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Die Geschichte der Deutschen Weihnacht
Kapitel VI
Volkstümlicher Weihnachtsglaube
Während mit der Vernichtung der alten deutschen Winteranfangsfestzeit
durch die christliche Religion Martinstag und
Nikolaustag deren Erbe als Umzugstage, Schlachttage, Zweigtage
und Kinderbeschenktage angetreten haben, ist auf den letzten November,
den Heiligentag, der einem römischen Monatsanfang am
nächsten lag und zugleich zwischen jene beiden Miterben fiel, aller
Jahresanfangsglaube übergegangen. Obgleich durch keinerlei offizielle
Bedeutung geschützt, hat sich der Andreastag als alter Jahresanfangstag
bis ins neunzehnte Jahrhundert behauptet; noch im
neunzehnten Jahrhundert sind an ihm hundertfältig Losspiele gespielt
worden, aus deren Ergebnis man Aufschluß über die Ereignisse
des Lebens im neu beginnenden Jahre zu gewinnen hoffte.
Wie aller wirkliche und echte Volksglaube und Brauch beschäftigen
sich diese Losspiele mit den beiden großen Fragen, die es in
jedem einzelnen Menschenleben gibt und auch schon in den Zeiten
eines absolut noch indifferenzierten typischen Geisteslebens gegeben
hat, mit dem Erfolg des Wettbewerbs um die Daseinsmittel und
dem Finden einer passenden Ehehälfte. Das Vorwärtskommen an
Besitz und die Vereinigung mit einem Ehegenossen, der Neigung
und Denken in gleicher Weise befriedigt, sind die beiden größten
Glücksfälle im einfachen Dasein. Um sie dreht sich auch das
primitive Denken in ununterbrochenem Kreise. Alles andere
kommt erst in späteren Jahrhunderten und auch dann erst, nachdem
jenen beiden ursprünglichen Trieben genügt ist. Erst das
Christentum hat den Deutschen gelehrt, diese beiden Hauptdaseinsfragen
geringer zu achten, es hat das Sich-Mühen und Sehnen
zur Befriedigung der ureigensten Bedürfnisse als etwas Verwerfliches
hingestellt, das Wort Egoismus zu einer Art Schandpfahl
gestempelt. Den Kern und Nerv alles Lebens, den Trieb, sich
im Wettbewerb zu behaupten, hat es aber trotzdem nicht auszurotten
vermocht, und nachdem ein Jahrtausend ins Land gegangen ist,
stehen diese Dinge gerade noch so sehr im Brennpunkte des
Interesses wie ehedem, nur durch die fortschreitende Kultur reich,
unendlich reich individuell differenziert und naher mit den Interessen
der Gesamtheit verknüpft als ehedem. Das Landvolk aber
spielt an St. Andreasabend noch weiter seine alten Losspiele und
nur ganz wenigen Zügen ist es gelungen, sich zur Lösung von
Fragen zu machen, die da gestellt werden.
Um das Gewerbe des künftigen Gatten zu erkunden, gießt
man am Andreasabend Blei durch einen Erbschlüssel in kaltes
Wasser, oder schlägt das Weiße eines Eies hinein. Um zu wissen,
wer von Bekannten sich heiraten wird, setzt man schwimmende
Nußschalen auf Wasser; diejenigen, deren Schalen sich Bord an
Bord legen, werden Gatten. Die Mädchen kleiden sich aus,
sprechen einen Spruch, und ihr kommender Gatte muß ihnen
erscheinen. Trinkt er von dem hingestellten Wein, ist er reich,
trinkt er vom Wasser, arm. Zieht man ein gerades Scheit aus
dem Holzhaufen, ist der künftige Gatte schlank, zieht man ein
krummes, ist er bucklig. In Brunnen und Quellen sieht man in
der Andreasnacht das Bild des künftigen Gatten; wenn man
Hering ißt und dann träumt, jemand stille einem den Durst, so
heiratet man diesen. Zu dem gleichen Zwecke, daß der Künftige
sich im Traume zeige, legt man einen halben Apfel unter das
Kopfkissen, nachdem man die andere Hälfte gegessen. Schüttelt
man den Erbzaun, so bellt in der Gegend, wohin man heiratet, ein
Hund. Zählt man Späne, und die Zahl ist gerade, bekommt man
einen Junggesellen, ist sie ungerade, einen Witwer. - Kein besonderer
Apparat ist dazu notwendig. Eine Schüssel mit Wasser,
ein Ei, ein Holzscheit, ein Zaun, ein paar Späne sind die gesamten
Losmittel. Blei ist noch das Kostbarste unter ihnen.
