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Die Geschichte der Deutschen Weihnacht
Kapitel VII
Weihnachtsbescherung
Auf dem gesamten römisch-gallisch-deutschen Sprachgebiete
war es in alter Zeit üblich, sich zum Jahresanfang zu beschenken.
Wahrscheinlich ist das ein römischer Kalendenbrauch, der durch
deutschen Winters- und Jahresanfangsbrauch noch verstärkt wurde,
und zwar handelt es sich hierbei um eine wechselseitige Beschenkung
von Erwachsenen. Als der erste Januar so weit eingebürgert war,
daß er Terminzeit wurde, rückten naturgemäß allerhand Naturallieferungen
auf ihn, die mit der Zeit die Gestalt von milden
Gaben, von Geschenken annahmen. Lehensleute und Dienerschaft
erhielten gewisse Vergünstigungen, oft nur ein Mahl, oft noch
besondere Gaben für dargebrachte Glückwünsche. Das Herkommen
regelte deren Wert dann genau.
In dem Kloster Güntersthal bei Freiburg erhielten als Neujahrsgeschenke
um 1500 der Visitator ein Paar Handschuhe und
sein die Glückwünsche überbringender Knecht 5 Schillinge. Der
P. Beichtiger 8, die Frau Schreiberin 4, der Kaplan 3, der
Schaffner dort und in Freiburg 4, der Pfründner des Klosters 3,
die Kellnerin im Hause und die am Thore 2 Schillinge. Alle
Geschenke begleitete ein Häfelein Latwergen und ein Lebkuchen.
Solcher Lebkuchen machten die Nonnen z. B. a. 1510 in zwei
Tagen hundert große, mittlere und kleine. Der Dorfvogt (Schultheiß)
erhielt einen Scheffel Rocken u. s. w. Die Stadtherrn von
Freiburg bekamen ebenfalls Lebkuchen.
Im Kloster Blaubeuren gab es reichliche Neujahrsgeschenke
für alle, die zum Kloster in Beziehung standen, Beamte, Gesinde,
ja selbst die Beamten der Stadt. Geld war die Hauptgabe, aber
daneben gab es auch Waidmesser, Sporen, Geldbeutel, sowie
Gürtel und Handschuhe für die Weiber. Ein Festmahl schloß
sich an die Bescherung, und wer nicht teilnehmen konnte, wurde
durch Wein entschädigt. Die umliegenden Ortschaften brachten
dem Prälaten Ständchen und wurden mit Wein traktiert.
Selbst regierende Fürsten erhielten Neujahrsgeschenke. 10 fl.
in auro oder ähnliches, die Fürstin 5 Goldgulden, wenn sie im
Lande war. Die Beamten der Kanzlei bis zu den Thürhütern
hinab bekamen ebenfalls ihr Geldgeschenk. Auch Kinder erhielten
im sechzehnten Jahrhundert z. B. in Straßburg ein Geldgeschenk
für ihren Neujahrsglückwunsch.
In Gundelfingen in Schwaben trugen 1575 am hl. Weihnachtstage
die Wirte, die Müller u. s. w. ihre Neujahrsgeschenke
zu den Beamten. Ein Vierteljahrhundert später heißt es: „Darnach
am 8. Tag nach der Geburt Christi ist der papisten new jar.
Das winschen sn eynander, schickhen einander geschenk zum newen
Jar, auch geben diß die Väter den Kindern, die Man den
frawen zu einem guten eingang des jars. In disen 8 tagen
fordert man khein schuldt und becht ein besonder brot."
Auf der Insel Fehmarn gingen noch 1866 am Weihnachts- und
Neujahrsmorgen in der Stadt Burg und auf dem Lande
Bettelknaben umher und riefen in die Häuser hinein: „West so
god und gevt mi en Grötlicht (Grußlicht)." War die Antwort:
„Wi gevt keen Grötlicht!" so trollten sie ab; wo nicht, so gibt
es ein Almosen, welches offenbar das Licht ersetzen soll.
Das ganze Mittelalter hindurch galt allen, die von der
römischen Kurie direkt abhängig waren, der Weihnachtstag für
den Jahresanfangstag, und darum wurde er, wie schon gezeigt,
auch sehr bald Termintag, nachdem er in Deutschland einmal
Boden gewonnen hatte. Auch Könige schickten ihre Neujahrsgaben
oft an ihm.
Im Jahre 1254, im achtunddreißigsten seiner Regierung, hielt
sich der französische König Heinrich III. am Geburtsfeste des
Herrn in Vasconien bei Besancon auf, und übergab dort den
Vasconiern wertvolle Geschenke in Gestalt von wertvollen doppelten
Kleidern und andern begehrenswerten Dingen. Auch auf deutschem
Boden beschenkte man sich am weihnachtlichen Jahresanfang. Die
Tendenz der Kirche, ihr Jesusgeburtsfest über die Januarkalenden
emporzuheben, trug zur Verbreitung dieser Sitte wesentlich bei.
Wo sie nach Meinung der Polizeigewalt allzu üppig ins Kraut
schoß, da verbot sie eine weise Behörde. So schon im vierzehnten
Jahrhundert in Ravensburg. Das Verbot lautet: „Daß Niemand
dem Andern zu Weihnachten weisen sol. Darnach ist
gesezt, daß zu Weihnachten von dem heiligen Advent bis zu dem
zwölften Tag niemand dem andren weisen soll, als daher gewöhnlich
war; es wolle denn ein Mann seinem Lut-Priester
oder seinem Ammann ehren, oder ein Vater sein Kind, oder ein
Kind seinem Vater, oder ein Geschwister das Ander, und wer
fürbaß jemand weiset, ausser wer da benannt ist, der muß geben
an die Statt zu Buß III Schilling als dick ers thut."
Um ganz dieselbe Jahresanfangssitte handelt es sich, wenn
der Presbyter Alsso um 1400 in dem Bestreben, Weihnachten
volkstümlich zu machen; seinem czechischen Freund aus Deutschland
berichtet: „Der dritte Brauch ist der, daß die Leute am
Abend der Geburt von Jesus sich wechselseitig einen „Christabend“
(largum sero) senden . . . und zwar etwas Angenehmes,
Wohlschmeckendes und Süßduftendes. Man hat dabei aber die
Sitte, das übersandte Christgeschenk anzunehmen, den Absendern
danken, zu lassen, die Ueberbringer zu beschenken und den Absendern
durch andre Boten einen anderen ,Christabend’ zu
senden.
„Auch an dem dritten Brauche hat der Teufel sein Teil,
insofern als manche an diesem Tage den ,Christabend’ nicht im
Gedächtnis der Sendung vom Himmel schicken, sondern um das
ganze folgende Jahr glücklich zu sein. Denn sie sagen, wer an
jenem Tage andere nicht beschenke, werde noch vor Jahresschluß
ins Unglück geraten, und umgekehrt prophezeien sie denen, welche
an diesem Abend die Gabe abschlagen, aber nicht von Gotteswegen:
du wirst dieses Jahr ins Unglück kommen, weil du an
diesem Abend nichts verschenkst. Aber noch mehr behaupten sie,
daß wer an jenem Tage gezwungen etwas thue, im ganzen folgenden
Jahre unglücklich sein werde. Sie wollen auch an diesem
Feste nicht an ihre Schulden gemahnt werden, um nicht unglücklich
zu werden, indem sie in der Mahnung und in der Bezahlung
ihrer Schulden einen gewissen Zwang sehen" . . . Johannes von
Holleschau nennt in seiner Bearbeitung von Alssos Abhandlung
dann, wie bemerkt, sogar die Formel des Christboten. Sie sagen
z. B. „Petrus und Johannes Dlapka senden Euch einen „heiligen
Abend“. Die christliche Ethik machte sich diesen Zug zu nutze
und wandte ihn auf ihr Almosengeben an. Alsso berichtet auch
darüber wie über eine ausgemachte Thatsache: „Der zweite Brauch
besteht darin, daß die Geburtsnacht von Jesus von der ganzen
Welt die reichste genannt wird . . . und zwar largum sero, freigebiger
Abend (czechisch stêdry vecer) darum sind auch die
gläubigen Christen an diesem Abend freigebiger als sonst zu
Ehren und zum Gedächtnis jener Freigebigkeit vom Himmel.
Ja kein Familienvater ist so arm, daß er nicht an diesem Abende
den Seinen freigebig eine Spende gäbe. Wenn er nicht mehr
erschwingen kann, so macht er wenigstens ein großes Licht in
seiner 8wda. . . . Ehrbare Greise öffneten an diesem Abend frei-
gebig ihre Häuser bis zum Dache, damit jeder Bedürftige ein-
träte und sich erquicke. ... Ja die Alten bewiesen die Freigebig-
keit in dieser Nacht nicht nur den Menschen, sondern auch den
Tieren, indem sie ihnen an diesem Abend mehr Futter gaben
als Stuba. . . . Ebenso pflegten die Alten in dieser Nacht ihre
Taschen offen zu halten, damit, wohin sie auch gingen, das Geld
ihnen besser zur Hand sei, um es den Armen zu geben. Außerdem
legten sie Geld auf den Tisch unter ihr Frühstück nicht aus
Hochmut, sondern damit, wenn ein Armer käme, sie es bequem
mit dem Geben hätten. Ebenso stellten sie auf dem Tische
Kleinodien aus, nicht aus Stolz, sondern zu dem Zwecke, daß
sie sich beim Anblick an jene Freigebigkeit erinnern möchten, mit
der der Vater sein geliebtestes und wertvollstes Kleinod, seinen
Sohn, gab. . . .
„Leider ahmt jedoch der Teufel jenen Brauch nach, denn
manche stellen ihre Kostbarkeiten aus, um ihren Reichtum zu
zeigen, sie halten die Hand in die Tasche, nicht damit die Armen
Geld erhalten können, sondern um in dem Gelde zu wühlen,
damit dadurch für das ganze folgende Jahr ihr Geld sich mehre.
Sie legen das Geld auf den Tisch, nicht um es den Armen auszuteilen,
sondern um mit ihm Glück zu haben; sie öffnen ihre
Börsen an diesem Tage nicht für die Armen, sondern damit das
Glück in sie einziehe. . . "
Auch das fünfzehnte Jahrhundert kennt Verbote der Neujahr-Weihnachtsgaben.
