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Die Geschichte der Deutschen Weihnacht
Kapitel II

Mittelalterliche Weihnachten


Wenn der deutsche Bauer am Anfang des neunten Jahrhunderts statt zur alten Schmausstätte in die neuerbaute christliche Kapelle kam, begleitet von Weib und Kind wie ehedem, so verstand er von dem fremdartigen, lateinisch abgehaltenen Kirchendienst mit seinem Gepränge kein Wort. Was da vorging, waren für ihn keine Kultushandlungen; als Religionsübungen hatte ihm zur Zeit des Glaubens seiner Väter nur das gegolten, an dem er selbst thätigen Anteil genommen, Tanz, Schmaus und Umzug in feierlichem Aufputz mit volkstümlichem Gesang. Wenn die Kirche ihn bei sich sehen wollte, dann mußte sie ihm wenigstens gestatten, seine alten Lieder zu singen. Und in der That ließ sie ihn zunächst darin gewähren. Auch mit dem Tanzen nahm man es nicht so streng, wenigstens soweit es um die Kirche vor sich ging. Nach und nach stellten sich aber auch dagegen Verbote ein. Der Kampf begann und nach Jahrhunderten wurde der deutsche Gesang heimischer Lieder nebst dem Tanze glücklich abgeschafft. Die Satzungen des Bonifacius verbieten 803 ganz allgemein, in der Kirche weltliche Lieder zu singen. Das Mainzer Konzil von 813 verbot Tanz und Gesang um die Kirchen, und um 850 werden wiederholt Tänze und Possen, schändliche Lieder und die teuflischen Spiele verboten, in der Kirche, auf der Straße und daheim, weil das ein Rest der ehemaligen Religion sei.
Am Jesusgeburtsfest, das seit dem Beginn des neunten Jahrhunderts von der deutschen Kirche gefeiert wurde, wenn es auch ausschließlich ein kirchlicher Feiertag und kein Volksfesttag war, kamen solche Tänze und deutschen Gesänge nicht vor. Sobald das Fest volkstümlicher wurde, mußten sie aber naturgemäß eintreten. So focht die neue Kirche einen doppelten Kampf. Sie modelte heimische Bräuche christlich um und versuchte sie dann nach ihrem Winterfest zu ziehen. Um dessen Ansehen zu heben, griff sie zu allen Mitteln. Die Wiederkehr der Sonne, die in alten lateinischen Weihnachtspredigten, wie schon gezeigt wurde, eine ganz bedeutende Rolle spielte, mußte dazu dienen, den Glanz des Tages hell erstrahlen zu lassen. Mönchs- und Volksanschauung konnten auf die Dauer davon nicht unbeeinflußt bleiben, und ein Sonnenfesttag war unter allen Umständen nicht zu verachten, zumal natürlich die Sonne an diesem Tage nur deshalb eine neue Bahn begann, um die Geburt des neuen Gottes um so heller zu bestrahlen. Gleichwohl machte das wirtschaftlich unpraktisch gelegene Fest nur außerordentlich langsame Fortschritte. Mit dem Versuche der Kirche, das Weihnachtsfest über die andern Festtage des Winters, vor allem über die Kalendenfeier, emporzuheben, wanderte auch zahlreicher Volksbrauch, der vom alten Jahresbeginn Anfang November sich auf die Januarkalenden verschoben hatte, nach jenem. Hatte schon eine gallische Kirchenrede, die Ehre von deren Verfasserschaft sich Cäsarius von Arles, Eligius und Faustinus streitig machen, und die spätestens in die Mitte des siebenten Jahrhunderts fällt, gegen die Tänze und Sprünge vor der Kirche während des Neujahrskirchendienstes geeifert, so hatte die deutsche Priesterschaft sich über den gleichen Volksbrauch zu beklagen. Nachdem sie dies Neujahrsfest durch das Jesusgeburtsfest an kirchlichem Glanz ausgestochen hatte, hatte sie an diesem den gleichen Kampf zu bestehen und sie kämpfte ihn mit ihren gewöhnlichen Mitteln, durch Sagen von den schrecklichen Strafen, welche ehemals solche frevelhafte Tänzer getroffen hatten. Spätestens um 1000 gab es eine solche in Norddeutschland. Sie berichtet folgendermaßen: Als im Jahr 1012 in der Magnuskirche in Sachsen ein Priester Rupertus in der Christnacht die erste Messe angefangen hatte, begann ein Laie, Namens Otbert, mit fünfzehn Männern und drei Weibern auf dem anliegenden Kirchhof einen Tanz und stimmte mit ihnen weltliche Lieder an, wodurch der Messe lesende Priester so gestört wurde, daß er aus dem Konzept kam. Er ließ durch den Küster vergeblich Ruhe gebieten. Darob erzürnt, rief er aus: „Möget ihr ein ganzes Jahr so tanzen!" Der Fluch ging sogleich in Erfüllung. Sie tanzten ein volles Jahr, ohne Hunger und Durst, Hitze und Kälte, oder auch nur Müdigkeit zu empfinden. Sie traten die Erde so ein, daß sie zuerst bis an die Kniee, hernach bis an die Hüften darin standen. Als der Sohn des Priesters seine Schwester, die sich unter den Tanzenden befand, beim Arm ergriff und sie mit Gewalt den Tanzenden entreißen wollte, riß er ihr den Arm vom Leibe: sie aber, als wäre ihr nichts widerfahren, zeigte keinen Schmerz, gab keinen Laut von sich, es kam auch kein Tropfen Blut heraus, sondern sie setzte den Tanz rastlos fort. Nachdem sie ein ganzes Jahr getanzt, kam endlich der heilige Heribert, Erzbischof von Köln, auf den Kirchhof, sprach die Tanzenden von dem Fluche los und führte sie in die Kirche. Die Frauenspersonen starben bald, auch einige von den Männern, die nach ihrem Tode Wunder thaten, weil sie so lange gebüßt hatten; die übrigen aber, welche länger lebten, behielten zeitlebens ein Zittern an ihren Gliedern.