Als an die Stelle des alten Jahresanfangs zu Wintersanfang
der Jahresanfang an den Januarkalenden trat, mußte
notwendigerweise auch dieser Losspielbrauch auf ihren Vorabend
wandern. Das ist denn auch früh geschehen. Als dann die
christliche Kirche seit dem neunten Jahrhundert das Jahr mit
ihrem Jesusgeburtsfest begann, und dieses im Laufe der folgenden
fünf Jahrhunderte über die Kalendenfeier emporstieg, da konnte
das Januarkalendenfest solchen Losglauben bereits an das Jesusgeburtsfest
abgeben. Indem sich so volkstümlicher Glaube auf
ihm sammelte, entstand die deutsche Weihnacht. Vom Andreastag
rückten dann andre Losspiele nach. Diese Wanderung vollzog sich
jedoch ganz außerordentlich langsam, und die Bräuche, die sich nach
Weihnachten übertrugen, blieben trotzdem zum großen Teil auch noch
am Andreastag haften. Aus dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert
kennen wir weihnachtliche Losspiele so gut wie gar nicht.
Um 1400, zu des Presbyter Alsso Zeiten, war bereits ein Apfellosspiel
auf Weihnachten gerückt, das aber seinen Ursprung als
Jahresanfangsspiel noch deutlich zeigte. , Man schnitt Aepfel auf
und weissagte aus dem, was der Schnitt zeigte, Glück und Unglück
des kommenden Jahres. Fast zweihundert Jahre später,
kurz vor 1600, fanden sich schon ein paar Spiele mehr auf Weihnachtsabend.
Der protestantische Pfarrer Strigenitz gibt eine
kurze Nachricht darüber: „Die Stroh-Seile an den Bäumen in
Gärten, die Todten-Köpffe auf den Zäunen und im Kuhe-Stalle,
S. Stephans-Tag und die Walburgis-Nacht verrathen manches.
Es ist aber dieses noch lange nicht alles. Was vor Abergläubische
Händel werden nur in der heiligen Christ-Nacht begangen?
Da gießt man zerlassen Zinn oder Bley ins Wasser, man setzt
Saltzhäuffgen, man greifft nach Haaren, man wirfst den Schuh,
sogar hat der Teuffel sein Werck in den Kindern des Unglaubens
(Aberglaubens) auch zu solcher heiligen Zeit, da man viel andere
Gedancken haben solte." Als Trägerin des geistigen Fortschritts
in dieser Zeit verbot die Staatsgewalt zu Anfang des siebzehnten
Jahrhunderts diese Losspiele. In einem Landgebot des Herzogs
Maximilian von Bayern vom 12. Februar 1611 heißt es unter
No. 7: „Nit weniger ist auff diejenige acht zu geben, welche an
s. Andreas, s. Thomas und der h. christnacht, oder andern dergleichen
nächten schädliche superstitiones, das ist aberglaubische
sträfliche wort oder werk gebrauchen, verborgene haimbliche und
künfftige ding, ires standts, verheuratung und anders halben zu
erfahren, ob sie nit solches in deß bösen geists namen thun und
verrichten, wie vor disem wol exempla fürkummen. was aber
ohn anruffung deß bösen feindts beschicht, davon soll hernach mit
andern aberglauben gedacht werden." Eine wirkliche reiche Liste
aber geben erst die Saturnalia des Prätorius. „In der Christnacht,"
meint er, „muß man allerhand Gauckeley vornehmen, damit
man tanquam ex oraculo allerhand künftige Dinge erfahre.
Am Christ-Abend soll man für 3 Heller Semmel kauffen, solche
in 3 Bissen eintheilen, und durch 3 Gassen es verzehren, in einer
jedweden Gasse ein stücke. Drauf wird es geschehen, daß man
in der dritten seine Liebste sieht, die einem begegnen wird. In
der Christnacht kan der Liebster seine Liebste beschweren, daß sie
sich präsentiren muß. Mitten in der Christnacht gehen auch die
Laßdünkel und lüstern Knechte und Mägde zum Scheiter oder
Holtzhauffen hin, ziehen ein Scheit heraus, und betrachten solches
ob es krum oder gleich sey, denn nach befunden der Beschaffenheit
sol ihr Liebster geartet seyn. Weiterhin kann man zu Weihnachten
,sein Glücke prüfen', seinen ,Lebens Ort oder Sitz erfahren',
erfahren, ob man bald zu heyrahten komme und Träume
von seinen liebsten bekommen."
Der Frau Berchtentisch, den der Merkzettel aus dem Kloster
Scheyern und der Bericht des Presbyter Alsso schon auf Weihnachten
verschoben zeigen, trat im siebzehnten Jahrhundert, nachdem
die besuchende Gottheit lokal zurückgetreten war, in den
Dienst der Liebesweissagung, wenn das nicht schon früher zu
seiner Bedeutung gehörte. Wie Alsso erzählt, daß man Brote
und Messer auf den Tisch legt, so auch Prätorius in seinen Saturnalia.