In Konstanz kam anno 1460 ein Verbot heraus:
„wer ein Kind hept, der sol jm nit immer instricken ane
Gefärde denn 1 bd und soll im och ze Wihenächten weder
Bimenzelten, Brot, Käß, Hämpli noch sust nit anders senden an
Gevärd." Auch die christliche Auslegung des immer mehr ausschließlich
nach Weihnachten rückenden Brauches blieb nicht aus.
Hatte schon Alsso sich darin mit Erfolg versucht, so half die
Folgezeit mit einer weiteren Analogie nach.
In Franz Wessels Schilderung des katholischen Gottesdienstes
zu Stralsund bis 1523 ist uns eine Beschreibung erhalten, wie
die Bauern am Christabend bis zum Sternenaufgang fasteten.
Bei der Geburt eines Kindes schenkte man den Geschwistern
Zuckerwerk, das man Kindsfuß (kindsvôt) hieß. So dachte man
sich auch Jesus allen Wesen etwas zur Nahrung bei seiner Geburt
mitbringen: sô drôgen sê garwen in de koppele efte sus en
de lucht, dat se de wint snê rip efte sus de lucht bischinen
konnte, dat hêtede men des morgens kindesvôt, dat dêlde men
des morgens allem ût, slôch êne garwe 2 efte 3 ût unt gaf
den swinen koien enten gensen dat se alle des kindesvôtes
genêten scholden.
Die Straßburger Stelle von 1568 ist der älteste Beleg für eine
Kinderbeschenkung, die vor dem sechzehnten Jahrhundert überhaupt
nicht vorkommt. Bis zum sechzehnten Jahrhundert gibt es noch
keine Weihnachtsbescherung. Erwachsene senden sich wechselseitig
Neujahrsweihnachtsgaben. Lehensleute erhalten bei Gelegenheit
der Bezahlung ihrer Abgaben ein Mahl, Dienstboten erhalten in
einer Gabe thatsächlich ein Stück Lohn. In Sachsen wurden 1661
diese Christgeschenke ebenfalls verboten oder doch sehr eingeschränkt.
Die sächsische „Policey-Ordnung" von diesem Jahre gebietet
nämlich Titulo 17: „Ferner aber denen Pathen, im Geringsten
kein Heiliger Christ, Neu-Jahr, Grün-Donnerstag, oder wie es
sonsten Nahmen haben mag, an Kleidung, Gelde, Geschmeide,
oder andern Sachen, nichts gegeben werden." Tit. 23, Kap. 1,
§ 6 heißt es dann weiter: „Darunter denn billig zu ziehen, daß
an etlichen Orten denen Knechten und Mägden Jahrmärckte,
Christ- und Neu-Jahrs-Geschenke, oder andere Verehrungen über
gesatzten Lohn, so bis weilen eben so hoch kommet, bishero zur
Ungebühr mit eingedinget, und fast abgezwungen worden. Wie
wir nun solches und andres, wordurch sonsten unserer hierbey
habenden Intension zuwider geschehen könte, gleicher Gestalt
gäntzlich aufheben: Also soll Herr, Frau, Knechte, oder Mägde,
so dergleichen Begünstigungen unter einander verüben, mit der
Helffte der vorgesetzten Straffe, als 5. Thaler, von Gerichten beleget,
und dem Dienstbothen sein ordentliches halbes Lohn neben
dem Geschencke weggenommen werden; Jedoch, wofern ein, oder
ander Herr, oder Frau einem Dienst-Bothen, so ihn oder ihr
vor andern lang und treulich gedienet, aus freyem Willen, ein
leidliches zum H. Christ und zu Veranlassung fernerer fleißigen
Dienste verehren wolte, solches bleibet ihnen ungewehret, die
Neuen-Jahr-Geschencke und Jahrmärckte aber wollen wir disfalls
gäntzlichen abgestellet wissen." Am 16. Juli 1735 erschien dann
für Sachsen eine „neue Gesindeordnung". In derselben heißt
es: „Dagegen soll es aber auch bey dem vorhin schon geschehenen
Verboth, daß keinerley Gesinde der Herrschaft etwas, wie insonderheit
darüber von dem Meißnischen Creysse geklaget worden, an
Leinewand und so genannten Seyfen-Gelde, oder zum Messen,
Jahr-Märckten oder Neu-Iahr-Geschencke, bei 5 Thaler Strafe
und Verlust der Helffte des ordentlichen Lohns und erhaltenen
Geschencks, abfordern und mit eindingen sollen, nochmahln bewenden,
Gestalt auch die sogenannten Heil. Christ-Geschencke, ob
wir selbige gleich zur Zeit noch zu dulden gemeynet, bey der
Mieth- und Vermiethung keinesweges mit eingedungen werden
dürffen, sondern es vielmehr in jeder Herrschafft Willkühr, ob
sie zur Wenhnacht-Zeit ihrem Gesinde etwas geben will, oder
nicht, beruhen, sich auch dergleichen Geschencke allerhöchstens nicht
über 1 Rthlr. 8 gr. biß 2 Rthlr. belauffen, der Herrschafft aber
doch dabey unverwehret seyn soll, demjenigen Gesinde, das sie
gehorsam, fleißig und treu, und sonst einer besonderen Belohnung
würdig erfinden, an Kleidung, Wäsche, Geräthe und dergleichen,
auch wohl an Gelde, zu beliebigen Zeiten was zuzuwerffen, auch
wenn es abziehet, zu einer Profession schreitet, oder Beförderung
erlanget, ihme aus freyen Willen und Bewegniß zur Beyhülffe
etwas zu schencken."
In Rottenburg in Schwaben bestand ein hohenbergisches
Verbot der Christgeschenke, bis zum Uebergang an Württemberg.
Erst indem im sechzehnten Jahrhundert die nach Weihnachten
verschobenen und dort weihnachtlich umgebildeten Martins- und
Nikolausumzüge in die Feier des Weihnachtsfestes einmünden,
entsteht die weihnachtliche Kinderbeschenkung, welche seit dem Eingreifen
des Protestantismus in den Jahresbrauch den eigentlichen
Kern der volkstümlichen Weihnachtsfeier auszumachen beginnt.
Die kirchliche Reformation des sechzehnten Jahrhunderts
verwies die Heiligengestalten aus dem amtlich anerkannten Kirchenglauben
wieder in den Volksglauben zurück. Der Heiligenglaube
wurde geradezu das Kennzeichen der römischen Kirche. Die pro
testantische Priesterschaft mußte also alles bekämpfen, was wie
Heiligenumzüge aussah. Die Beschenkung der Kinder mochte
man nicht streichen, so strich man aus ihr nur die vermummten
Gestalten und gab den Kindern die Gaben selbst in einer neuen
Form. So entstand die Bescherung in unsrem Sinn. Im sechzehnten
Jahrhundert ist darunter aber nicht ein Aufbau von Geschenken
auf dem Tische bei festlicher Beleuchtung zu verstehen,
sondern die Bescherung hat eine Form, welche noch deutlich ihren
Ursprung verrät. Die Geschenke werden in ein Bündel zusammengebunden,
und der Zweig, den der heilige Martin oder heilige
Nikolaus führte, wird dazu gefügt. So entsteht die „Christbürden"
des sechzehnten Jahrhunderts mit der „Christrutte".
Ganz im pädagogischen Sinne der Zeit faßt man diese nicht
mehr als Segenszweig, sondern sie verliert auf dem weiten Gebiet
des protestantischen Nordens ihre Gestalt als Martinsbäumchen
und Nikolausbäumchen und wird zur wirklichen Schlagrute,
zu etwas „das da zu Lehre und Disziplin gehöret". Damit
hat ein alter indogermanischer Glaube sein Grab gefunden,
wenigstens in einem seiner Zweige. Nicht das Dogma des
Christentums hat ihn vernichtet, sondern die fortschreitende Bildung
der Zeit, welche den vorhandenen Volksbrauch entschlossen
und unbefangen für ihre Zwecke in Dienst nimmt und die Verkörperung
des Glaubens, den Zweig, zum Träger einer neuen
Idee macht. Man gibt den Kindern das Geschenkbündel und
sagt ihnen, eine der Gestalten des neuentstandenen Weihnachtsumzuges
habe es gebracht, meist der „heilige Christ" selbst, der
ja in dieser Zeit in den Umzug eintritt und die Hauptrolle übernimmt.
Seine Einführung und die dadurch erfolgende Verdrängung
der Heiligen und seine Ausscheidung, weil es Sünde
sei ihn darzustellen, sind beide das Werk des Protestantismus
im sechzehnten Jahrhundert. Natürlich sind, wie schon gezeigt
wurde, die Umzüge selbst keineswegs leicht und rasch zu vernichten
gewesen. Aber lokal gelang es doch, und da seit dem Ende des
sechzehnten Jahrhunderts protestantische Pfarrer in ihren volkstümlichen
Büchern die neue Form der Beschenkung als die bessere,
von der Kirche befürwortete darstellen und nicht selten auch in
ihren Schilderungen einen innigen, kindlichen Ton anschlagen, so
breitete sie sich auch aus. Mit der Zurückdrängung der Umzüge,
die noch im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert vielfach den
Hauptpunkt der volksmäßigen Weihnachtsfeier darstellen, wird zugleich
die volksmäßige Religiosität im Kirchensinne aus dem Feste
hinausgedrängt, und dafür beginnt die Epoche des wirklichen
engbegrenzten Familienfestes aufzudämmern, das jedes Haus für
sich im eigenen Schoße feiert und das später durch den Weihnachtsbaum
eine Art ideellen Mittelpunkt erhält.
Der in dem Kapitel von den blühenden Bäumen der Weihnacht
ausführlicher behandelte Brauch von dem Zweigschlagen am
Unschuldigenkindertage und später zu Weihnachten ist auch mit
einer Weihnachtsbeschenkung verknüpft. Die Kinder schlagen die
Eltern oder sonstige Verwandte und Bekannte mit einem (ehemals
blühenden) Zweige, (später mit einem Surrogat) und erhalten
dafür Geschenke. Die Beschenkung ist hier also direkt begründet.