Vielleicht seit dem Jahre 1000 wurde Weihnachten auch Gerichtszeit und Termintag, wenn auch zunächst nur in neuentstehenden Verhältnissen und im geschriebenen Recht. Es hängt das zusammen mit dem Durchdringen der Vierteiligkeit des römischen Jahres. 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober wurden die neuen Terminzeiten, und den 1. Januar rückte man auf St. Stephanstag, den 1. April auf Ostern, den 1. Juli auf St. Johannistag und den 1. Oktober auf den Michaelistag des 29. September. Letzterer empfahl sich noch befonders dadurch, daß der Erzengel Michael der Schutzgeist des heiligen römischen Reiches deutscher Nation wurde.
Entsprechend den drei Jahreszeiten hatten die älteren Deutschen auch drei jährliche Gerichtszeiten, zu Wintersanfang, zu Frühsommersanfang und zu Spätsommersanfang.
Jetzt rückten diese auf Weihnachten, Ostern und Pfingsten, obgleich die Ebenmäßigkeit ihrer Verteilung über das Jahr dadurch völlig gestört wurde. Die Reichsversammlungen, die in mehr als einer Hinsicht die Nachfolger dieser ungebotenen Gerichte waren, schlossen sich ihnen auch darin an. In zahlreichen Fällen fallen sie auf die drei großen Kirchenfeste, wenn auch nicht ausschließlich. Als die Sachsen 1073 König Heinrich IV. absetzen wollten, setzten sie die zweite Versammlung, die den endgültigen Beschluß fassen sollte, auf Weihnachten an. So wurde auch am 25. Dezember 1356 auf dem Reichstag zu Metz der zweite Teil der Goldenen Bulle gezeichnet. Nach dem Iglauer Rechte, welches 1250 aufgezeichnet und vom König von Böhmen bestätigt wurde, war die ordentliche Zeit zur Hegung des Gerichtes vom Weihnachtsfeste bis zur letzten Woche vor Ostern. Noch später wurden zu Weihnachten die Richter gewählt.
Die Zeichnung des zweiten Teiles der Goldenen Bulle am 25. Dezember 1356 allein beweist schon, daß in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die kirchliche Jesusgeburtsfeier noch kein volkstümlicher Festtag war, dagegen war der Tag des Pferdeheiligen Stephan wenig später populärer. Er war Schlachttag des Zuchthengste geworden, während die andern überflüssigen Pferde schon am Martinstage dem Beile zum Opfer fielen. Mit der Einführung der Vierteilung des Jahres wurde daher St. Stephanstag Termintag, aber wohl erst seit dem vierzehnten Jahrhundert. Am 26. Dezember bezahlte der Lehenträger seine Abgabe an den Lehensherrn und erhielt dabei eine Mahlzeit. So im fünfzehnten Jahrhundert auf mehreren Höfen der Eifel. In dem Orte Wirf bestimmte sich die Dauer der Mahlzeit nach dem Verkohlen eines nassen Rades.
Mit dem Eintritt des Winters am Martinstage ist der Spätsommer und mit ihm die letzte Feldarbeit zu Ende. Alles Feldgerät ist hereingebracht, die Wagen sind in die Schuppen gefahren, um dort den Winter unbenutzt zu stehen. Die Schneedecke, die sich in Deutschland fast regelmäßig von dieser Zeit an auf die Fluren legt, macht ihre weitere Verwendung unmöglich. Das letzte Rad, das draußen geblieben ist, wird feierlich nach dem Gehöft oder ins Dorf gerollt und hier verbrannt. Nach der Verschiebung des Jahresanfangs auf die Januarkalenden und dann auf Weihnachten wanderte das Radverbrennen mit dahin. Das Einbringen des Rades aber war der Natur der Sache nach nicht zu verlegen. Es wurde weiter wie bisher am Martinstage eingebracht und bis zum Verbrennen zu Weihnachten besonders aufbewahrt. Als späterhin das Radeinbringen völlig seinen Sinn verloren hatte, wanderte es ebenfalls mit nach dem neuen Winterfest am 26. Dezember, dem Stephanstage.
In Schleswig soll es in früherer Zeit Brauch gewesen sein, daß einer am Weihnachtsabend (Kassabend, d. h. Christabend oder Kindjes Abend genannt) hinausging und ein Wagenrad vor sich her ostwärts ins Dorf rollte; das nannte man „Trild e Jul ind", Weihnachten hineintründeln. Ja, obgleich die Witterungsverhältnisse Deutschlands es so gut wie ausnahmslos unmöglich machen, unmittelbar vor Weihnachten Feldarbeit zu thun, so befiehlt doch der Volksglaube, am Weihnachtsabend vor Sonnenuntergang sämtliches Geschirr, Feld- wie Hausgerät unter Dach zu bringen, „damit Fru Waur demselben nichts thue".