Die Kirche bekämpfte diesen Glauben, indem sie schreckliche
Sagen erzählte, wie übel diese Dinge abgelaufen seien. Ein
andres Mittel dagegen besaß sie ja nicht, da sie noch bis tief ins
achtzehnte Jahrhundert hinein an die wirkliche Zauberkraft solcher
Formeln und Bräuche glaubte.
„In der Christnacht kan der Liebster seine Liebste beschweren,
daß sie sich präsentiren muß.
„Es soll dieses zu Salfeld in Thüringen geschehen seyn,
daß eine Schlösserinne ihren Schreiber lieb gewonnen: derentwegen
sie ihn auch in der Christnacht zu sehen begehret; hatte
also ein frisch Brod vorher backen lassen, und mitten in der
Christnacht solches genommen, und zwey Messer creutzweise hineingestecket,
nebenst noch etlichen Wörtern, so sie darbey gemurmelt.
Drauff soll der Schreiber nackigt zur Stube hinein gesprungen
seyn und sich bey ihr am Tische niedergesetzet, auch sie scharff
angesehen haben. Drauff sie auffgestanden und davon gesprungen.
Er aber hatte die beyden Messer außm Brode herauß gezogen,
und solche hinter sie hergeworffen, daß sie davon sehr möchte verletzet
geworden seyn: Drüber die Muhme (so auch in der Stube
bey solchem Teufflischen Vornehmen gewesen) erschrocken, daß sie
etliche Wochen kranck darnieder gelegen. Der Schreiber aber soll
den andern Tag drauff zu denen Haußleuten gesaget haben: Er
möchte es gerne wissen, was für eine Frau ihn in verwichener
Nacht so geängstet hette. Er wehre so abgemattet, daß er es
nicht sagen könte. Er hette sollen mit fort kommen, und hette
sich nicht gnugsam können erwehren: Er hette auch mögen bethen
was er gewolt; so wehre er getrieben worden.
„Diese Geschichte erzehlete mir eine alte Frau daher: welche
auch noch hinzuthäte, daß etliche Edel Jungfern zu Coburg von
neunerley Essen was aufgehoben, und solches in der Mitternacht
hervor gesuchet, auch sich darbey zu Tische nieder gesetzet hetten
(wie vor erzehlet), drauff solten ihre Liebsten alle gekommen seyn,
Messer mitgebracht haben, und sich zu einer jedweden niedersetzen
wollen: drüber sie aber erschrocken, und davon gelauffen, drauff
der eine Geist sein Messer hinter sie her geworffen, welche sich
ümme gesehen, das Gesichte angeschauet, und das Messer aufgehaben;
etc. Weiter soll auch der Todt nebenst solchen Liebsten
oder eingeladenen Buhlern leibhaftig gekommen seyn, und sein
Stundenglaß bey einer niedergesetzet haben; die das Jahr über
auch gestorben ist." -
„Mann kan sein Glücke in Weynachten prüfen.
„Andere abergläubische Bälge nehmen ein Gefäß mit Wasser
und messen solches mit einer gewissen kleinen Mass, in ein ander
Gefäß: und solches zwar mitten in der Christnacht. Sie thun
dieses vermessene messen aber etliche mahl, und sehen darbey zu,
ob sie in denen wiederholeten Bemessungen mehr Wasser antreffen,
als zu erst; so schliessen sie draus, daß sie das folgende Jahr
über werden zunehmen an Haab und Gütern. Befinden sie
einerley Maß, so glauben sie einen Stillestand des Glückes
(quae tamen Fortuna alias in sua inconstantia semper constans
manet); da sie wider Glück noch Unglück haben werden.
Befindet sich aber weniger Wasser in denen letztern Prüffungen;
so schließen sie draus, daß sie viel oder wenig Zurückegang des
guten Wohlergehens oder Gedeiens haben werden. Dieses hörete
ich von einer alten Salfeldischen Frauen, welcher das mittelste
einmahl zu Händen gekommen." -
„Die Abergläubischen können ihren Lebens Ort oder Sitz in
Weynachten erfahren.
„Etliche nehmen einen Erbschlüssel und einen Kneul Zwirn,
binden solchen Zwirn faste an den Schlüssel, so bewinden sie auch
das Knaul, damit es nicht weiter ablauste, als sie es vorher haben
ablauffen lassen: sie lassen es aber bey ein Elen oder 6 loß,
und hängen; weiter stecken sie solches Gebäumel zum Fenster
hinaus, und bewegen es, von einer Seiten zur andern, an denen
äuserlichen Wänden, und sprechen dabey. Horch, horch! So sollen
sie von derselbigen Gegend, Seiten oder Orte, eine Stimme vernehmen,
dahin sie werden zu freyen und zu wohnen kommen.