Auch sie haftet an einer Rute, welche hier aber die
Kinder führen.
Die Rute, die man den Kindern zu Weihnachten schenkte,
und die ihnen ehedem Ruprecht oder Nikolaus brachte, war zum
Teil dieselbe, mit der sie Verwandte und Freunde schlugen. Der
leipziger Magister Eberhard, der den Sinn des letzteren Brauches
nicht mehr verstand, berichtet darüber, daß es um 1800 üblich
war, „den Kindern unter anderen Geschenken mehrentheils auch
eine Ruthe mitzubescheren". Und man nahm an, daß „solche
etwan auf Anleiten der Aeltern wären besorgt worden, sodann
an Freunde zu bringen, um sich dadurch desto größere und
mehrere Geschenke, namentlich von Pathen zu verschaffen".
Im Jahre 1572 erschien bei Schwertel in Wittenberg ein
Band Predigten, die Thomas Vinita (Winzer), Pfarrer in
Wolkenstein in Sachsen, Weihnachten 1571 gehalten hatte. Darin
heißt es: „Es pflegen frumme und freundliche Eltern mit iren
Kinderlein, umb diese Zeit, gar mancherlei gesprech zu halten,
vom heiligen Christ, und seinem Bündlein oder Bescherungen etc.
Als: Der heilige Christ werde nichts bescheren, denn sie sein nicht
frum, und lernen jren Catechismum und gebeth nicht etc. Solcherlei
feine und freundtliche reden gehen offte weit vorher, wenn
sich aber die Kinderlein (wie gewöhnlich) willig und mit freuden,
in dem allen zum gehorsamsten und willigsten nach Kindlichem
armen vermögen darstellen, denn wird jnen der heilige Christ,
von tage zu tage mit seinen gaben, wie reich, wie freundlich, wie
gewis er kommen und bescheren werde, lieblicher herausgestrichen,
von denen kindern, so solcher kindischen Freude erwachsen."
Nachdem Vinita dies ins Dogmatische gedeutet, fährt er fort:
„Da mügen wir wol mit allem fleisse dieses bescherte Bündlein
des heiligen Christs mit St. Paulo auffbinden Röm. 8. Denn
wie solle uns Gott nicht mit diesem bescherten lieben Jesulein
auch alles mit beschert haben? Die Kinderlein finden in ihren
Bündlein gemeiniglich fünfferley Dinge. Erstlich güldige als
Gelt, viel oder wenig, nachdem der Haus-Christ vermag und
reich ist, doch lassen sich auch die armen Kinderlein an einem
Pfenninge oder Heller in Apffel gesteckt, genügen und sind guter
Dinge darüber. Darnach finden sich auch geniesliche Dinge, als
Christstollen, Zucker, Pfefferkuchen und aus diesen allen mancherley
Confect und Bilde. Daneben Epfel, Birnen, Nuß und gar
mancherley gattunge allerley bestes. Zum dritten finden sie ergetzliche
und zu frewden gehörige Dinge als Puppen, und mancherley
Kinderwerk. Zum vierden finden sie nötige, und zur bekleidung
und zier des lebens dienstliche Dinge, gar mancherley und
hübsche Kleiderlein, von gutem gezev und seiden, gold und silber,
und reinlicher arbeit gefertiget. Zum letzen finden sie auch, was
zu lere, gehorsam, zucht und Disciplin gehöret, als Abctefflin,
Bibeln und schöne Bücherlein, Schreib- und Federgezeuge, Papier etc.
und die angebundene Christrutte."
Ungefähr aus der gleichen Zeit haben wir eine ähnliche
Schilderung von dem Pfarrer Strigenitz, dem die volkstümliche
Weihnacht seiner Zeit sehr am Herzen gelegen haben muß. Er
hat eine eigene Predigt über die Christbürden gehalten und auch
drucken lassen. „Das fünffte und letzte Stück, welches unsere
Kinderlein in ihrer Christbürden finden, wenn sie dieselbige auffmachen,
betrifft die Scholasticalia oder Schul Sachen. Was sind
das für Dinge? Es sind solche Sachen, die in die Haus und
Stadt-Schule gehören zur Lehre und Unterweisung, zur Zucht
und Disciplin, und damit die Schul-Knaben und Schul-Mägdlein
pflegen umbzugehen, dieselben sind fürnehmlich dreyerley. Denn
da bescheret ihnen der Haus-Christ unter anderen ABC-Täfelein,
Catechismus, Gebetbüchlein, Evangelien Büchlein, Gesangbüchlein,
oder sonsten andere gute Büchlein, die fein reiniglich und schön
gebunden, auffm Schnid und sonsten verguldet sind. Item allerley
schöne gemahlete Carnier oder Hand Körblein, darein sie ihre
Bücherlein, und ihr Morgenbrod fassen können, wenn sie wollen
in die Schule gehen: Item allerley schöne Schreibzeuge, Pennal
oder Dintefaß, Papier und Federn und dergleichen. Ja was
meynt der Haus-Christ damit, daß er solche Dinge und Sachen
den kleinen Kindern bescheret, die noch zart und jung, und
unverständig sind? O es hat alles seine gute Deutung und
Erinnerung beydes für die Eltern, und auch dann für die
Kinder u. s. w." Dann heißt es weiter: „Vber diß Stück, so
zu den Scholasticalibus gehören, findet sich noch eins, mit welchem
die Kinderlein nicht allzumahl zufrieden seyn, und das sie lieber
entberen wolten. Was ist das? Es ist die Christ-ruthe. Denn
wenn der Haus-Christ gnung hat eingefasset, und die Bürde jetz- und
zubinden wil, so beschleust er endlich mit angehengter Christ-Ruten,
die muß auch dabey seyn und nicht aussen bleiben."
Die Christhürden hat sich noch lange erhalten. In drei
Christkindliedern, die 1830 noch in Schlesien lebendig waren,
spricht das Christkind noch von „einer großen Bürde", die es
bringen wird, wenn die Kinder fleißig beten und singen. In
einigen niederschlesischen Gegenden erscheint mit dem Christkinde
der Ruprecht, in ostschlesischen (deutschen) Joseph aus dem Jesusgeburtspiele.
Das Christkind trug die Rute selbst, und im zweiten
Liede heißt es von den Kindern:
Wenn sie aber nicht fleißig werden beten und singen,
So wird ihnen die Rute auf dem Rücken rumspringen.
Das Christkind hat, wie sonst Nikolaus, an dessen Stelle es getreten
ist, einen Wagen;
Wir haben draußen stehn ein schönen Wagen,
Der ist mit lauter Gold und Silber beschlagen.
In den armen Gegenden des sächsischen Erzgebirges waren um
1860 die typischen Weihnachtsgeschenke ein Schreibheft und einige
Aepfel.
Für die Geschenke fürstlicher Kinderbescherungen war schon
damals nicht mehr Platz in dem engen Raum einer zusammengebundenen
Christbürde. Im Jahre 1572 bestellte der Kurfürst
August von Sachsen für seine Kinder, den zwölfjährigen Kurprinzen
Christian und die kurfürstlichen Fräuleins, die zehnjährige
Dorothea und die fünfjährige Anna, in Leipzig verschiedene
Spielwaren, die zum Teil erst eigens zu diesem Zwecke angefertigt
wurden. Die noch vorhandenen Rechnungen enthalten
eine genaue Beschreibung derselben. Für den Prinzen hatte der
jagdliebende Vater eine Jagd bestellt, die aus fünfundsiebzig
Stücken bestand, Pferden, Reitern, Jägern, Hirschen, Sauen,
Füchsen, Hunden, Schlitten. Der Holzschnitzer erhielt für jedes
nicht weniger als 12 Groschen. Dazu kam noch die Bemalung
und sämtlicher Ausputz. Für den Weihnachtstisch der jungen
Herzoginnen war eine vollständige Ausstattung einer Puppenküche
und Puppenstube bestimmt, zinnerne, messingene und
kupferne Kochgeräte, Tischtücher, Körbe, Schränke, Stühle „und
was zum Hausrad gehortt", alles in einer Vollständigkeit und
Ausstattung, die uns den gediegenen Luxus, der in Deutschland
vor dem dreißigjährigen Kriege herrschte, recht deutlich vor die
Augen führt. Beispielsweise wird genannt: 36 Löffel, 71 Schüsseln,
106 Teller, 40 Bratenteller, Hackemesser, Bratspieße, Brotfeilen,
Mörser, Durchschläge, Barbierbecken, zwei kleine Schreibzeuge,
Spiegel, Nachtkissen von schwerem Sammet und goldenen und
mit silbernen Posamenten belegt. Auch Hampelmänner waren da,
„9 gepapte Docken, die man mith schnürlein zeuchtt (Preis 1 fl.
10 gr. 6 ), endlich 2 Ruten, diese zu 6 berechnet."
Nachdem nun Holzschneider, Tischler, Schlosser, Riemer, Glaser,
Buchbinder, Schneider und Maler ihre Arbeit gethan hatten, geleiteten
der Sohn des Leipziger Bürgermeisters Hieronymus
Rauscher und der Tischler die Bescherung auf einem zweispännigen
Mietwagen nach Torgau an den Hof und verzehrten in den
6 Tagen ihrer Reise 10 fl. 11 gr. Am Christtage ließ dann
die Kurfürstin Anna dem Bürgermeister Rauscher die unversehrte
Ankunft der Spielsachen und ihren Dank für den wohlausgerichteten
Auftrag vermelden.
Um die Nikolausbeschenkung um so sicherer nach Weihnachten
zu ziehen, veranstaltete die Priesterschaft kirchliche Bescherungen,
bei denen die Eltern die Geschenke für ihre Kinder mitzubringen
hatten.