Eine Biberacher Chronik aus dem siebzehnten Jahrhundert gebietet: „Auf die Heilige Osterfeynertag und Weyenacht wie auch Pfingsten soll der Inner Meister Knecht und Mayt, so vill der im Innerhoff sindt mit einer zech, auf Jeden Tag halten wie von altem herkommen." Im Jahre 1550 erteilte die Lehensherrschaft der böhmischen Stadt Gabel den Bürgern die Erlaubnis, ihre Güter zu vererben, und seitdem hatte die Stadt jede Weihnachten an dieselbe ein Faß Salz zu zahlen. Auch Naturalabgaben an die Kirche wurden dann entrichtet.
Auch der Dienstbotenwechsel rückte nunmehr stellenweise von Martini nach Weihnachten, und zwar gleichfalls auf den Stephanstag, den auch noch die folgenden Jahrhunderte vor dem 25. Dezember deutlich bevorzugten. So z. B. in manchen Orten Schwabens, wo der Stephanstag noch 1862 in dieser Hinsicht Termintag war. Selbst den zu Martini fälligen Lohn erhielten Gesinde und Hirten nun zu Weihnacht, was den Interessen ihrer Herrschaften trefflich entsprach. Die Martiniumzüge der Hirten verschoben sich mit dieser Verrückung des Lohntages ebenfalls. In vielen Ortschaften Mecklenburgs gingen noch im neunzehnten Jahrhundert am Nachmittage vor Weihnacht die Frauen der Rinder- und Schafhirten bei den einzelnen Bauern herum, gratulierten zu Weihnacht, und erhielt von jedem Bauern als Weihnachtsgabe jede von ihnen ein Brot von zwölf Pfund und eine Spickgans. Sobald die Sonne untergegangen war und es dunkel zu werden begann, versammelten sich die Hirten der Dorfschaft mit ihren Hörnern unter den Armen und einem Eimer in der Hand und machten die Runde bei den Bauern. In jedem Bauernhaus stießen sie gewaltig in ihre Hörner, wünschten dem Hausherrn und den Seinen ein fröhliches Fest, erhielten von der Bauernfrau je zwei Kannen Bier, stießen wiederum in ihre Hörner und verabschiedeten sich. Beim letzten Bauern bekamen sie das Abendessen.
In dem zweihundert Jahre später als Süddeutschland von der fremden Religion eroberten Norddeutschland wurden auch die Martins- und Nikolausschmäuse auf St. Stephanstag gelegt, in Dänemark dagegen die Frühlingsanfangsschmäuse - offenbar nach dem Vorgang des Königs Hakon in Norwegen. Der Kirchengeschichtsschreiber Adam von Bremen berichtet aus dem Ende des elften Jahrhunderts, daß bei einem festlichen Weihnachtsgelage des Herzogs Magnus Gesang und Becherklang so laut tönten, daß er, Erzbischof Adalbert und seine anwesenden Priester das Getöse nicht durch Hymnen zu übertönen vermochten.
Die deutschen Städte des vierzehnten Jahrhunderts begannen ebenfalls Weihnachten zu feiern. Das Handwerkerstatut der Schneider in Wien von 1340 gebietet, Weihnachten, Ostern, Pfingsten, die vier Frauenfeste, Samstag Abend und die Sonntage gefeiert zu halten. In Kaufbeuren wurde im sechzehnten Jahrhundert am St. Stephanstage das Schweinmahl abgehalten. Im Oktober 1588 wurde nämlich vom Rate „ein Discursus Deusdedit Hainz pfarhern zu Kaufbeuren betreffent" an den Bischof von Augsburg überschickt. Darin heißt es: in öffentlichen Gasthäusern bezeche er sich mit jungen Burschen und singe unzüchtige Lieder; vor etlichen Jahren hätten ihn vom Schweinmahle am St. Stephan vier Männer auf einer Mistbahre heimtragen müssen.
Am St. Stephanstage fand im sechzehnten Jahrhundert eine Zusammenkunft der Kirchherren und Pfarrer des Blaubeurer Klosters aus der Umgegend mit Neujahrsgaben für den Prälaten statt: letzterer erwiderte mit andern, und ein fröhlicher Schmaus ward des Tages gehalten.
Einen besonderen Umfang hatte der Weihnachtsschmaus in Schleswig-Holstein bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, oder genauer bis zu der großen Wasserflut von 1717. Vom ersten Weihnachtstag bis auf Heiligen drei König wurde jeder Tag mit Schmaus, Tanz und Spiel hingebracht; die reichen Besitzer dehnten diese Festzeit wohl gar bis Lichtmeß (2. Februar) aus. Alle Tage war ein neuer Wirt, und selbiger wurde nicht gerne eher seine Gäste los, als bis die vorgesetzten Speisen, wozu insbesondere ein Schinken und ein Mehlbeutel gehörten, völlig verzehrt waren; die Nächte hindurch ward getanzt, auch um Nüsse, Aepfel u. s. w. gespielt bis an den hellen Morgen, und nichtsdestoweniger mußte die Gesellschaft um Mittag wieder zusammen sein.
Wo das Jahr über die Polizei „die gemeinen Bier in städten, märckten und dörffern" verbot, da gestattete sie sie doch zu Weihnachten, Fastnacht und Pfingsten, als den Erben der drei alten Jahreszeitenfeste. In Norddeutschland nannte man den Weihnachtrabend wegen der reichlichen Mahle sogar „Vullbuks Abend", Voller Bauchabend, und dieser Name hielt lange dem Hamburger Ausdruck Kaßabend, d. i. Karsten-, Christians- oder Christabend, die Wage.