Dieses sagte mir eine alte gewesene Soldatens Fraue, welche es
selber in der vorwitzigen Jugend practiciret. Da sie eine greuliche
Stimme und Knall vernommen hette, wie eine Carthaune
oder Stücke loß ginge: solches hette ihr Krieges Wesen bedeutet,
darunter sie hätte kommen sollen, wie sie es auslegete. Sie
wehre aber darüber so erschrocken, daß sie domalen das Knaul
mitsampt dem Schlüssel hette fahren und fallenlassen: wehre ins
Bette gekrochen und hette den Verlust erstlich auff den andern
folgenden morgen wieder gesuchet." -
„Noch andere gottlose Leute erkundigen ihre künfftige Liebhaber also:
„Nemblich sie schneiden neunerley Holtz an dem Tage, so
vor dem Weynachtabend vorhergehet, ab: davon machen sie in der
Mitternacht ein Feuer in einem Gemache oder Stuben, aber gantz
nackigt also, daß sie ihre Hemden vorher zum Gemache hinaus
werffen vor die Thüre, und drauff bey dem Feuer sitzend sprechen:
Hier sitze ich splitter fase nackigt und bloß; wenn doch mein liebster
kähme, und würffe mir mein Hemde in den Schoß.
„Solches sollen zu Coburg etliche Mägdigen getrieben haben:
deren die eine davon ihr Hembde entzeln und besondern zur Thür
hinaus gemorffen gehabt: welches ihr also hernach war richtig
wieder hinein geworffen worden: da sie denn auch das Gesichte
gemercket, welches hernach mit deme übereingekommen, den sie zu
freyen bekommen. Die andern Struntzen hatten aber ihre Hembden
alle über einen Klumpff zusammen gewickelt gehabt, und also
zur Thür hinaus geworffen: derentwegen hatten sich gleichsam
die Geister nicht drinnen finden können; sondern einen grossen
Tumult und Gepolter darüber angefangen dergestalt, daß den
Mägdigen drinnen gegrauset, und flugs ihr Feuer ausgegossen
und sich zu Bette verkrochen haben bis früe, da ihre Hemden vor
der Thüre in etliche tausend kleine Stücklein zerrissen gewesen." -
„Man kan erfahren in Weynachten, ob man bald zu heyrahten
komme.
„Hieher gehöret folgende abergläubische Fratze. Andere nehmen
4. Zwibbeln, und stellen solche in die 4. Winckel der Stube,
eine hie, die ander dahin, und benennen bey einer jedweden eines
Persohnen Nahme, darzu sie Hoffnung haben, und also der Liebhaber
4. Darauff lassen sie solche stehen biß auff heilige drey
Könige: Ist keine davon ausgeschlagen, so wird von der Heyrath
oder denen gedachten Persohnen nichts werden, welche Zwibel
aber keimet, dessen Nahme so sie dabey gesprochen, wird der
Bräutgam haben, den sie bekommen sollen." -
„In Weynachten kan man Träume von seinen liebsten bekommen.
Etliche kauffen frühe, des Tages für dem heiligen Abend,
für ein Pfennig Semmel, und zwar das letzte Stößgen, das
auff einem End zu ist. Weiter schneiden sie ein bißgen Rinde
unten herunter, und binden es untern rechten Arm, und gehen
fleissig den gantzen Tag damit herumb. Hernach so sie schlaffen
gehen, legen sie es unter dem Kopf in der Christnacht und sprechen
dabey. Jetzt habe ich mich gelegt und Brot bey mir, wenn doch
nu mein feines Lieb kehme und esse mit mir. Drüber sol es
geschehen, daß zur Mitternacht von solcher Semmelrinde was
genagt werde: Draus jener früh morgens erkennen kan, daß er
oder sie das Jahr über heyrathen werde. Ist es aber unverletzt
gelassen, so haben sie schlechte Hoffnung darzu. Also sol es sich
begeben haben, daß da ihrer zwey bey einander in einem Bette
geschlaffen, und die eine auch solches Brodt unter sich gehabt,
ein greuliches wesen erhöret worben, welches sie vermercket. Die
ander Persohn aber, so das Brodt unter sich gehabt, war nichts
in festen Schlaff davon wahr geworden, drauff diese jene Träumerin
gerüttelt und geschüttelt biß sie erwachet. Darnach es
geschehen daß sie das Brodt früh besichtiget,, da sol ein Creutz
hinein gefressen gewesen seyn, welches einer Weibspersohne allhier
in Leipsig etwan Anno 1657. also wiederfahren, wie ich es
erzehlet, die hernach einen Soldaten bald darauff bekommen. Sie
soll aber mitten in der Nacht, da der Teuffel sein Spiel mit sie
gehabt, für Angst das Brodt unter dem Kopffe weggerissen gehabt
und haben uweit von sich geworffen." -