Aus dem Jahre 1584 haben wir unter der Ueberschrift
„Heilige Christ-Bescherung" eine Schilderung einer solchen. „Die
kleinen Söhne und Töchter der Christen erwarten gewöhnlich mit
großer Sehnsucht, meist im Abendgottesdienst am Jesusgeburtsfest,
die Geschenke des Christ, von dem man hier glaubt, er
komme mit einem schwer bepackten Wagen durch Dächer und
Fenster hinein dem Donner gleich, dort, er ziehe mit einem Engelgefolge
durch die einzelnen Häuser. Wenn er dort findet, daß
die Kinder artig sind und die christlichen Gebete können, so teilt
er ihnen verschiedentliche Geschenke aus: Klappern, Kästchen,
Kleider, Störche, Schäfchen, Pferdchen, Wägelchen, Aepfel, Birnen,
Nüsse, Honigkuchen, und andres derartiges Spielzeug. Und dies
zwar darum, damit die Kinder sich um so mehr nach der Ankunft
des Christ sehnen und ihn erharren. Sodann aber auch,
damit sie sich mit ganzem Herzen darauf vorbereiten, dem Christ
zu antworten, wenn er ankommt. Meist wird den Christgeschenken
noch eine Rute beigefügt, damit die Kinder sich aus Furcht vor
Prügeln um so leichter im Zaum halten und leiten lassen, und
damit sie lernen, daß dem Guten sich immer etwas Schlimmes
beimische." Diese einfache Schilderung wurde mehrfach ausgeschrieben.
So erscheint sie hundert Jahre später in dem norddeutschen
Helmstädt wieder, aber etwas gekürzt und für die Zeit
sehr charakteristisch umgebildet. Das donnergleiche Erscheinen des
heiligen Christ ist weggeblieben, und die Geschenke werden nur
noch in seinem Namen gegeben. Der Weihnachtsumzug ist noch
stärker in den Hintergrund getreten. Der Bericht ist von 1701:
„Endlich schenken die Eltern in unsern Kirchen am Weihnachtsabend
ihren Kindern verschiedentliche Geschenke, Klappern, Kästchen,
Kleider, Wägelchen, Aepfel, Nüsse und so weiter, denen meist
eine Rute beigegeben wird, damit sie sich aus Furcht vor den
Prügeln leichter im Zaume halten lassen. Diese Geschenke werden
im Namen des heiligen Christ gegeben, von dem man glaubt, er
komme durchs Dach oder die Fenster herein oder gehe mit den
Engeln in die Häuser."
Kirchliche Christbescherungen sind uns seit dem Anfang des
siebzehnten Jahrhunderts mehrfach bezeugt. Die Memorabilia
quaedam Argentorati observata berichten darüber aus dem
Jahre 1605:
Auf Weihenachten gibt man den kindern (ein woche zuvor)
einen spruch einem itylichen, welchen sie 1. die knaben vff
Christag 2. die Megtlein aber auff New Jahrstag beten
müssen, werden darnach einem ieden 1. 2. 3. 4, od. auch
büchlein verehret.
Die Straßburger Neujahrsbescherung ist auch 1605 noch
erhalten, wenn daneben auch noch eine Weihnachtsbescherung steht.
Die Art der Bescherung, wie sie Vinita erzählt, erhielt sich
noch längere Zeit. Noch 1663 schildert sie der Magister Prätorius
in Leipzig ganz in derselben Weise, und zwar in seinen
„Saturnalia, das ist Eine Compagnie Weihnachts-Fratzen Oder
Centner-Lügen und possierliche 'Positiones", wenn er für seine
Beschreibung auch großenteils das Citat aus Strigenitz verwendet,
das ihm aus zweiter Quelle zugegangen ist. „Zum Heil.
Christ werden den Kindern Büchlein bescheret, daß sie damit
spielen, oder sie zerreissen sollen. So und anders nicht, meinet
das junge, unmündige Volck. . . ." Damit ist er freilich nicht
einverstanden. Auch die pädagogische Bedeutung des Rutenschenkens
will ihm gar nicht einleuchten. Ironisch gibt er als
Grund für den Brauch an: „Der H. Christ bescheret dessentwegen
denen Kindern so schöne güldene Ruthen, daß sie sich entweder
unter einander damit peitschen und schlagen sollen: oder damit
sie desto mehr Spielzeug dranne haben." -
Wenn auch örtlich die Gestalten der Weihnachtsumzüge nicht
mehr erschienen, so galten doch die Gaben als von ihnen, namentlich
von dem heiligen Christ gebracht. Die Kinder wurden daher
schon lange im voraus zum Artigsein ermahnt, damit er ihnen
auch etwas bringen könne, und mußten ein „gemeines Kinder
Sprüchlein" lernen, „so die Muhmen denen muthwilligen Gästen
vorschwatzten; nemblich:
Das Jesulein bin ich genand,
bey denen frommen Kindernlein wohl bekand,
die ihren Eltern gehorsam seyn,
und ihren Catechismum lernen fein:
die Früh auffstehn und beten gern,
denen will ich alles guts bescher(e)n;
was aber solche Holtz Böcke seyn,
die schmeissen Schwester und Brüderlein,
die schlept der Todt in die Hölle hinein.
darumb seyd fromm ihr Kinderlein,
daß ihr nicht kompt in solche Pein!"
Diese Vorbereitung schätzte man gar hoch. Ueber sie sagt
D. Schubart in seinem „Weg der Vollkommenheit": „Daß Eltern
ihre Kinder sich auf das Christ-Fest gebührender Massen schicken
und bereiten, schöne biblische Sprüche, Seufftzer und Gebät lernen,
und den heiligen Abend andächtig bäten lassen, sie darauf zur
Erinnerung der Wolthaten Christi und hertzlichem Jesus-Friede
mit Geschenck und Gaben bedencken, ist Christlöblich und billich."
Noch im neuen Jahrhundert dachte man so: „Es ist gut, daß die
Kinder andächtige Gebet und Sprüche lernen, zusammen auf einen
Winckel kriechen, und selbige beten, daß es der H. Christ hören
soll. Es ist Christlich, daß man ihnen Bescherungen darreicht,
und ihnen beybringt, dieses alles komme von dem lieben Christkindlein
her, das uns viel herrlichere Schätze im Himmel werde
aufthun, die niemand aussprechen kan. Es ist auch nicht verwerflich,
daß man erwachsenen Leuten, Gesinde, Kirch und Schuldienern,
seine milde Hand aufthue, und ihrer gedencke, und von
dem leiblichen Segen mittheile, den uns Gott bescheret."
Auch im katholischen Süden machte die Weihnachtsbescherung
Fortschritte. In Nürnberg brachte man am Ende des siebzehnten
Jahrhunderts die Nikolaus- und Weihnachtsbescherung in Verbindung
und machte jene von dieser abhängig. Der Nürnberger
Chronist Wagenseil berichtet darüber: „Die Kinder waren überzeugt,
das Christkind habe zum Forttragen der Waren, die es
(auf dem Weihnachtsmarkt) einkaufe, den heiligen Nikolaus zum
Trabanten und dieser erhalte immer von den Verkäufern etwas
Süßes als Zugabe und dies werde, als gutes Vorzeichen und
gleichsam zum Vorschmack, wenn das Weihnachtsfest herannaht,
während des Schlafes heimlich unter das Kopfkissen gelegt und
gelte für Geschenk des Heiligen Nikolaus." Wagenseil leitet
diesen Brauch wie die Zimmernsche Chronik irrtümlicherweise
davon ab, daß Nikolaus bei Lebzeiten einst drei Schwestern ausgestattet
habe. Die Weihnachtsbescherung aber ging folgendermaßen
von statten: „In der Christnacht füllen die Eltern der
kleinen Kinder die großen Schüsseln, welche jene für den Abend
furchtsam, zitternd aber doch auch wieder fröhlich leer auf die
Tische gestellt haben, voll verschiedenartige Geschenke, und über
diese freuen sich die Kinder, wenn der Tag graut, so daß sie vor
Freude fast außer sich sind, gleich als ob das Christkind die Geschenke
hätte vom Himmel regnen lassen, oder als ob es sie in
die Schüsseln herunter geworfen hätte. Fast das ganze Jahr
hindurch aber, und zumeist in den Monaten vor dem Feste,
werden sie mit der Hoffnung hingehalten, jene würden ihnen
herrliche Belohnungen bringen, wenn sie fromm und in allen
Sachen folgsam seien und sich beim Lernen fleißig zeigten, und
darum nehmen sich keine Kinder sonst so sehr zusammen wie die
Nürnberger, und wenn das Fest der Theophanie im Fleische naht,
dann zählen sie an den Fingergliedern leidenschaftlich nicht bloß
die Tage, sondern fast die einzelnen Augenblicke und werden mit
Erwartung und Sehnsucht gar nicht fertig. Es ist sogar Sitte
geworden, nicht nur die kleinen Kinder, denen man noch was
weiß machen kann, sondern auch die älteren Kinder und die ge-
samten Dienstboten an jenem Tage zu beschenken. Dieser Zug
ist ganz herrlich, dadurch, daß er die gesamte Familie einschließt.
Denn so viel ein jeder verdient hat, so beschenkt geht er auch ab,
und so sehr machen sich Väter und Mütter der Häuser durch
wechselseitiges Schenken eine Freude. Und man kann sagen, daß
dabei in Nürnberg alle Leute wieder ein Stück jünger werden.
Sicher aber ist, daß Knaben und Mädchen mit lauter Stimme
und heftiger Gebärde
Dröhnenden Beifall spenden, gefolgt von Tyrus und Troja."
An die Stelle nützlichen Spielzeugs und ähnlicher Dinge als
Geschenke traten mit der zunehmenden Spielwarenindustrie in
reicheren Häusern bald allerhand Luxusgegenstände. Der praktische
Verstand wehrte sich gegen diese Weiterentwickelung. Ein Herr
von Rohr sagt in seiner „Haushaltungs-Bibliothec" zu Anfang
des achtzehnten Jahrhunderts: „So wäre gut, wenn andere Privatleute
gleichfalls ihre Kinder, und sonderlich die von Adel, oder
die sonst von guten Vermögen sind, von Jugend auf zu der
Oeconomie anführten. In ihren Kinder-Jahren anstatt der
andern Spielwercke, die offt pretieuß sind, und keinen Nutzen
schaffen, sollen sie ihnen allerhand Modelle von unterschiedenen
Gebäuden, Scheunen, Ställen, Brauhäusern, Maltzhäusern u. s. w.
verfertigen lassen, die Instrumenta, und Werckzeuge, die man bey
dem Acker-Bau, bey der Gärtnerey, Fischerey, Vogelfangen u. f. w.
braucht, alles nach dem verjüngten Maßstabe, da sie denn von
Kindes-Beinen an von einem, der sich die Gedult gäbe, mit ihnen
gleichsam zu spielen, zur Oeconimie geleitet werden könten. Es
würden die Kinder von solchen Oeconomischen Spielen, als
welche ohnedem dasjenige gerne nachzuthun pflegen, was sie von
großen sehen, eben das Plasier haben, als von ihren andern, die
ihnen, wo nicht schädlich, doch gewiß auch nicht nützlich sind, und
könten doch wenigstens etwas darbey profitiren."