M. Gotthilf Anton Eberhard, Privatlehrer zu Leipzig, erzählte im Jahre 1799 über die holsteinische Weihnacht: „Christ heißt in der Hollsteinischen Sprache Karst, und kommt vom alten Kaß her: daher Kaßabend, Weihnachtabend, Christabend. Er heißt auch dort Vollbunksabend: der volle Bauchsabend, weil am Abend vor Weihnachten der Hollsteinische Hauswirth sein Gesinde außerordentlich zu beköstigen, ihm vollauf Essen zu geben pflegt. Sogar dem Rindvieh und Kühen wird in einigen Gegenden Hollsteins, z. B. im Pinnebergischen, am Weihnachtsvorabend besseres Futter und voller auf und in die Krippe gelegt und vor dieselbe ein Licht gesetzt." Wohl seit dem sechzehnten Jahrhundert wurde dies Mahl zugleich ein Kinderfestmahl. Dabei durften die Kinder selbst zulangen und soviel essen wie sie wollten. Ihre Weihnachtssehnsucht drückte sich daher in dem Wunsche aus: „O, wenn doch erst de Abend keem, da man sülben snitt und sülben itt!" Auf dem Lande kommt dort noch 1865 Schweinskopf mit Langkohl als Festgericht vor.
Nach und nach sammelte sich ein beträchtlicher Teil des alten Volksglaubens, welcher an dem Winteranfangsfeste gehaftet hatte, von dessen Nachfolgern, dem Martins-, Andreas- und Nikolaustag auf Weihnachten. Ebenso wanderte langsam aber stetig ein Volksbrauch nach dem andern von den Erben des alten auf das neue Winterfest, das durch seine Lage auf der Wintersonnenwende als Gegenstück zum Johannistage weniger fremd dünkte, und an kirchlichem Glanz alle andern Wintertage zu überstrahlen begann. Das verschiedene Uebergehen der einzelnen Bräuche in verschiedenen Gegenden mußte naturgemäß große landschaftliche Verschiedenheiten schaffen. In einer Gegend war der Einfluß des neuen Glaubens und der Eifer seiner Priester größer, in der andern kleiner. Immer war das landschaftlich Neue Produkt aus den verschiedensten Faktoren. Schon im vierzehnten Jahrhundert glaubte man, ein Roß werde tüchtig zur Arbeit, wenn man es am Weihnachtsmorgen aus einem Wasser trinken ließe, in das man einen Apfel geworfen hätte. Das war ein Stück alten deutschen Festglaubens.
Auch die heilige Zeit selbst unterlag den abweichendsten Betrachtungen. Im äußersten Süden der deutschen Zunge begann sie schon am Thomastage. In zahlreichen Tiroler Weistümern ist es seit dem fünfzehnten Jahrhundert verboten, von drei Tage vor Weihnachten bis drei Tage nach Weihnachten, manchmal auch während sämtlicher zwölf Nächte die Wiesen zu wässern, das ganze Wasser muß unabgekehrt in den Bächen fließen „für den Fall, daß ein feur auf kem". Seit 1700 verschwindet diese Bestimmung. Ihr erstes Auftreten setzt ein großes Weihnachtsgelage von mehrtägiger Dauer, 1431 bereits ausgebildet, voraus. Wie die Augsburger Knappen 1557 infolge von „schwermen und Martinsnacht" ein Haus verwahrlosten, so daß es am 13. November abbrannte, so fürchtete die Gemeinde Partschins auch für ihre Höfe und Waldungen.
Mit dem Anbruch des zwölften Jahrhunderts hatte nach sechshundertjährigem Kampfe das Christentum die deutschen Stämme endlich äußerlich ihrer alten Religion wie einem großen Teile ihrer alten sittlichen Ideale abtrünnig gemacht. Langsam tritt es aus seiner Kampfstellung gegen alle Reste germanischen Volkstums heraus und fühlt sich nach und nach sicher in seinem Besitz. Das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert steht, wenigstens was die führende Schicht des Volkes betrifft, viel zu sehr unter dem Banne des französischen Rittertums, als daß sie dem Fortleben der ursprünglich nationalen Züge hätten günstig sein können. Erst mit dem Beginn des vierzehnten und noch mehr mit dem Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts bricht das Nationale im Volke sich auch zur Litteratur durch. Während die Priester unter römischem und die Ritter unter französischem Einfluß nur Fremdes der Aufzeichnung für wert gehalten haben, verlangt jetzt das Volkstümliche ebenfalls sein Recht auf dem Papiere. Es tritt eine Stärkung des Nationalen im Volke ein, die der seit 1378 beginnenden Konzilperiode, welche auf eine Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern hinzielt, wesentlich zugute kommt. Dieser Stärkung verdanken wir auch die Aufzeichnung der Hauptmasse unsrer deutschen Rechtsaltertümer und die ersten referierenden Berichte über volkstümlichen Brauch, mögen diese noch so stark mit kirchlicher Tendenz durchsetzt sein. Leider ist erst verhältnismäßig weniges aus dieser Zeit wieder zugänglich gemacht worden.