Am Ende des siebzehnten und am Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts lebte zu Pretzschendorf in der Ephorie Dippoldiswalde
in Sachsen der Pfarrer Johann Samuel Adami. Er besaß
eine stattliche Bücherei und war ein ehrsamer, wohlgelahrter
Herr, der sich einer ungemeinen Belesenheit und einer noch
erstaunlicheren schriftstellerischen Fruchtbarkeit erfreute. Im fünften
Bande seiner Deliciae biblicae oder „Biblischen Ergetzlichkeiten",
die seit 1694 erschienen, berichtet er uns über Weihnachten. Er
war keineswegs nur Bücherwurm, sondern hatte sich auch vielerorts
mit eigenen Augen recht gründlich umgesehen und kannte
die abergläubischen Meinungen und Bräuche seiner Beichtkinder
nur allzu genau. An einer andern Stelle desselben Werkes gibt
er ein förmliches Verzeichnis davon. „Was in der Nacht der
Geburth des Herrn Christi vor Aberglauben vorgehet, wolte ich
nicht gern diesen heiligen Ort damit besudeln, und mehr ein Gelächter
als Andacht erwecken; Gleichwohl aber nur etwas zu gedencken,
so ist bekant, wie das Abergläubische Volck am heiligen
Christ Abende, wenn ein Licht angezündet, und in die Stuben
gebracht wird, nach ihrem Schatten sehen, ob sie den Kopff noch
haben, oder nicht, und daher von ihren Leben und Tode urtheilen.
Wenn sie Saltzhauffen setzen, korn messen, Eier ins Wasser schlagen,
und daher erkundigen wollen, ob sie sich einer Kranckheit zu befahren
oder nicht, ob sie reich, ein kleines oder großes Haus
bekommen werden. Wenn sie vor den schweinställen kehren und
mit den Ohren dafür hören wollen, was für einen Handwercks
Mann sie bekommen sollen. Wenn sie in den Stuben Winckeln
hinterwärts Haare suchen, und aus denselben schließen wollen,
ob sie einen mit gelben oder schwartzen Haaren bekommen
möchten. Wenn sie einen Schwerdt-Dreyer, oder
Creutz-Drey-Hellers-Pfennig
aufs die große Zehen binden, sich auff den Kirch-Weg
setzen, und unter den Leuten, so in die Früh Metten gehen,
ihren Buhlen erblicken wollen. Wenn sie, Scheit-Holtz aus den
Klafftern ziehen, um zuerfahren, ob sie einen krummen oder
geraden bekommen möchten. Wenn sie den Schuch über sich
werffen, ob sie dieses Jahr aus dem Hause weg ziehen, oder
sterben werden."
Eine noch umfangreichere Liste gibt die „Gestriegelte
Rocken-Philospphia" ganz wenig später, und sie weiß wie Prätorius
ausführlich zu berichten, wie schlecht solches Erkunden der Zukunft
abgelaufen.
„Wenn eine Jungfer will wissen, was sie vor einen Mann
bekomme, die soll am Christ H. Abend einen Pfefferkuchen unbehandelt
kauffen, eine Leiter draus schneiden, und dieselbe nebst
einem Schwerdt-Pfennig auf die grosse Zähe binden, und sich
ohne gebetet niederlegen, so wird er ihr vor dem Bett erscheinen,
oder früh, wenn sie in die Metten gehet, begegnen." Ein
Mädchen, das es versuchte, hatte die ganze Nacht „eine unglaubliche
Angst", „indem die gantze Nacht ihr Bett mit lauter bösen
Geistern, die sie geängstiget hätten, umgeben gewesen."
„Am Christ- oder Weyhnacht-Heiligen Abend soll man das
Licht nicht lassen auslöschen, es muß sonst eines im Hause sterben".
„So offt der Hahn in der Christnacht krähet, so theuer
wird selbiges Jahr ein Viertel Korn."
„Wessen Schatten auf den Weyhnacht Heil. Abend, bey eingebrachten
Lichte, keinen Kopff hat, der stirbe in selbigen Jahre."
Der kritische Berichterstatter über diesen Glauben aus dem Jahre
1709 fügt höhnend hinzu: „Das glaube ich. Und wer ohne
Kopff zu Bette gehet, der ist der Teuffels". „Wenn am heiligen
Weyhnacht-Abend ein Reiffen von einem Geväß springet, so stirbt
das Jahr eines aus dem Hause."
„Wenn eine ledige Weibs-Person in der Christ-Nacht heisses
Bley ins Wasser giesset, bekömmt es die Gestalt als wie das
Handwercks-Geräthe dessen der sie heyrathen wird. Wenn eine
Dienst-Magd gern wissen will, ob sie länger bey ihrem Herrn
in Dienst bleiben oder abziehen werde, soll sie auff den Weynacht
Heiligen-Abend den Schuch werffen. Wenn eine Jungfer oder
Magd will wissen, was ihr künfftiger Liebster vor Haare hat, die
greiffe in der Christ-Nacht rücklings zur Stuben-Thür hienaus,
so bekömmt sie solche Haare in der Hand."