Am 16. Februar 1737 habilitierte sich zu Wittenberg ein
junger Jurist als Privatdocent, Namens Carolus Gottfried Kißlingius
aus Zittau. Als Habilitationsschrift – Primitiae academicae
- hatte er eine schwergelehrte lateinische Abhandlung
verfaßt: De muneribus, quae propter diem natalem Servatoris
nostri dari solent, und ihr den Untertitel gegeben: „Von heil.
Christ-Geschencken." Er betrachtet die Weihnachtsgaben von den
verschiedensten Seiten, nach ihrer mutmaßlichen Entstehung, ihrer
religiösen Bedeutung und dem Mummenschanz, der mit ihnen
getrieben wird, und schließlich - und darin ist der Schwerpunkt
der Abhandlung zu suchen - nach ihrer Geltung als rechtliche
Einrichtung, und zwar nicht oberflächlich und rhetorisch vornehm
aus der Vogelschau, sondern gestützt auf eine breite empirische
Grundlage. Namentlich die von dem Gesinde beim Mieten ausbedungenen
Geschenke, den landesüblichen Maskenunfug und die
Thätigkeit des Ausschusses, der diesen veranstaltet, des „Heiligen
Christrates", bekämpft er nachdrücklich und zieht ein ganzes Gewitter
von Strafverfügungen heran, die meistens aus der Werkstätte
des löblichen Magistrates seiner Heimatstadt Zittau stammen.
Auch über die Weihnachtsbescherung erfahren wir von ihm
manches. Am Anfang des achtzehnten Jahrhunderts wurden in
Zittau zu Weihnachten Erwachsene und Kinder in reichlichem
Maße beschenkt, und zwar keineswegs mehr nur von den umherziehenden
vermummten Gestalten, sondern ebenso von ihren
Familienangehörigen, von Paten und Freunden. Schon lange,
ehe das Fest heranrückte, machte man den Kindern Hoffnung auf
die Geschenke, ermahnte sie zum Fleiße und zum Gehorsam, wenn
sie die Gaben nicht verscherzen wollten. Der „Heilige Christ"
galt dabei im Kindesglauben allgemein als Geber, und der Volkswitz
legte den Kleinen die Frage vor, woher denn der heilige
Christ alle die Geschenke nehme, und der Spott behauptete: „Der
heilige Christ ist arm," „der heilige Christ hat es dem Schneider
gestohlen."
Am heiligen Abend, wenn es dunkel geworden ist, begann
in den Häusern die Bescherung, über deren allgemein übliche
Form Kißling sich leider nicht ausläßt. Aber eins ist sicher nach
seiner Schilderung. Die Bescherung ist in ein ganz neues
Stadium eingetreten. Man bindet die Geschenke nicht mehr in
Bündel, füllt sie auch nicht mehr über Nacht in Schüsseln, sondern
legt sie auf Tischen in der Stube aus, und erst dadurch
entsteht eine wirkliche Bescherung. Erst dadurch tritt der Umzug
ganz zurück und die Beschenkung nimmt den Charakter einer festlichen
Ausstellung im Lichterglanz an, indem sie sich mit einem
kirchlichen Brauche, dem Lichtanzünden zu Weihnacht, vereinigte.
In der alten Kirche soll der Weihnachtstag dies luminarium,
der Tag des Lichts geheißen haben. „Daher auch noch jetzt
(1799) der Gebrauch kommt, Lichter zur Freude zu brennen,
Wachsstöcke zu schenken, die man sich wechselseitig, auch besonders
in den Saturnalien verehrte." Nach dem Berichte des Presbyters
Alsso hatte jeder, der Weihnachten nicht anders feiern konnte, um
1400 wenigstens ein großes Licht in seiner Stuba. Vielleicht ist
hier auch ein Rest der Erneuerung des Herdfeuers am Jahresanfang
eingemündet. In der Klosterschule zu Jlefeld war 1757
das Lichteranzünden zu Weihnachten wohl bekannt. Auch später
findet es sich. Am Weihnachtsabend wurde 1866 in vielen
Gegenden des nordfriesischen Festlandes ein dreiarmiges Licht angezündet;
ebenso in Angeln eigens zu diesem Zwecke gestippte
dreiarmige Talglichter. In Dänemark wurde früher das Heil.
Dreikönigslicht (auch Jullicht) gleichfalls am Weihnachtsabend
angezündet. Hier und da wurde sogar den Haustieren ein Licht
vor die Krippe gesetzt.
In Warlow bei Ludwigslust sah man noch 1880 in vielen
Häusern am Sylvesterabend einen schön geputzten Leuchter mit
brennendem Licht darauf, das an diesem Abend von keinem vom
Tisch abgenommen werden durfte; auch auf der Hausdiele brannte
um diese Zeit den ganzen Abend eine Lampe. Vielleicht kommt
hier noch eine andre Anschauung in Betracht. Im „Baumkultus
der Germanen" hat Wilhelm Mannhardt eine große Zahl von
Stellen gesammelt, an denen Opfer bei Lichterschein gebracht
werden. Seit der Zeit, wo dies geschah, scheint eine nahe Beziehung
zwischen Licht und Geschenk bestanden zu haben; ja, im
mittelalterlichen Sprachgebrauch scheinen Licht und Kerze einerseits
und Gabe andrerseits gleich bedeutend gewesen zu sein. Als
Herzog Ludwig von Bayern Walther von der Vogelweide durch
den Markgrafen Dietrich IV. von Meißen ein Geschenk über-
bringen ließ, da sang der Dichter:
„Mir hat ein Licht von Franken,
Der stolze Meißner mitgebracht,
Das giebt mir Ludwig eigen.
Ich kann es ihm nicht danken,
So schön als er mich hat bedacht:
Ich muß mich tief ihm neigen."
Und als derselbe Sänger von König Friedrich III. aus
Italien eine Gabe erhielt, wo dieser sich eben die römische Kaiserkrone
holte, da dichtete er zum Preise seines Herrn ein Lied, in
dem es heißt:
„Eine Kerze habt ihr gnädiglich mir zugesendet,
Deren Licht die Brau'n versengt hat allen, die sie sahen."
Noch in Goethes Tagen gehörten Licht und Geschenk eng
zusammen. Als er Kestner Kleiderstoff für dessen kleine Schwäger
sendet, schreibt er ihm: „Stellt ihnen ein Wachsstöckgen
dazu und küsst sie von mir." 1799 schenkte man sich in
Leipzig gegenseitig Wachsstöcke zu Weihnachten. - Noch vor
dreißig Jahren war es in Berlin beim Weihnachtsbaum Sitte,
dem unerwartet eintretenden Gaste, für den man kein Geschenk
bereit hielt, wenigstens einen Wachsstock anzuzünden,
den man als ihm geschenkt betrachtete. - In der Herrnhuter
Mädchenerziehungsanstalt Kleinwelka bei Bautzen lebt noch heute
ein Brauch fort, der die Beziehung deutlich erhalten hat.
Jedes Mädchen beschenkt nur ein andres; welches, bestimmt
die Lehrerin. Die Empfängerin weiß nicht, wer sie
beschenken wird. Auf einem weiß überdeckten Brette liegt
neben der brennenden Kerze die Gabe. Die Geberin geht
damit herum und neckt Einzelne mit der Frage: „Willst du's?"
ohne sich jedoch um ihre Antworten zu kümmern. Ist sie endlich
an die Richtige gekommen, so bläst sie zum Zeichen, daß
das Geschenk nunmehr den Platz seiner Bestimmung erreicht
hat, das Licht aus, und das Brett geht in die Hände der
andern über.
Auch das Licht in der Mitte des Geburtstagskuchens und
die Sitte, dem Geburtstagskinde so viel Kerzen anzuzünden, als
es Jahre zählt, gehören hierher.
Auch in dem von der Insel Fehmarn angeführten Brauche
entspricht sich Licht und Geschenk. Die Umziehenden bitten um
ein Grüßlicht (Grötlicht) und erhalten ein Almosen.
In die Litteratur im engeren Sinne fand die festliche Weihnachtsbescherung
mit Lichterglanz im Jahre 1745 Eingang, wenn
auch zunächst nur in der Form eines Vergleiches. In Pyra und
Langes 1745 nach Pyras Tode von Bodmer unter dem Titel
„Thirsis und Damons freundschaftliche Lieder" in Zürich herausgegebenen
Gedichten, steht ein „Heldengedichte" „Bibliotartarus"
genannt. An den Reim gewandt, den er, wie nachher Klopstock
und die Seinen, bekämpft, sagt der Dichter:
„Sie alle sehen Dir, bloß Deines Klimperns wegen,
Mit Klatschen, Ruhm und Lob und gantz entzückt entgegen!
So freudig können kaum die frommen Kinder seyn,
Wenn sie am Weihnachtsfest und bey der Lichter Schein,
Den Engel, der beschert, von ferne klingeln hören.
Und Kleinigkeiten dann noch ihre Freude mehren!"
Der Engel wird hier als bescherend gedacht, wenn er auch nicht
mehr selbst erschienen zu sein scheint. Aber das Hervorgehen der
Bescherung aus den Weihnachtsumzügen ist hier noch ganz deutlich,
und die festliche Illumination hat sich bereits typisch mit
der Bescherung verbunden.
