magistrat ja auch zu einer bestimmten Steuer dafür nötigen. Dem „Heiligen Christ-Rat" will dieser Herr nicht so wohl. Er solle, meint er, keinen Pfennig mehr bekommen: er habe ja allerdings bisher ein gewinnbringendes Vorrecht besessen. Aber Vorrechte, die das Gemeinwohl und die Frömmigkeit schädigten, könnten jederzeit für nichtig erklärt werden. Vom Christ-Rat ist aus andern Gegenden keine Nachricht auf uns gekommen. Das Herumsingen der Schüler in der Stadt war anderwärts jedoch schon früher üblich.
Der Gegensatz zwischen den dunklen und den lichten Gestalten der Weihnachtsumzüge verwischt sich auch im Laufe der Zeit nicht. Man bleibt sich dunkel bewußt, daß beide Gruppen aus ganz verschiedener Quelle stammen. Noch in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts findet er sich in dem katholischen Augsburg unverfälscht wieder, und zwar heißen hier die beiden dunklen Gestalten „Die Bercht und Ruprecht". Es ist dies der einzige Beleg dafür, daß „Die Bercht" im Weihnachtsumzug erscheint. Inmitten des früh verchristlichten Oberdeutschland ist dies doppelt bemerkenswert. Waren mit den alten Oberdeutschen auch ihre Phantasiegestalten mitumgetauft worden, so hatten doch die alten Namen in den niedrigsten Volkskreisen noch fortgelebt und traten, nachdem ihre Bedeutung längst vergessen war, wieder an die Oeffentlichkeit.
Noch fortdauernd wurden die Umzüge an Stellen, wo das Dreikönigsspiel noch fortlebte, von ihm beeinflußt, wenn auch nur äußerlich. Wie die Trachten desselben in die Umzüge eindrangen, zeigt eine Schilderung aus dem achtzehnten Jahrhundert: Knecht Ruprecht kam in Gesellschaft des mit einer Krone und goldverbrämter Mütze im Hohenpriestergewande daherrauschenden Christus und des im weißen flatternden Gewande mit fliegenden Haaren einherschreitenden Gabriel. „Sein Kleid war von rauhem Stoffe, eine hohe Mütze war die Kopfbedeckung. Und während Christus eine goldene Rute in der Hand trug, um sie den guten Kindern zu schenken, hatte Ruprecht für die ungehorsamen Kleinen einen Sack und eine Peitsche in Bereitschaft. Sein mit Schellen behängter Gürtel kündigte seine Ankunft an. In dieser Gesellschaft befanden sich eigentlich noch zwei Heilige, St. Peter, welcher zwei große Schlüssel im Arme trug, und St. Nikolaus mit einem Palmzweig. Zuweilen trug dieser den mit Lichtern besteckten, mit Zuckerwerk geschmückten Christbaum. Wenn sie eintraten, fingen die vor ihren sitzenden Eltern stehenden Kinder an zu beten. Darauf wurde von den Engeln und Heiligen examiniert, und die, welche wohl bestanden, auch Sprüchlein und Lieder hersagen konnten, wurden beschenkt. Ueber welche Klage geführt wurde, die sollten bestraft werden. Gabriel, Peter und Nikolaus baten für; und zuweilen wenn die Kinder Besserung versprachen, wurde ihnen die Strafe erlassen. Die unverbesserlichen aber steckte Ruprecht in den Sack, oder that wenigstens, als sollte es geschehen. Mit rauher Stimme sprach er:

Ich bin der alte böse Mann,
Der alle Kinder fressen kann.
Ich Ruprecht hab' euch etwas zu sagen,
Wie mir der h. Geist hat aufgetragen,
Er mit seinen Englein draussen,
Und ich will euch die Kolben lausen.

Hierauf schlug er zuweilen mit seiner Peitsche kräftig zu, suchte besonders die Mägde des Hauses zu erwischen, mit denen er selten höflich umging."