Aus dem Benediktinerkloster Brêvnov oder Brzewnow, eine Stunde von Prag, das 993 vom heiligen Adalbert gegründet war, ist uns aus der Zeit um 1400 eine lateinische Handschrift eines Presbyter Alsso über Weihnachtsbräuche in Böhmen erhalten, die also ziemlich genau auf die deutsch-czechische Sprachgrenze fällt. Der Verfasser war ein Deutscher und konnte kein Czechisch. Es ist daher sicher, daß seine Bräuche ebenfalls deutsch sind. Die Schrift Alssos ist eine Tendenzschrift. Es gilt, das Jesusgeburtsfest der Kirche volkstümlich zu machen, was es eben ganz leise zu werden beginnt. Noch aber ist das Januarkalendenfest weit angesehener, aber schon wandern einzelne Bräuche auf den Weihnachtstag. Vor allem ist dem Priester also jenes Konkurrenzfest ein Dorn im Auge. Alsso versucht seinen Zweck, die Einführung eines wirklichen Weihnachtsfestes, dadurch zu erreichen, daß er das Fest selbst als ungeheuer alt und die sich auf dasselbe eben leise übertragenden Bräuche als ihm von den ältesten Leuten berichtet hinstellt. Dadurch versucht er, dem Festtag Autorität zu geben. Vielleicht hält er die Bräuche, die er gern allgemein geübt sähe, auch wirklich für alt. Der eigentliche Volksbrauch, der sich nicht auf das Heil nach dem Tode, sondern auf den Vorteil im Leben, auf Liebe und Gewinn bezieht, ist ihm eine Entstellung der ursprünglichen christlichen Reinheit. Seine Erklärungen, z. B. des Weihnachtsstollen aus christlichen Allegorien, sind oft sehr weit hergeholt, und wenn er das Apfelessen zur Weihnacht (denn nach den Klimaverhältnissen können doch wohl nur Aepfel gemeint sein) aus der wertvollen Frucht Christus herleitet, die an diesem Tage den Menschen geschenkt wurde - so läßt sich mit solchen wörtlich verstandenen Sinnbildlichkeiten eben alles beweisen. Seine kleine Schrift ist ein Beweis, wie die Kirche damals die krampfhaftesten Versuche machte, den volkstümlichen Brauch in ihrem Sinne umzubilden, wie sie ihn dazu umdichtete und dann ihre Dichtung als Brauch der Guten, Gläubigen, Alten, der heutigen Entartung entgegenstellte. An einen gleichgesinnten Freund gerichtet, sollte die Schrift auf die Praxis der Leser einwirken. Die dogmatische Reinheit des Brauches und des Glaubens, die der Schreiber für die „gute alte Zeit" hypostasiert, hat es, das wissen wir genau, niemals gegeben, wenn er selbst auch felsenfest daran glaubte. Die Schrift enthält einen ganzen Kreis Thatsachen, aber diesen gegenüber müssen wir uns klar sein, daß wir ihre Kenntnis nicht einer uninteressierten Aufzeichnung verdanken, sondern der tendenziösen Darstellung eines von ganz bestimmten dogmatischen Anschauungen ausgehenden und alles in ihrem Lichte sehenden Kopfes. Er stellt den Brauch der Frommen voran und läßt dann den der Unfrommen als teuflische Entstellung folgen. Man wird nicht weit fehl greifen, wenn man von diesem ausgeht und in jenem christlich-allegorische Umdeutungen sieht.
Er berichtet offenbar im Anklang an eigene Erfahrung und wohl aus seiner deutschen Heimat. Denn wenn seine Klostergenossen und sonstigen Ordensbrüder in der Nähe die von ihm berichteten Bräuche ebenfalls kannten, so brauchte er sie ihnen nicht auf lateinisch zu berichten. Gerade daß er sich mehrmals auf ehrbare Greise beruft, die ihm jene Mitteilungen gemacht haben sollen, beweist, daß er das alles in nicht zu ferner Zeit selbst erlebt hatte. Jedenfalls ist die Schrift ein Beleg dafür, daß um 1400 sich eben eine Anzahl Volksbräuche auf dem neueingeführten christlichen Feste anzusammeln begannen. Ein großes Festmahl feierte den Abend. Man aß und trank, soviel man wollte, oft bis in den Morgen, man spielte Würfel und suchte das Spielglück des ganzen folgenden Jahres zu erproben. Die Priesterschaft aber focht einen heftigen Kampf gegen diese volkstümliche Feier. Sie legte ein Fasten auf den Abend und riet, sich früh niederzulegen, damit man zur Morgenmesse am ersten Feiertag früh wieder auf sein könnte. Die Häuser wurden festlich geschmückt. In Stuben und Kirchen streute man Stroh. Die Wände der Scheunen und Stuben verhüllte man inwendig zu Ehren des hohen Festes mit Vorhängen und Tüchern.
Auch das Schenken in der alten Form des Ueberreichens, Zusendens am Jahresanfang stellte sich am Jesusgeburtsfest ein. Geldbesitz und Schmuck wurde auf dem Tische aufgebaut. Man glaubte, daß es sich dann vermehren werde. Unter die Speisen legte man Geldstücke. Man hielt die Hand in der Tasche zu dem gleichen Zwecke und machte die Beutel auf, damit das Glück hineinschlüpfen könne. Wer nicht mehr erschwingen konnte, machte wenigstens ein großes Licht in seiner Stuba. Man gab den Haustieren mehr Futter als sonst. Schon Cäsarius von Arelat ( gest. 543) hatte in einer Predigt gemahnt, man solle zu Weihnachten der Armen nicht vergessen, sondern sie zu Tische laden. Alsso ist der gleichen Ansicht. Besser kann man ja den „Freigebigen Abend", das largum sero, nicht bethätigen. Und diese Freigebigkeit ist doch nur ein mattes Abbild derjenigen, welche der Gott bewiesen hat, der den Menschen nach der Sage in jener Nacht einst seinen Sohn schenkte. Man sollte sich auch wechselseitig einen „Christabend", ein largum sero, und zwar etwas Angenehmes, Wohlschmeckendes und Süßduftendes schenken. Der Ueberarbeiter von Alssos Schrift, Johannes von Holleschau gibt sogar die Formel an, die der Bote dabei aufsagen solle; z. B. „Petrus und Johannes Dlapka senden Euch einen ,heiligen Abend'". Man sollte das Geschenk annehmen, dem Absender danken lassen, den Ueberbringer beschenken und dem Absender durch einen andern Boten ebenfalls ein Geschenk schicken. Wer nichts verschenkte, sagte der Volksglaube, würde im neuen Jahre Unglück haben. Wer etwas abschlüge, desgleichen. Wer gezwungen schenkt, ebenfalls. Darum darf man am Feste niemanden an seine Schulden mahnen. Sonst wird er im neuen Jahre unglücklich werden. Der frühe Weihnachtsglaube verleugnet eben an keiner Stelle seinen Ursprung als alter Winteranfangsglaube und späterer Neujahrsglaube.