Auch im Süden waren die Christgaben verboten. Um 1750
sagt das Augsburgische Jahreinmal:
Es kehren gleichfalls insgemein
Die Feirtag durch die Dotlein ein,
Zu sehen, ob von den Christgaben
Sie sich nichts zu erfreuen haben.
Im siebzehnten Jahrhundert hatte die Weihnachtsbescherung
einen glänzenden Vorboten erhalten im Weihnachtsmarkt. In
den alten reichen Städten des deutschen Südens hatte seit dem
Aufblühen der Spielwarenindustrie im fünfzehnten Jahrhundert
sich auch ein förmlicher Nikolausmarkt entwickelt. In Ulm und
Augsburg ist er noch im achtzehnten Jahrhundert nachweisbar.
Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, mit der Verschiebung
der Nikolausbescherung auf Weihnachten trat ein Weihnachtsmarkt
daneben.
In Augsburg bestanden um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
Nikolausmarkt und Christmarkt nebeneinander. Das
Augsburgische Jahreinmal sagt über den ersten:
Daß erste ist, daß unterm Cloßen
Man gehen muß, da man bei Licht
Die Waaren feyl hat, warum nicht
Bei Tag? Es ist leicht zu errathen:
Weil man jetzt gerne geht Gaßaten,
Bestellt einander alfo fort
Zur Compagnie an's dritte Orth.
und über den zweiten:
Darauff kommt in gemeffner Reyh
Auch des Christ-Kindleins Kirreweyh,
Da hat man auch bei Lichtern feyl,
Da geht man vor die lange Weil,
Zu sehen und sich sehn zu lassen.
So kalt es ist auf freyer Gassen.
Der älteste Weihnachtsmarkt, den wir kennen, gehört noch
in das Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Er fällt nach Nürnberg.
Ein Zeitgenosse schildert ihn folgendermaßen: „Einige Tage
vor dem Feste, an welchem die Kirchen der Protestanten fromm
den Einzug des Herrn Christ ins Fleisch feiern, wird auf dem
hiesigen Markt Weihnachtsmarkt gehalten, der der Kindleins Marck
oder noch vollständiger der Christkindleins-Marck gewöhnlich genannt wird.
Da ist nahezu der ganze Platz voll Holzbuden, die
für Zeit aufgebaut sind und in denen aller Art Waren, um ein
Citat zu brauchen, was nur zum Gebrauch und Vergnügen der
Kinder, ja sogar der Erwachsenen vom Wunsche zu ersehnen und
von der Phantasie zu ersinnen ist, zu verkaufen steht. Um sich
diesen Markt zu beschauen, kommen aus den Nachbarstädten nicht
nur die Leute der niederen Stände, sondern bisweilen auch Fürsten
dahin. Die kleinen Kinder von Nürnberg aber .... sind überzeugt,
das Christkind kaufe hier die Sachen, die es nachher in
der Nacht zum Weihnachtstage unter sie austeilen wolle."
Wie an der Einführung der Weihnachtsbescherung, so hatte
die Kirche auch am Weihnachtsmarkte ein ganz bestimmtes Interesse.
In Hamburg räumte eine erzbischöfliche Anordnung für ihn
sogar den Dom ein, den man sonst wohl verwahrt hielt. In
seiner Vorhalle und seinen Kreuzgängen waren dann viele hundert
Buden aufgeschlagen. Erst als man den Dom abbrach, wurde
der Christmarkt auf andre freie Plätze verlegt, die man dann
auch Dom nannte. Auch Frankfurt am Main kannte in der
zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts den Christmarkt.
Am Weihnachtsmorgen 1772 schrieb Goethe an das Ehepaar
Kestner aus Frankfurt: „Ich will euch schreiben, biss es Tag ist.
Der Türner hat sein Lied schon geblasen, ich wachte drüber auf.
Gelobet seyst du Jesu Christ. Ich hab diese Zeit des Jahrs gar
lieb, die Lieder, die man singt . . . Als ich gestern über den
Markt ging und die vielen Lichter und Spielsachen sah, dacht' ich
an euch und meine Bubens wie ihr ihnen kommen würdet, diesen
Augenblick ein himmlischer Bote mit dem blauen Evangelio, und
wie aufgerollt sie das Buch erbauen werde."
Aus dem Jahre 1785 haben wir eine Schilderung des Leipziger
Christmarktes: „Der Christmarkt," heißt es da, „geht drei Tage
vor dem Feste an. In diesen Tagen sind auf dem Markte große
und kleine Buden aufgebaut, die abends illuminiert werden und
ein schönes Schauspiel von sich geben. Hier steht eine Bude mit
allerlei Spielsachen für Kinder, als Bäume, Häuser, Gärten,
Kutschen, Schlitten und dergleichen. Neben diesen sieht man
Schränke, Tische, Stühle, Betten, Canapees und andre Tischlerarbeiten.
Nicht weit davon wird man von dem schön geputzten
Messingkram ganz geblendet. Hier steht eine Bude voll Zinn,
da eine voll Silber, hier wieder eine voll Galanteriewaren. Da
steht ein altes Weib, die hat einen kleinen Tisch vor sich, welcher
mit Mißgeburten von Puppen besetzt ist, an deren jeder ein Zettel
hängt mit Witzen, die sich der Wiedergabe entziehen. Diese
Puppen finden jedoch reißenden Absatz, und selbst Leute, die viel
von sich halten, kaufen solche Wechselbälge, die sie dem ersten besten
Frauenzimmer zum Weihnachtsgeschenk präsentieren. Es ist allerdings
schrecklich, daß es so weit gekommen ist; solche Weiber,, die
dergleichen schändliches Zeug, das jeden gesitteten Menschen schamrot
macht, öffentlich verkaufen, follte man aus der Stadt hinauspauken
lassen. Aber Gott bewahre — das ist eine Sache, über
die man scherzt.
„Der Markt ist an diesen drei Abenden so voll Menschen,
daß man kaum durch die Gänge kommen kann. Die Studenten
machen dabei den größten Lärm. Es hängen sich acht bis zwölf
aneinander und wenn sie ein paar Frauenzimmer begegnen, so
schließen sie einen Kreis um sie, daß selbige nicht wieder heraus
können. Dabei treiben sie allerhand pöbelhafte Possen und lachen
hinterher, als wenn sie etwas Schönes gethan hätten. Einige
von ihnen sind so unverschämt, daß sie sich kleine Trompeten von
Holz kaufen und jedem Frauenzimmer, bei dem sie vorbeigehen,
ins Ohr blasen. Das nennen sie ,Commerce'.
„Soviel Menschen auch dabei herumgehen und die schönen
Sachen angaffen und bewundern, so kaufen sie doch nichts. Die
Verkaufsleute würden nicht bestehen können, wenn nicht am Tage
mehr gekauft würde als Abends, und das geschieht auch. Es ist
unglaublich, was die Leute zu der Zeit für Geld verschwenden."
Seiner Novelle Weihnacht-Abend hat Ludwig Tieck eine
Schilderung des Berliner Weihnachtsmarktes, um 1780-1793,
vorangestellt, die bemerkenswert ist. Er erzählt sie nicht selbst,
sondern sein Gewährsmann ist „Medling, ein geborner Berliner".
Dieser berichtet: „Als ich ein Kind war, war der Markt und die
Ausstellung, wo die Eltern für die Kinder oder sonst Angehörigen,
Spielzeug, Näschereien und Geschenke zum Weihnachtsfeste
einkauften, eine Anstalt, deren ich mich immer noch in meinem
Alter mit großer Freude erinnere. In dem Theile der Stadt,
wo das Gewerbe am meisten vorherrschte, wo Kaufleute, Handwerker
und Bürgerstand vorzüglich ein rasches Leben verbreiten,
war in der Straße, welche von Cölln zum Schlosse führt, schon
seit langer Zeit der Aufbau jener Buden gewöhnlich, die mit
jenem glänzenden Tand als Markt für das Weihnachtsfest ausgeschmückt
werden sollten. Diese hölzernen Gebäude setzten sich
nach der langen Brücke, sowie gegenüber nach der sogenannten
Stechbahn fort, als rasch entstehende, schnell vergehende Gassen. -
Vierzehn Tage vor dem Feste begann der Aufbau, mit dem Neujahrstage
war der Markt geschlossen, und die Woche vor der
Weihnacht war eigentlich die Zeit, in welcher es auf diesem be-
schränkten Raum der Stadt am lebhaftesten herging, und das
Gedränge am größten war . . . Um die Mittagsstunde wandelten
dann wohl die vornehmeren Stände behaglich auf und ab, schauten
und kauften, luden den Bedienten, welche ihnen folgten, die Gaben
auf, oder kamen auch nur wie in einem Saal zusammen, um sich
zu besprechen und Neuigkeiten mitzutheilen. Am glänzendsten aber
sind die Abendstunden, in welchen diese breite Straße von vielen
tausend Lichtern aus den Buden von beiden Seiten erleuchtet
wird, daß fast eine Tageshelle sich verbreitet, die nur hie und
da durch das Gedränge der Menschen sich scheinbar verdunkelt.
Alle Stände wogen fröhlich und lautschwatzend durcheinander.
Hier trägt ein bejahrter Bürgersmann sein Kind auf dem Arm,
und zeigt und erklärt dem laut jubelnden Knaben alle Herrlichkeiten.
Eine Mutter erhebt dort die kleine Tochter, daß sie sich
in der Nähe die leuchtenden Puppen, deren Hände und Gesicht
von Wachs die Natur anmutig nachahmen, näher betrachten könne.