Noch bis an das Ende des achtzehnten Jahrhunderts ließ der Eifer gegen diese volkstümliche Form der Religionsübung nicht nach. Immer und immer wieder wenden sich Schriftsteller gegen Volksglauben und Volksbrauch auch gegen sie, die immer noch nicht sterben will. Zuletzt ist es die Aufklärungslitteratur, die dagegen wettert, indem sie darauf hinweist, wie die Kinder dadurch zum Aberglauben hingeleitet würden. Und auch sie hat nicht vergeblich gearbeitet. Hier und da haben diese Mahnworte auch diejenigen Kreise erreicht, für die sie bestimmt waren. Ein maßvoller protestantischer Priester und Aufklärungsschriftsteller, der Prediger und Superintendent Ernst Urban Keller, sagt: „Ich billige es, wenn man den Kleinen die Kleidungs-Stücke, die sie ohnedem nötig haben, am heiligen Abend gibt; aber ich kann nur nicht leiden, daß sie Clauß gebracht haben soll. Warum belüget man sie, gerade da man ihnen den ersten Begrif davon beybringen will, daß sie ihrem Heylande alle ehemals verscherzte Güte und Gaben Gottes zu verdanken hätten? Warum erschröckt man sie mit vermumten Personen, macht sie schüchtern und abergläubisch, und stürzet sie wol gar in Krankheiten? Es bleibet bey allem diesen nicht. Man erzehlt den Kindern allerley Gespenster- und elende Geschichten, die der Aberglaube in dem verdorbenen Gehirn der Ammen und Wärterinnen gezeuget, und die Vernunft mit Mühe wieder in Nichts verwandelt. Der mächtige Held Clauß geht voran; ihm folgen Gespenster, Alpe, Hexen, Zauberer, feurige Drachen, Teufel mit Ochsenhörnern, Pferdefüßen und Kuhschwänzen: Teufel in rothen Kleidern, mit Allonge-Perücken und Hahnenfussen, diese heissen die: Gott behüt uns, Kobolde, Wechselbälge, dreybeinigte Hasen, das wilde Heer, schwarze Hunde; und wer weiß? wie die Phantomen mehr heissen."
Das Buch vom Aberglauben bildet einen Mann mit Pelzmütze, Stock und Sack ab, wie er zwei zitternden Kindern droht. Dazu heißt es: „Ein vermummter Claus, St. Nicolaus, Knecht Ruprecht, oder wie er sonst heissen mag, trit herein, mit einem weissen Hemd oder auf andere, Kindern fürchterliche Art gekleidet, hat in der Hand eine Ruthe, und ruft mit verstellter Stimme: betet, betet! und stäupt sie, wenn sie das nicht können; oder giebt ihnen Nüsse, Aepfel u. s. w., wenn sie recht viel zu beten wissen. Das arme unwissende Kind betet den verkleideten Buben fast an, damit er es nicht in den Sack stecke: und glaubt, es sey der Herr Jesus selbst. Aber würde dieser so handeln, wenn er auf der Erde erschien? würde er Kinder erschrecken, und durch Schläge Gebete von ihnen erzwingen? Man würde erstaunen, wenn man die Menge der Kinder wissen sollte, die vor Schreck über solchen Anblick gestorben sind."
Noch 1799 ist dieser Zorn nicht verraucht. Da heißt es noch in einem populären Buche: „Schändlich und entehrend sind so auch die enormen Mißbräuche, die man zu dieser Zeit vornimmt. So giebts Personen, wie zur Genüge bekannt, die sich als Engel, als Hirten, ja als das Kind Jesus selbst, ankleiden, in großen Versammlungen vor Kindern erscheinen, um diese zu einem willigen Gehorsam gegen die Aeltern, Fleiß und Ehrfurcht auf eine thätige, furchtbare Art zu zwingen. Sollte nicht ein jeder denkende Mensch, jeder biedre brave Vater und jede zärtlich liebende Mutter, aus allen, ja mit vereinten Kräften, diesem schimpflichsten Unfug entgegenarbeiten, damit die so schöne und erfreuliche Zeit, der Geburt Jesu, schon um der guten Sache willen, nicht so leichtsinnig als vermessen zugebracht würde? Eine schändliche Buberen ist das kindische Spiel des verlarvten Ruprechts. Dieser Mißbrauch, indem dieser Bube durch die Gassen lief und allerhand Muthwillen ausübte, ist sehr alt, so daß das jus Canonieum oder kirchliches Recht, deshalb schon ein Verbot thun mußte, um diesem Narrenspiel Einhalt zu thun."