Das Festgebäck war schon damals der Weihnachtsstollen: ein großes, langgeformtes Weißbrot, wie Alsso sich ausdrückt. Es war gesäuert, „damit es schmackhafter werde". Das gewöhnliche Brot damals war also ungesäuert. Saures Brot war das Festgebäck. In der Eiffel aß man wenig später zu Stephanstag zweierlei Brot, also offenbar saures und süßes wie heute noch ganz gewöhnlich in den Rheinlanden. Um 1510 buken die Nonnen im Kloster Güntersthal zu Neujahrsgeschenken in zwei Tagen hundert große, mittlere und kleinere Lebkuchen. Auch Ende des sechzehnten Jahrhunderts kommt Weihnachtsgebäck vor. Eine 1571er Weihnachtspredigt spricht von „Christstollen, Zucker, Pfefferkuchen und mancherley Confect und Bilde aus diesen allen". „Auf Weihnachten gefallen die Christstrietzel und großen Wecken," sagt Gregor Strigenicius in einer Neujahrspredigt 1593, und das Papistenbuch erzählt: „zwischen Weihnachten und Neujahr becht man ein besonder brot."
Gewürzte Speisen, gewürzte Kuchen waren am Herbstfest des Mittelalters üblich. Der „Pfäffer" war eine Schlachtfestspeise, eine Art Blutwurst. „Unsere Köch machend von dem bluot diß Thiers eyngeweid vnd pfäffer ein schwarz Köcht, Pfäffer von jnen genannt," sagt ein Tierbuch des sechzehnten Jahrhunderts. Festkuchen hießen im elften Jahrhundert pfehorceltun. Sie waren eine Art Abgabe nicht nur an Arme, sondern auch sonst und hießen kurz Pfeffer. In Augsburg verbot der Rat das „Lebzeltenstreichen" 1538. Es bestand aber trotzdem fort. Noch gegen 1600 weiß das Papistenbuch aus Augsburg zu berichten: „Den nechsten tag darnach an der unschuldigen kindlen tag gehen die jungen Gesellen herumb mit einer Ruthen, schlagen die Junckfrawen um den ,Lehkuchen" und diß nennen etlich den ,pfeffertag’," und um 1750 singt das Augsburgische Jahreinmal :

„Und an dem lieben Kindleins-Tag
Geht hefftig an der Jungfern Plag,
Dann um Lebzelten sie zu hauen
Viel junge Pursch sich lassen schauen."

Durch die eigentümliche Thatsache, daß zuerst die römischen Kalenden, dann das Erscheinungsfest und das Jesusgeburtsfest in die Zeit um die Mitte des Winters eindrangen und das Dodekahemeron der alten Kirche sich in deutsche Zwölf Nächte übersetzte, wanderten die alten Neujahrsbräuche von November zuerst nach den Januarkalenden, dann nach dem Erscheinungsfest und zuletzt nach Weihnachten. Was besondere zufällige Beziehung auf Neujahr oder Epiphanias hatte, blieb an diesen Tagen hängen. So die leuchtende Göttin Berchta am Epiphaniastage. Hier finden wir sie bereits im dreizehnten Jahrhundert, in der Nacht den gedeckten Tisch besuchend. In dem Gedicht „Von Berhten mit der langen nase" heißt es:

Nâch wíhen nehten aht tage,
Den man dâ heizet ebenwíhe! -
Got geb, daz ezgedîhe! -
Dô man ezzen wolt ze naht,
Und ûf den tisch brâht
Alles, daz man wolte,
Und daz man ezzen solte
Dô sprach der wirt zem gesinde
Und zuo sin selbes kinde:
Ir sült vast ezzen, dast mîn bete,
Daz iuch Berhte niht frete.

Die Nacht zum sechsten Januar hieß im alten Nürnberg Bergnacht. Da liefen Buben und Mädchen auf den Straßen umher und klopften an die Thüren. 1616 wurde das abgeschafft. In Güntersthal bei Freiburg und Säckingen wurde am Tage nach Neujahr „gebechtelt", mit allerlei Scherz, Tänzen und Lustbarkeiten; die Dörfler bekamen 8 Pfennige. In Oberschwaben gab es ein dünnes, flaches Brot Namens Bechtabrot. Der Glaube an die Umzüge der Frau Helle in einem großen Wagen hafteten noch 1793 am Abend vor dem Erscheinungsfeste.