Ein Kavalier führt die geschmückte Dame, der Geschäftsmann läßt
sich gern von dem Getöse und Gewirr betäuben, und vergißt
seiner Akten, ja selbst der jüngere und ältere Bettler erfreut sich
dieser öffentlichen, allen zugänglichen Maskerade, und sieht ohne
Neid die ausgelegten Schätze und die Freude und Lust der Kinder,
von denen auch die geringsten die Hoffnung haben, daß irgend
etwas für sie aus der vollen Schatzkammer in die kleine Stube
getragen werde. So wandeln denn Tausende scherzend mit Planen
zu kaufen, erzählend, lachend, schreiend den süßduftenden mannigfaltigen
Zucker- und Marzipangebäcken vorüber, wo Früchte, in
reizender Nachahmung, Figuren aller Art, Thiere und Menschen,
alles in hellen Farben strahlend, die Lüsternen anlacht: hier ist
eine Ausstellung wahrhaft täuschenden Obstes, Aprikosen, Pfirsichen,
Kirschen, Birnen und Aepfel, alles aus Wachs künstlich
geformt; dort klappert, läutet und schellt in einer großen Bude
tausendfaches Spielzeug aus Holz, in allen Größen gebildet,
Männer und Frauen, Hanswürste und Priester, Könige und
Bettler, Schlitten und Kutschen, Mädchen, Frauen, Nonnen, Pferde
mit Klingeln, ganzer Hausrat, oder Jäger mit Hirschen und
Hunden, was der Gedanke nur spielend ersinnt, ist hier ausgestellt,
und die Kinder, Wärterinnen und Eltern werden angerufen,
zu wählen und zu kaufen. Jenseit erglänzt ein überfüllter
Laden mit blankem Zinn (denn damals war es noch gebräuchlich,
Teller und Schüsseln von diesem Metall zu gebrauchen),
aber neben den polierten und spiegelnden Geräten blinkt und
leuchtet in Rot und Grün, und Gold und Blau, eine Unzahl
regelmäßig aufgestellter Soldatesken, Engländer, Preußen und
Croaten, Panduren und Türken, prächtig gekleidete Paschas auf
geschmückten Rossen, auch geharnischte Ritter und Bauern und
Wald und Frühlingsglanz, Jäger, Hirsche und Bären und Hunde
in der Wildnis. Wurde man schon auf eigne, nicht unangenehme
Weise betäubt, von all dem Wirrsal des Spielzeuges, der Lichter
und der vielfach schwatzenden Menge, so erhöhten dies noch durch
Geschrei jene umwandelnden Verkäufer, die sich an keinen festen
Platz binden mochten, diese drängen sich durch die dicksten Haufen,
und schreien, lärmen, lachen und pfeifen, indem es ihnen weit
mehr um diese Lust zu thun ist, als Gold zu lösen. Junge
Bursche sind es, die unermüdet ein Viereck von Pappe umschwingen,
welches an einem Stecken mit Pferdehaar befestigt, ein seltsam
lautes Brummen hervorbringt, wozu die Schelme laut: ,Waldteufel
kauft!' schreien. Nun fährt eine große Kutsche mit vielen
Bedienten langsam vorüber. Es sind die jungen Prinzen und
Prinzessinnen des königlichen Hauses, welche auch an der Kinderfreude
des Volkes Theil nehmen wollen. Nun freut der Bürger
sich doppelt, auch die Kinder seines Herrschers so nahe zu sehen:
alles drängt sich mit neuem Eifer um den stillstehenden Wagen."
Von 1780 bis 1793 war diese Volksfeierlichkeit im Aufsteigen
begriffen, dann ging der Schwerpunkt des Ganzen von den Buden
in die neuerrichteten prachtvollen Läden über. Es richteten sich
in den Straßen „Läden ein, die die theurern und gleichsam vornehmeren
Spielzeuge zur Schau stellten. Zuckerbäcker errichteten
in ihren Häusern anlockende Säle, in welchen man Landschaften
aus Zuckerteig, oder Dekorationen, später ganze lebensgroße mythologische
Figuren wie in Marmor ausgehauen, aus Zucker gebacken
sah. Ein prahlendes Bewußtsein, ein vornehm thuendes Ueberbieten
in anmaßlichen Kunstproduktionen zerstörte jene kindliche
Unbefangenheit, auch mußte Schwelgerei an die Stelle der Heiterkeit
und des Scherzes treten."
Weihnachten war ein volkstümliches Fest geworden, und
auch als die katholische Kirche, die sich die Feier aus den Händen
gleiten fühlte, die kirchliche Feier so gut wie ganz aufhob, fruchtete
das nichts, so daß sie später die besondere Festfeier wieder einführen
mußte. Durch eine Bulle des Papstes Benedikt XIV.
vom Jahre 1753 und durch einen Hirtenbrief des Erzbischofs
von Wien vom Jahre 1754 wurde der zweite und dritte Weihnachtsfeiertag
nebst den entsprechenden Oster- und Pfingsttagen
abgestellt. Am Morgen sollte man die Messe hören und dann
arbeiten dürfen. Indessen der Erlaß drang nicht durch. Auch in
den Habsburgischen Erblanden enthielten sich die Leute meist der
Arbeit.
Hie und da blieben die Weihnachtsumzüge noch bestehen,
aber immer mehr löste sich die Bescherung von ihnen los, auch
wo sie noch scheinbar als Schenkende auftraten. In seinen „Jüdischen
Merkwürdigkeiten", die um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts erschienen, erzählt Schudt aus Frankfurt a. M.:
„da am heiligen Christabend verkleydete Engel und Teuffel in
den Häussern umhergehen und fragen, ob auch die Kinder fleissig
beten und fromm sind; da sie dann niederknieen und weil sie
beten, so legen der Vater oder die Mutter das, was sie ihnen
verehren wollen, hinter sich auff einen Tisch und will sie dadurch
bereden, als ob Gott ihnen diese Sachen vom Himmel schicke."
Einen ganz ähnlichen Brauch berichtet das „Buch vom Aberglauben".
Mit dem noch immer volkstümlichen Umzug ist es
aber nicht einverstanden. Seine Voraussetzungen widerstreiten den
Dogmen: „Daß man den Kindern um diese Zeit Geschenke giebt,
ist an sich eine unschädliche Gewohnheit; daß man ihnen aber
sagt, der heil. Christ gebe es ihnen, daß man befiehlt, Tücher
auszubreiten, damit er darauf bescheren könne, daß man das Zusehen
verbietet, weil er ihnen die Augen ausbuhsten könne
- wer kann das billigen?"
Thatsächlich traten die Weihnachtsumzüge auch immer mehr
zurück. Es war bereits die Zeit, in welcher der Weihnachtsbaum
die Grenzen seines lokalen Daseins überschritten hatte und seine
Verbreitung über das deutsche Sprachgebiet begann. Goethe, der
in seinen Leiden des jungen Werther es allen empfindsamen
Leuten nahelegte, ihn zu üben, kannte selbst die Weihnachtsbescherung
aus seinem Vaterhause, liebte sie und schenkte selbst
gern zu Weihnachten. 1772 sandte er kurz vor dem Feste an
Kestner ein Packet, zu dem er schrieb: „Es ist Tamis für meine
zween kleine Buben zu Wamms und Pumphosen, sonst Maletot
genannt. Laßts ihnen den Abend vor Christtag bescheren, wie
sich's gehört. Stellt ihnen ein Wachsstöckgen dazu und küsst sie
von mir. . . . Hätt' ich bey euch seyn können, ich hätte wollen so
ein Fest Wachsstöcke illuminieren, dass es in den kleinen Köpfen
ein Wiederschein der Herrlichkeit des Himmels geglänzt hätte."
Als er nach Weimar kam, war die Bescherung dort ebenfalls
üblich, und auch aus seinem Elternhause erhielt er Weihnachtsgeschenke.
Frau Rath sandte ihm alljährlich Frankfurter Marzipan,
und er teilte davon regelmäßig Frau von Stein mit. So schrieb
er am 30. Dezember 1780: „Von meinem Frankfurter heiligen
Christ schick ich Ihnen einen Theil," und am 24. Dezember 1781:
„Ich muß Dir einen guten Morgen sagen und Dir ein Stück
Feiertagskuchen schicken, damit mein Verlangen, Dich zu sprechen,
nur einigermaßen befriedigt werde." Am 24. Dezember 1785
sandte er ihr dieselbe Gabe: „Hier was Du Fritzen zu seinem
heiligen Christe beilegen wirst. Erst wird bei der H(erzogin)
beschert und dann komme ich zu Dir." Nur selten verlebte er
das Fest selbst in Weimar; meistens zog er, sobald Schnee gefallen
war und es ihm weihnachtlich zu Mute wurde, zu Fuß
hinaus in die Berge. Poetisch ausgestaltet aber hat er nach jener
ersten Jugendskizze nie wieder einen Weihnachtsabend, so viele
schöne Weihnachten er auch erleben mochte, die ihn ergriffen, wie
das Weihnachtsfest 1796 bei Frau von Stein mit Christbaum,
Lichtern und Bescherung.
Die Leipziger Bescherung von 1785 kennen wir aus einer
gleichzeitigen Beschreibung: „In Familien, wo nach Leipziger
Sprachgebrauche ,der heilige Christ beschert', werden am heiligen
Abend so viel Tische, als Kinder und Hausgenossen da sind, mit
Spielsachen, Kleidern und anderen Geschenken aufgeputzt - vor
allem aber die Aepfel, Nüsse und eine Stolle nicht vergessen, denn
die drei letzten Artikel müssen nothwendig dabei sein, und wenn's
auch gleich beim ärmsten Handwerker wäre. Die Kinder müssen
vorher eine Rede halten oder ein Gedicht hersagen, ehe sie die
geschenkten Sachen in Besitz nehmen können. Dieses macht ihnen
gewöhnlich ihr Schulmeister oder in reichen Familien der Hof-
meister. Sie plappern es natürlich ohne allen Sinn und Ver-
stand her und sind herzlich froh, wenn es vorbei ist. Es ist
kaum anzunehmen, daß ein einziges Kind weiß, was es sagt,
indem sie das Augenmerk nur auf die Geschenke richten. Eine
besondere Rolle spielt dabei der Herr Papa oder ein Verwandter,
manchmal auch ein Dienstbote, als Knecht Ruprecht, auch
Popanz oder Popelmann genannt. Er tritt in einem großen
Pelze und sonst wunderlich angethan, mit einem großen Sacke
auf dem Rücken herein, läßt die Kinder beten, fragt, wie sie gefolgt
haben, und droht, die Sünder in seinen Sack zu stecken und
mitzunehmen. Endlich läßt er, auf die Fürbitte der Mutter, sich
doch bewegen, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Die Unfolgsamen
müssen ihm aber mit der Hand versprechen, sich zu bessern,
und dann wird der Knecht Ruprecht freundlich, öffnet den Sack
und beschenkt, als Zeichen der Versöhnung, die Kinder mit
Nüssen, Aepfeln und Zuckerzeug. Freilich kommt es auch oft
vor, daß die Kinder den Popelmann in seiner Verkleidung erkennen
und ihn, anstatt mit Angst und Furcht, mit lautem Jubel
begrüßen."