Vierzig Jahre, ja weniger, früher suchte man die Leute von
solchen Losspielen abzuhalten, indem man diese für sehr gefährlich
ausgab. Die Stellung der Zeit zu ihnen hat sich aber rasch
geändert. Jetzt gelten sie nicht mehr für anständig. Seit dem
siebzehnten Jahrhundert beginnt es als ein sträflicher Wunsch zu
gelten, wenn ein Mädchen sich einen Mann wünscht. Das ist
schnöde Sinnlichkeit, und Sinnlichkeit ist Sünde. Der Verfasser
des Rocken-Philosophie hielt es darum durchaus nicht mehr für die
Sache einer ehrbaren Jungfrau, folche Dinge zu unternehmen.
In der Christ-Nacht nicht recht schlaffen,
Und aus Geilheit Haare raffen,
Macht, daß manche wird veracht.
Solt' ich eine Jungfrau suchen,
Würd' ich einer solchen fluchen.
Die dergleichen hatt' vollbracht.
Drum, die nicht will Hure heissen,
Mag sich nicht solch Ding befleissen.
Dadurch sie kömmt in Verdacht.
„Wenn eine Jungfrau wissen will, ob sie in einem Jahre
einen Mann kriegen werde, soll sie am Weyhnachtheiligen Abend,
oder in der Mitternacht an das Hüner Hauß klopffen und sagen;
Gackert der Hahn,
So krieg ich einen Mann,
gackert die Henn,
so krieg ich kenn.
„Wenn eine ledige Dirne will wissen, ob ihr Liebster werde
gerade oder krumm seyn, die soll am Weyhnacht Heiligen Abend
an eine Klaffter oder einem Stoß Holtz treten, und rücklings ein
Scheit ausziehen, wie das Scheit ist, also wird auch der Liebste
seyn."
Die magischen Neigungen der Zeit, welche in den Teufelsbeschwörungen
des Doktor Faust einen litterarischen Mittelpunkt
erhalten hatten, wirken auch auf das Erkunden der Zukunft in
der Christnacht ein und malen es ganz im Sinne der Beschwörungsscenen
aus.
„Wenn man den Christ-Heil. Abend nauß auf die Winter
Saat gehet usw. so höret man, was das gantze Jahr im Dorffe
geschicht. Es giebt - so erzählt ebenfalls Schmidt 1722 in
seiner Gestriegelten Rocken-Philosophie - auf einigen Dörffern
solche alte Bösewichte unter den Bauern, welche diese Zauber-Kunst
alle Jahr practiciren, und geben vor, ob könten sie alles
und iedes hören, was das gantze Jahr in selben Dorffe und
selbiger Gegend vorgehen werde, zum Exempel: wenn Durchmarsche
kommen, so hörten sie von der Gegend her, wo der Anmarsch
kommen solte, Trommeln; so es aber Reuter wären, hörte
man das Trappen und Wihern der Pferde, sammt Trompeten
und Baucken. Wenn Brannt entstehen werde, hörte man das
Feuer blatzen; so böse Seichen entstünden, hörte man die Leichen
zu Grabe singen, sie könten alle Häuser, als welchen iemand
sterben würde, auch die Personen, die sterben würden, sehen;
geben auch dabey vor: es sey nichts böses, und gehe nichts unverantwortliches
dabey vor. Wie mir denn nur neulich eine
wahrhaffte Person erzehlet hat, daß ein gewisser Bauer auf einem
bekannten Dorffe diese Kunst gar wohl verstanden hätte, und
solche ohne Scheu practiciret, worüber aber der Priester selbiges
Orts gewaltig geeiffert hatte, auch den Bauer nicht in der Beichte
wollen absolviren, biß er angelobte, solche Zauberey nicht mehr
zu treiben; der Bauer wär aber drauf bestanden, es wär nichts
böses, und damit es der Priester desto eher glauben möchte, so
solte er selbst mit hinaus gehen, und alles selbst erfahren; dieses
hätte der Priester gethan, wie aber der Bauer aufs Feld kommen,
hätte er zuerst einen Kreiß um sich gemacht, und hätte dem
Pfarr gewinckt, daß er auch hinein treten möchte, (denn es hat
keines dürffen reden) der Pfarrer aber hätte nicht gewolt, ob
sich gleich der Bauer des wegen gar ungeberdig gestellet, ehe
sichs aber der Priester versehen, sey ihm eine so derbe Ohrfeige
an Kopff geflogen kommen, daß er hernach gar gern mit in
Circul getreten sey. Da er denn die Sache alles befunden, wie
der Bauer vorher gesagt gehabt. Jedoch hätte er gesagt, daß
er diese curiosität nicht mehr mit ansehen möchte."