Indessen streifte auch diese volkstümliche Religionsübung immer mehr ihre rauhen Züge ab und wurde namentlich in den Städten gesitteter. In Hamburg erschienen im achtzehnten Jahrhundert Kinjees (Kind Jesus, eine ebenfalls erwachsene Jesusgestalt) und der Klingelgeist Klinggeest. Noch um 1820 kam hie und da der Brauch vor, den Kindern abends durch ein heimliches Klingeln mit kleinen Glöckchen die bevorstehende Ankunft Christkindchens zu verkündigen. .. Weihnachtsgesänge wurden gelernt und am heiligen Abend vor der Bescherung gebetet. . . War dann der heilige Abend gekommen, so setzten die Kinder ihre leeren Schüsseln in ein dunkles Gemach, in der Erwartung, hernach Christgaben darauf zu finden, und wenn hierauf unter Klinggeests lieblichem Geläute gesucht und richtig auf dem Teller die ersehnten Schätze gefunden wurden, dann war der Kinderjubel groß! . . . Auch draußen kam in derselben Zeit „in den kleinen Gassen, den Gängen und Höfen" das Umgehen des Klinggeest vor. „Ein großer Junge umhing sich mit einem Bettlaken und strich die Sahltreppen auf und nieder, immerfort sturmläutend mit seinen Glöckchen oder Schellen: dann sagten die Eltern zu den kleinen Kindern: Klinggeest geiht um, Kinjees will kamen". Der Weihnachtsabend heißt daher neben Wienachtenabend auch Klinggeestabend. Auf dem Lande blieben dagegen derbere Formen bestehen. In Bellin in Mecklenburg und sonst auf dem Lande vielfach herrschte noch 1880 der Gebrauch, daß am Abend vor Weihnacht sich Knechte oder andre junge Leute ganz in Erbsenstroh wickelten oder Kleidungsstücke umkehrten und sich damit vermummten. So angethan gingen sie mit einer Rute und einem Beutel mit Asche versehen in die Häuser und ließen sich von Kindern und Dienstboten etwas vorbeten. Wer betete, erhielt dafür Aepfel, Nüsse und Pfeffernüsse. Wer nicht beten wollte, erhielt vom Ruklas (so nannte man die verkleideten Personen) Streiche mit der Rute oder dem Aschbeutel. Am Christabend drohte man den unartigen Kindern, der „Ruhklas" werde kommen und sie in den Sack stecken, während das Kind Jes (auch Klingjes(!)) die artigen beschenke.
Im Börmer und Megger-Koog in Schleswig-Holstein zogen noch um die Mitte unsres Jahrhunderts während der Zwölften die ledigen Bursche und Mädchen in ganzen Scharen von Haus zu Haus. Einer trug ein brennendes Licht in der Hand (wenn es wehte oder regnete und schneite, verbarg er es unter einem tiefen hölzernen Gefäß) und war Anführer des Zuges. Die ganze Schar - „de hele Ritt" - drängt mit großem Ungestüm lärmend, tobend und singend in die Häuser, um sich mit dem Besten, was Küche und Keller zu geben vermögen, bewirten zu lassen. Ehe sie etwas genossen, sangen sie ein Lied, je alberner, desto besser. Wußte man, daß irgendwo der Wirt und die Wirtin (d. h. die Hausherrschaft) nicht daheim waren, zog man dies Haus den andern vor und nahm aus Küche und Keller, was man wollte, ohne zu fragen. „Twischen de dagen speelt man hier de verkehrte Welt; de Knechten und Deerns hebben to raden, und de Weertslüd möten se bedenen", erklärte ein alter Bauer diese Volkssitte.