Die Bescherung, welche sich ehedem von dem Umzug losgelöst hat,
tritt wie in Kißlings Zittauer Bericht wieder mit ihm
in Beziehung, wenn auch nur hie und da. Während man im
Hause untereinander beschert, erscheint bisweilen noch eine vermummte
Gestalt.
Aus dem blühenden Busch der Weihnacht war schon seit zwei
Jahrhunderten der festlich geschmückte Tannenbaum geworden, da
erfuhr die Ausrüstung der Bescherungstafel für kurze Zeit und
in eng begrenzten Kreisen eine nicht unbedeutende Umbildung.
Während sonst in Berlin Weihnachtsbaum und Pyramide am
heiligen Abend friedlich nebeneinander flammten, brachten die französischen
Emigranten in die höheren Kreise Berlins die Sitte,
die Bescherungstafel mit allerhand Immergrün auszuschmücken -
auch einem Surrogat für die blühenden Zweige der, Weihnacht.
So erscheint der Bescherungstisch in Schleiermachers Gespräch „Die
Weihnachtsfeier" 1806:
„Wie man in einem Wintergarten zwischen den immergrünen
Stauden die kleinen Blüthen des Galanthus und der Viole noch
unter dem Schnee oder unter der schirmenden Decke des Mooses
hervorholen muß: so war Jedem sein Gebiet durch Epheu, Myrthen
und Amaranthen eingehegt, und das zierlichste lag unter
weißen Dekken oder bunten Tüchern verhüllt, indeß die größeren
Geschenke rund umher oder unter den Tafeln mußten aufgesucht
werden. Die Namenszeichen fanden sich mit eßbaren Kleinigkeiten
geschrieben auf den Dekken, und Jedem lag nun ob, zu den
einzelnen Gaben den Geber aufzufinden." Die Immergrünepisode
aber war nur kurz. Der volkstümliche Weihnachtsbaum als
Mittelpunkt der Bescherung schlug sie nur allzu schnell wieder
aus dem Felde.
In Hoffmanns Märchen Nußknacker und Mausekönig sitzen
die Kinder am Weihnachtsabend zusammengekauert in einem Winkel
des Hinterstübchens. Die tiefe Abenddämmerung ist eingebrochen,
und es wird ihnen recht schaurig zu Mute, als man ihnen kein
Licht bringt. Sie wispern heimlich miteinander, wie sie schon
seit früh morgens es haben in den verschlossenen Stuben rauschen
und rasseln und leise pochen hören. Auch sei ein kleiner dunkler
Mann mit einem großen Kasten unter dem Arm über den Flur
geschlichen. Unterdessen sind die Eltern beschäftigt mit dem Einbescheren.
Da streift ein heller Schein an der Wand hin. Die
Klingel tönt, die Thür springt auf. Glanz strahlt aus dem
Zimmer und die Kleinen bleiben wie erstarrt auf der Schwelle
stehen und schauen nach dem lichterglänzenden Weihnachtsbaume
und den Gaben unter ihm.
Auch wo die Umzüge noch bis zum Ausgang des achtzehnten
Jahrhunderts fortgelebt hatten, verschwinden sie jetzt. Die Erinnerung
an sie bleibt noch eine Zeit wach durch die Form, welche
die Bescherung annimmt, bis sie endlich doch in den großen Strom
der älteren Schicht der Bescherung einmündet und in ihm untergeht.
In Schleswig-Holstein vollzog sich in: Anfang unsers Jahrhunderts
die Bescherung noch folgendermaßen: „Jedes Kind borgte
sich vor dem Fest einen Teller oder eine Schüssel aus der Küche
und stellte dieselbe, wie in Nürnberg um 1700, im Zimmer oder
am Fenster hin; das hieß de Schöttel utsetten, nordfriesisch Skelk
(Schälchen), dänisch Julefad. Und am Weihnachtsabend, wenn
die Klingel die Kinder aus dem dunklen Vorgemach in das festlich
geschmückte Zimmer rief, da fand jedes, was ihm, wie es
hieß, das Christkind (Kindjes) gebracht hatte; auf dem Teller
lagen Kuchen, Früchte und Spielsachen, das Hauptstück aber war
ein mit scharfen (ungeränderten) Courantschillingen oder mit großen
kupfernen Sechslingen gespickter Apfel. Als Beigabe lag wohl
eine Rute daneben; als höchste Strafe aber galt es, wenn die
Schüssel leer geblieben war. Hie und da auf dem Lande stellten
dort die Kinder 1865 den „Teller für das Kindchen" erst am
Weihnachtsabend beim Zubettegehen vor das Fenster; denn das
Christkind nahm in der Nacht eine Scheibe aus, um seine Gabe
hineinzulegen, und am Weihnachtsmorgen zeigte es sich, ob
„Kindjes" dagewesen war.
In Böhmen war 1862 von den Umzügen nur noch eine
mit Goldpapier beklebte Hand übrig geblieben. Sie warf damals
die Weihnachtsgeschenke durch einen Thürspalt ins Zimmer. Eine
Rute, Erbsen oder ein Stück Brot waren dabei Zeichen, daß eins
der Kinder nicht folgsam gewesen war. Auch stellten die Kinder
abends jedes einen Teller in die Kammer, auf die dann das
Christkind die Gaben in der Nacht niederlegte.
Mit dem Aufschwung der Dogmenreligion in den ersten
Jahrzehnten unsers Jahrhunderts dringt neue kirchliche Religiosität
in die Weihnachtsfeier ein an Stelle der immer mehr verblassenden
volkstümlichen Religionsübung der Weihnachtsumzüge. Hier und
da klammert sie sich an die Krippe, die namentlich in katholischen
Gegenden ebenfalls einen neuen Aufschwung nimmt, indem das
fortgeschrittene Kunsthandwerk und der größere Reichtum in ihren
Dienst treten. Anderorts wird die Geburtssage der Evangelien
zur Bescherung hergesagt, oder es tönt der Choral:
„Stille Nacht, heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht
Nur das traute hochheilige Paar.
Holder Knabe im lockigen Haar,
Schlaf in himmlischer Ruh!" -
Auch kindlichere Gesänge werden populär. Auch die Kleinen,
die noch kaum reden können, singen mit das Lied W. Heys:
„Alle Jahre wieder
Kommt das Christuskind
Auf die Erde nieder,
Wo wir Menschen sind.
Kehrt mit seinem Segen
Ein in jedes Haus,
Geht auf allen Wegen
Mit uns ein und aus.
Ist auch mir zur Seite
Still und unerkannt.
Daß es treu mich leite
An der lieben Hand." -
Aber auf protestantischem Boden wenigstens ist es nur eine
flüchtige Episode. Die freiere Religiosität, welche sich vorbereitet,
mag wohl noch die Melodie, aber sie meidet die Worte. Das
feierliche alte Wesen sinkt, Leben und Bewegung kommt in die
Massen, und der kindlichen Lustigkeit, die einst schulmeisterlicher
Ernst nur zu gern beschnitt, läßt man jetzt gerne freien Lauf.
Nicht mehr kleine Herrn und Damen, nach französischem Muster
wohl frisiert, will man haben, sondern muntere Kinder. Das
Bemühen, ihrer Fröhlichkeit Ausdruck zu verleihen im Worte, im
Verse, schafft zwar nur erst Geschraubtes, aber auch das erkennen
Kinder dankbar an. Um den Bescherungstisch schließen Kinderhände
einen Kreis. Kinderfüße tanzen und der Kindermund singt:
Morgen, Kinder, wird's was geben,
Morgen werden wir uns freu'n!
Welch ein Jubel, welch ein Leben,
Wird in unserm Hause sein.
Einmal werden wir noch wach,
Heisa, dann ist Weihnachtstag!
Wie wird dann die Stube glänzen
Von der großen Lichterzahl!
Schöner als bei frohen Tänzen
Ein geschmückter Kronensaal!
Wißt ihr noch, wie vor'ges Jahr
Es am heil'gen Abend war?
Wißt ihr noch mein Räderpferdchen,
Malchens nette Schäferin,
Jettchens Küche mit dem Herdchen
Und dem blank geputzten Zinn,
Heinrichs bunten Harlekin
Mit der gelben Violin?
Wißt ihr noch den großen Wagen
Und die schöne Jagd von Blei,
Unsere Kleiderchen zum Tragen
Und die viele Näscherei,
Meinen fleiß'gen Sägemann
Mit der Kugel unten dran?
Welch ein schöner Tag ist morgen!
Neue Freude hoffen wir.
Unsre guten Eltern sorgen
Lange, lange schon dafür.
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Nein, ihr Schwestern und ihr Brüder,
Laßt uns ihnen dankbar sein
Und den guten Eltern wieder
Unsre ganze Liebe weihn!
O gewiß, wer sie nicht ehrt,
Ist der ganzen Lust nicht wert.
Laßt uns nicht bei den Geschenken
Neidisch aufeinander sehn.
Sondern bei den Sachen denken.
Wie erhalten wir sie schön,
Daß uns ihre Niedlichkeit
Lange noch nachher erfreut.
Auch der letzte Rest mythologischer Weltanschauung ist von
der Weihnachtsfeier abgestreift. In dem Weihnachtsbaum, der
sich über das gesamte deutsche Sprachgebiet, ja über dessen Grenzen
hinaus verbreitet, erhält die Gegenwartsfeier ihren Mittelpunkt.
Er ist nicht ihr Symbol, denn sie braucht keines, sondern er ist
der Leuchter, an dem ihre Lichter glänzen, der Träger, an dem
ihre Gaben hängen. Aus der Erinnerungsfeier an eine einmalige
Begebenheit ist eine Gegenwartsfeier geworden, das Fest der
Kinder, das Fest der aufwachsenden Generation, das Fest der
Zukunft.
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