Auch die Bercht gehört wohl eigentlich in die Winteranfangsfestzeit, wenn auch eine Uebertragung vom Frühling her auf das Lichtfest Epiphanias, das Jahrhunderte vor dem Weihnachtsfeste ins Volk drang, nicht ganz ausgeschlossen erscheint. In zahlreichen Orten um Bamberg und stellenweise in der Stadt selbst kam um 1850 vor Weihnachten die Eiserne Bertha und nach Weihnachten der Hel-Niclos. Der Hel-Niclos, gewöhnlich in Erbsenstroh gehüllt, der Schrecken der Kinder, trat nachts in die Stube, schüttelte die Ketten, die an ihm hingen, züchtigte die unfolgsamen Kinder mit der Rute, brüllte und drohte und warf Aepfel, Nüsse, bisweilen auch Schuhe, Strümpfe und dergleichen zur Verteilung unter die Kleinen, auf den Stubenboden. Ebenso die Eiserne Bertha; nur warf sie Nüsse, Aepfel u. s. w. zum Fenster oder zur Thüre herein, und trat nicht in die Stube selbst wie Hel-Niclos. In Oberhausen bei Augsburg hieß es sonst: Heut komt de Klas, morge de Buzebercht. Der Klas kam am Klasenabend. Junge Leute, vermummten sich, zogen mit Kettengerassel und Peitschenknall vor die Häuser und schlugen ungestüm mit den Ketten an Thüren und Fensterstöcke. Auf Verabredung der Eltern kam der Klas in die Häuser, belobte und beschenkte die fleißigen Kinder, brachte auch eine Rute mit und bestrafte die bösen. Die Buzebercht, eine vermummte Frau, die Haare verwirrt und herabhängend, das Gesicht geschwärzt und mit schwarzen Lumpen angezogen, kam mit Stärketopf und Kochlöffel und bestrich den Begegnenden das Gesicht.
Im allgemeinen aber wurde und blieb Epiphanias der Berchtentag. Trotzdem wanderte der Brauch des Tischherrichtens für Berchta gelegentlich auch einmal mit nach Weihnachten. Hier finden wir ihn, wenn auch der Name nicht direkt genannt ist, bei Alsso. Wie er ausführlich erzählt, deckte man am Abend einen festlichen Tisch, setzte Geschirre auf, legte die Brote hin und Messer dazu und ließ es so die Nacht über stehen, „damit die Götter kämen und es verzehrten". Ganz wenig später, um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, war es in Oberbayern in der Gegend um das Benediktinerkloster Scheuern bei Pfaffenhofen Sitte, am Christtage eine Pflugschar im Zimmer unter den Tisch zu stecken; ja man richtete einen „Frau Perthatisch" zu, man verstopfte die Fenster mit Heu, sammelte Unrat und verbrannte ihn. Alsso nannte den Brauch des Tischherrichtens sehr thöricht, weil jene Götter, welche Teufel seien, gar keine Speise essen könnten. Seien sie doch Geister. Das waren die Waffen, mit denen die christliche Kirche, selbst innerhalb des abenteuerlichsten Wunderglaubens stehend, den Volksglauben bekämpfte, der ihr im Grunde völlig gleichartig war, nur daß er sich an Namen germanischer Abkunft knüpfte. Ihre Dogmen stellten ihr die ewige Wahrheit dar; das Uebrige war Aberglaube, oder richtiger Teufelsglaube. Man bekämpfte solche Bräuche nur, weil man in ihnen einen Dämonenkultus sah.
Wie einst am Martins- und Nikolaustage spielte jetzt auch zu Weihnachten der Apfel eine Rolle. Denn nur Aepfel können unter den „Baumfrüchten" und „Früchten" gemeint sein. Man legte sie auf die Tische und Geschirre, schnitt sie auf und weissagte aus dem, was der Schnitt zeigte, gewiß aus der Anzahl und der Verletzt- oder Unverletztheit der Kerne, der Größe und Form des Kernhauses, Glück oder Unglück. Auch die Aepfel des kommenden Jahres vergaß man nicht. Es ist ein auf dem Lande noch heute weitverbreiteter Brauch, im Herbste die Obstbäume mit Strohseilen zu umwinden. Dann sammeln sich unter ihnen all die Larven der Insekten, die auf den Baum kriechen und dort überwintern. Reißt man im Frühling die Seile und mit ihnen die Puppen unter ihnen ab und zertritt die letzteren, so hat man die Früchte des neuen Jahres vor Wurmstichen in ziemlichem Umfange geschützt. Als das Jahresanfangsfest an den Beginn des Januar und dann auf Weihnachten rückte, rückte der Brauch mit, obgleich er dadurch eigentlich ganz zwecklos wurde. Denn schon Anfang Dezember sind die Raupen längst auf den Baum gekrochen und haben sich in geschützten Astgabeln eingepuppt. Alsso berichtet uns, daß man in seinen Tagen zu Weihnachten die Bäume mit Strohbändern umwand, damit sie im folgenden Sommer viele Früchte brächten.