Selbst zum bergmännischen Fackelzug bildete sich der Um- zug aus.
Nach Fr. Nork war 1847 in dem Marktflecken Schweina im Ballenstedtischen im Harz folgender Weihnachtsbrauch üblich. Die Schuljugend zog mit dem Lehrer an der Spitze und mit Fackeln, die schon wochenlang vorher aus Fichtenschleißen, Hobelspänen, Werg und Pech zusammengemacht und fleißig gedörrt worden, auf den benachbarten Tungelsberg, wo aus Feldsteinen eine Pyramide errichtet war. Hier angelangt, stellte sich das Volk im Kreise, die Jugend zündete die langen Fackeln an und sang beim Scheine derselben Weihnachtslieder aus dem Gesangbuche. Zuletzt wurden die Fackeln auf einen lodernden Haufen geworfen, und wenn dieser verkohlt war, kehrten alle nach Schweina zurück und setzten auf dem Marktplatz mit der ganzen Einwohnerschaft bei Laternen und Grubenlichtern das Absingen von Christliedern unter Musikbegleitung fort. Mit dem zwölften Schlag der Turmuhr begann das Leuten aller Glocken, und der Kantor sang mit seinem Chor eine Kantate, und diese Feier unter freiem Himmel wurde nie wegen böser Witterung ausgesetzt.
Was, Namen und Personen, Aufputz und Ausrüstung an- belangt, so erscheinen diese Weihnachtsumzüge noch heute auf dem gesamten deutschen Sprachgebiete aufs reichste variiert. In ihrem Kerne sind sie aber identisch. Außer aus den Nikolausumzügen in der Schweiz ist das Bäumchen aus ihnen ganz geschwunden. Die Rute, die an seine Stelle getreten ist, hat noch allgemein ihren erziehlichen Zweck. In den Bildungszentren, in allen irgendwie bedeutenden Städten sind die Umzüge jedoch der fortschreitenden Bildung und Gesittung zum Opfer gefallen und werden vermutlich vom Strome der Zeit rascher überwogt werden, als heute scheint. Im Gegensatz zu den Festen des alten deutschen Winteranfangs ist Weihnachten seit dem häufigen Vorkommen des Christbaumes im achtzehnten Jahrhundert ganz vorwiegend das Fest der Familie, der Eltern und Kinder geworden. Im Gegensatz zu den deutschen Winteranfangsfesten sieht man zur weihnachtlichen Bescherung nicht einmal einen Gast gern. Da paßt denn das laute Toben umziehender Masken nicht mehr zum Charakter des Festes, und auch nicht das gestrenge Examen des Knechtes Ruprecht. Den Genuß der Prüfung haben heute die Kleinen oft genug in der Schule. Am Weihnachtsfeste wollen sie sich ungestört dem Pfefferkuchen und ihrem Spielzeug hingeben.



Wer sich für die Geschichte von Weihnachten und des Nikolausbrauchtums interessiert findet in Tilles "Die Geschichte der Deutschen Weihnacht" manch interessante Information. Tilles Werk wurde 1893 veröffentlicht. Alexander Tille (1866 -1912) war ein deutscher Germanist und Philosoph.
Die blühenden Bäume der Weihnacht
Die altdeutschen Schreibweisen wurden in den hier aufbereiteten Texten des Buches beibehalten.

Inhalt des Buches:
1. Christliches Jesusgeburtsfest, römische Januarkalenden und deutsche Winteranfangsfeiern
2. Mittelalterliche Weihnachten
3. Krippenfeier und Weihnachtspanorama
4. Jesusgeburtspiel
5. Weihnachtsumzüge
6. Volkstümlicher Weihnachtsglaube
7. Weihnachtsbescherung
8. Die blühenden Bäume der Weihnacht
9. Der Weihnachtsbaum






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