Noch in unserm Jahrhundert ging man vielfach in den Klöpfelnächten (den letzten vier Donnerstagen vor Weihnacht) und den Rauchnächten (Lucientag, Thomastag) herum und räucherte die Häuser aus. Das war eine alte Art der Weihe zum Jahresbeginn im November. Schon zu Alssos Zeit war dieser Brauch jedoch in der Gegend, von der er spricht, auf Weihnachten gerückt. Man räucherte das eigene Haus aus. räucherte sich selbst an und warf die Räucherkohle dann in den eigenen Ofen, gab sie aber nicht fort, damit nicht das gesamte Glück des folgenden Jahres das Haus verlasse. Entschlossen, wie sie war, hatte die alte Kirche es nicht unterlassen, auch diesen Brauch an sich zu ziehen. Da sie mit Verboten des Hausräucherns nicht durchdrang, nahm sie dieses selbst in die Hand. Als die reinsten Diener und Boten des lautersten Herrn gingen Priester und Meßner in weißen Gewändern zur Weihnacht herum und besorgten das Räucherungsgeschäft selbst, um durch Weihrauchskraft den Fürsten der Finsternis, den bösen Gott, aus allen Winkeln zu vertreiben. Die Leute aber baten sie dann bisweilen um etwas Weihrauch von diesem Abend, um damit Zaubereien auszuüben. Namentlich Frauen brauchten ihn, um sich ihrer Männer und andrer Liebe dadurch zu erwerben. Noch im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert galt ja kirchlicher Weihrauch als ein starkes Zaubermittel. Die Teufelslitteratur jener Zeit ist voll davon. 1468 hatte man um das Kloster Scheuern denselben Brauch. In der Woche zwischen Christtag und Neujahr hielt man Umzüge mit Weihrauch, Käse, Strick und „schlegel". Dabei jagte man „die katzen und hund auss". Auch der Dreikönigstag wurde in diese Rauchzeit einbezogen.
„Zue den drey hochen Festabent, der geburt Christi, deß newen Jars, der hl drey König haben die frommen Christen den Priester gebeten, daß er jhre Heuser wolle reuchen, segnen, mit Wichbrunn besprengen" heißt es 1593 in Schwaben.
Das Hausräuchern in der Christnacht ist uns noch 1748 in Oberösterreich, und zwar in einem Kloster ausdrücklich bezeugt. Bald danach ist das „Rauchnachtln" der Christnacht am „Josephitismus" zu Grunde gegangen.
Auch andre Umzüge hielten die Priester - eigentlich freilich gehörten dieselben an den 1. Januar. Daß sie an diesem ebenso üblich seien, bemerkt Alsso ausdrücklich. Es sind dies wohl nicht Kalendenaufzüge des römischen Volksbrauches, sondern ähnliches war an dem deutschen Novemberfest üblich gewesen und von da auf den neuen Jahresanfang übertragen worden. Mit Reliquien und einem Kruzifix zogen sie herum und sangen ein Lied aus den Propheten. Priester und Klosterschüler durchzogen die Häuser und sprachen die lateinische Weihnachtsliturgie. Dann sangen sie Lieder, die Leute aber hörten ihnen andächtig zu. Und, nicht zu vergessen, auch ein „Botenbrot" erhielten sie, nämlich Geld, „damit sie das ganze Jahr über um so eifriger und weniger gehindert im geistlichen Amt sein könnten." Die Leute knieten (oder Alsso wünschte wenigstens, sie möchten dies thun), vor den Reliquien und dem Kruzifix nieder. Außerdem stellten sie vor dem Kruzifix, den Reliquien und seinen Trägern brennende Wachskerzen auf „gleichwie vor einem Fürsten und dessen Kriegern".
Aus Oberdeutschland berichtet uns die unmittelbare Folgezeit noch mehr Weihnachtsbrauch und Weihnachtsglauben. Um das Kloster Scheyern trieb das Landvolk allerhand Dinge, die den Mönchen nicht recht dünkten, und nach denen sie die Leute darum im Beichtstuhl ausforschten, denn jede solche Handlung galt als schwere Sünde. Wenn ein Mann am Christtage zuerst das Haus betrat, so meinte man, würden die Kühe männliche Kälber werfen, und umgekehrt. Aber nicht auf den Christtag beschränkte sich der Volksglaube. Der Tag selbst und die folgenden galten für vorbedeutend für das Wetter, und eine Reihe Bräuche hafteten an der ganzen Christwoche. Da steckte man „den ofenwisch auf den zaun", da legte man Haare über Ziegelsteine und ermittelte dadurch die Liebenden, da ging man in Gesellschaft hinaus an die Zäune und erfragte von diesen, welches Handwerk und welche Gestalt der künftige Gatte haben würde. Die Kirche hatte dem Volksbrauch seinen alten Jahresanfang glücklich abgerungen, aber noch galt es, die ganze Weltanschauung, welche in dem am Jesusgeburtsfest gefeierten Ereignis den Mittelpunkt der gesamten Menschheitsentwickelung sah, zum Siege in den harten deutschen Köpfen zu führen und die fremde Priesterreligion womöglich zur deutschen Volksreligion zu machen.



Wer sich für die Geschichte von Weihnachten und des Nikolausbrauchtums interessiert findet in Tilles "Die Geschichte der Deutschen Weihnacht" manch interessante Information. Tilles Werk wurde 1893 veröffentlicht. Alexander Tille (1866 -1912) war ein deutscher Germanist und Philosoph.
Die blühenden Bäume der Weihnacht
Die altdeutschen Schreibweisen wurden in den hier aufbereiteten Texten des Buches beibehalten.

Inhalt des Buches:
1. Christliches Jesusgeburtsfest, römische Januarkalenden und deutsche Winteranfangsfeiern
2. Mittelalterliche Weihnachten
3. Krippenfeier und Weihnachtspanorama
4. Jesusgeburtspiel
5. Weihnachtsumzüge
6. Volkstümlicher Weihnachtsglaube
7. Weihnachtsbescherung
8. Die blühenden Bäume der Weihnacht
9. Der Weihnachtsbaum






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