Auch der Pfarrer Hilscher kennt zahlreiche Losspiele der
Weihnacht: „Bey etlichen ist die Absicht, daß man hiedurch zukunfftige
Dinge von seinem Zustande, von der Witterung, Fruchtbarkeit
des Jahres, Glück, und Unglücke, Leben und Sterben, zu
erfahren gedencket, als die Observation der 12. Nächte, das
Schuhwerffen, die inwendige Beschaffenheit der ersten
Nuß, das springen des Reiffens an einem Gefäß, die
Wahrnehmung seines Schattens, das Heulen der
Hunde, das Bleygiessen, das Saltzhäufgen-setzen, und
was des Dinges mehr ist. Sonderlich aber pflegen die Mannsüchtigen
Metzen, und andere leichtfertige Weibes-Personen tausenderley
lose Händel vorzunehmen, um vorhero zu wissen, ob sie künfftiges
Jahr heyrathen würden oder nicht? Wie der Freyer aussehen?
Was vor einer Profession er seyn werde? usw. Dazu
gebrauchen sie sich des citirens ihnen zu erscheinen, greiffen zur
Thüre hinaus, horchen in die Blase, klopfen an die Hühner-Horde,
ziehen ein Scheit aus dem Holtze, giessen Wachs und
Bley etc."
Von den zur Bekämpfung des Weihnachtsglaubens erfundenen
abschreckenden Geschichten führt auch Hilscher eine ganze
Reihe an. „Einige leichtfertige Pürschgen nahmen in der Christ-Nacht
allerley vorwitzige Händel für, es überfiel sie aber dabey
ein solches Schrecken, daß ihrer zwey davon die Zeit ihres Lebens
dasselbige nicht verwinden können. Eine Magd wolte durch das
Schuh-werffen künfftige Dinge erfahren. Wie sie nun denselbigen
über den Kopfs hinweg schleuderte, verwundete sie sich mit dem
in Busen habenden Messer dermassen, daß sie alsobald todt bliebe.
Jene Jungfer gieng zu eben der Zeit ein Scheit Holtz aus zu
ziehen in den Hof. Indem begegnete ihr etwas, darüber sie
kranck wurde, und ihre Vermählung mit dem Tode halten muste...
Ich will noch eines hinzufügen. Drey fürwitzige Dirnen, hätten
gerne gewust, was sie vor Freyer kriegen würden? Setzten sich
derowegen mit den darben gewöhnlichen Ceremonien in der Christ-Nacht
zusammen an einen gedeckten Tisch, und luden mit gewissen
Worten ihre Liebsten ein, daß sie kommen, und ihnen zu ihrer
Mahlzeit ein Messer bringen solten. Als die erste dieses that,
trat eine wohlgekleidete Person zur Thüre herein, ging um den
Tisch herum, und warff ihr mit einer unangenehmen Mine das
begehrte Messer zu. Die andere machte es auch so. Da kam
wiederum einer hinein, der aber im Vorübergehen seinen Schatz
nicht einmal ansähe, und sich hierauf verlohr. Wie nun die
Reihe an die dritte kam, erhub sich ein fürchterliches Getöse,
darauf zwey schwartze Männer eine Todten-Bahre vor dem Tische
niedersetzten, den Deckel von dem Sarge aufhuben, und ihnen
darinnen eben dasselbe Mensch, als eine angeputzte Leiche darstelleten.
Was geschahe? Diese letzte starb innerhalb wenig
Wochen vor Schrecken. Die andere wurde durch die böse Staupe
von der Zeit an so hefftig mitgenommen, daß sie niemand zu
heyrathen verlangte. Die erste aber kriegte zwar einen Mann,
lebte auch mit demselben ein gantzes Jahr. Wie sie aber in
Wochen lag, und sich etwas durch ihn aus ihren Schränckgen
holen liesse, traf derselbe das Messer an, so vormals seine gewesen;
fragte derowegen, wie sie dazu kommm, indem er solches
vor einigen Jahren in der Heil. Christ-Nacht verlohren, und dabey
entsetzliche Qvaal ausstehen müssen? Als sie ihm nun den
gantzen Handel erzehlte, ward er dermassen über solcher ihrer
Boßheit erzürnet, daß er sie auf der Stelle mit solchen in der
Christ-Nacht ihr zugebrachten Messer elendiglich hinrichtete."
Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts gibt noch
Ernst Urban Keller in seinem „Grab des Aberglaubens" eine
hübsche Sammlung solchen Weihnachtslosens. Er kannte die
Gestriegelte Rocken-Philosophie sehr gut und führt sie mehrmals
an. Sein Ton ist aber weit moderner und geleckter als der
J. G. Schmidts. „Man gräbt Schäze, weil man glaubet, in
diesen Zeiten seyen den Geistern, unter deren Aufsicht die Schätze
wären, die Hände gebunden, und beschwöret sie. Die mannsüchtigen
Dirnen sezen Sülzhäufgen und giesen Bley, um das Gewerb
ihres künftigen Ehemannes zu erfahren. Sie erwählen auch
hiezu den heil. Andreas-Abend, welcher ihr Patron ist, und
ihnen einen Mann solle bescheren können. Der neugierige Weinhändler
füllet die Fässer mit Wein auf, um von seinem Steigen
und Fallen auf die Güte und Menge des Weins im nächsten
Jahr zu schliessen. Der Korn-Jude thut ein gleiches mit dem Korn.
Er füllet zwölf Gefässe mit Korn an, und bestimmet aus dem
Zu- oder Abnehmen des Maases in denselben den Preiß der
Früchten in jeglichem Monate. Man höhlt zwölf Zwibel aus,
und streut in das Ausgehöhlte etwas Salz; in welchem Zwibel
nun Wasser befindlich ist: so zeiget das an, daß der Monat, der
diesem Zwibel zuvor angewiesen worden, naß seyn werde. Ist
aber in dem Zwibel kein Wasser; so werde der Monat trocken seyn."
Kein Jahrzehnt später fällt ein Bericht aus Leipzig: Am
heiligen Abend herrscht noch viel Aberglauben, sowohl in Leipzig,
wie auch in den umliegenden Dörfern und dies nicht nur unter
gemeinen Leuten. Sie gießen Blei ins Wasser, um daraus ihr
künftiges Glück zu ersehen. Die Mädchen, die gern einen Mann
haben wollen, entledigen sich der Kleider und sehen in ein Gefäß
mit Wasser. Hierin wollen sie sehen können, wie ihr künftiger
Mann beschaffen ist. Natürlich geht es dabei nicht ohne Possen-
spiel und viele unglaubliche Dinge ab.
„Welche in der Christnacht in den Bronnen schaut, die entdeckt
ihren Bräutigam darinn, ob er krumm oder gerade, klein
oder groß sey." Magister Eberhard erzählt 1799 über das gleiche
Thema: „So trieben auch Personen ihr Spiel um Dinge, die in
der uns verborgenen Zukunft liegen, zu erforschen, oder sonstige
Prophezeiungen anzustellen, indem sie solches bald durch das Nothhemd,
bald mit Kränz binden, Stubenauskehren, Horchen an
ungewöhnlichen Orten, und dergleichen, ausforschen wollen, was
ich jedoch lieber in die ewige Vergessenheit verbannen, als hier
weiter erörtern will."
Der am Ende des achtzehnten Jahrhunderts aus litterarischen
Quellen sammelbare Volksglaube der Weihnacht war
bereits Legion. Das späteste und darum reichste Buch aus jener
Zeit ist H. L. Fischers „Buch vom Aberglauben". Es enthält
eine große Anzahl volksgläubischer Züge, von denen die meisten
schon mehrfach angeführt wurden: „Unverheirathete Mädgen und
Bursche giessen flüssig gemachtes Blei in kaltes Wasser, und wollen
aus den daraus entstehenden Figuren theils ihre künftigen Beschäftigungen,
theils ihre Heirathsparthie lernen. . . Kugeln in der
Christnacht fehlen nicht. . . Damit der junge Bursche oder das
Mädgen die künftige Liebschaft kennen lerne, geht er oder sie in
der Christnacht zwischen 11 und 12 Uhr stillschweigend an den
Brunnen, sieht hinein und glaubt das gewünschte darin zu sehen.
Lebrecht hätte gehört, daß die reiche Fieke, die er gern geheirathet
hätte, dieß an einem gewissen Brunnen thun würde. Es kam
ihm zu statten, daß bei diesem Brunnen ein Baum stand, dessen
Zweige darüber hinreichten. Da hinauf stieg er, so bald es halb
elf geschlagen hatte: Fieke kam, und Lebrecht, der sich recht sichtbar
machen wollte biegte sich so sehr herüber, daß der Ast, auf
welchem er sich befand, entzwei brach. Er fiel herunter und zerbrach
den Arm, und Fieke bekam vor Schreck das Fieber. Auch
pflegen heirathssüchtige Mädchen um diese Zeit in die Blase (den
im Ofen und in der Stube selbst eingemauerten Topf) zu sehen,
ihren Bräutigam darin zu erblicken. Von dem Auffüllen des
Weins in der Christnacht, schließt man, wie er im künftigen Jahre
gerathen werde. In der Christnacht zwischen 11 und 12 Uhr
glaubt man, ist das Wasser Wein. Der Weinhändler füllt die
Fässer mit Wein auf, um von dem Steigen und Fallen auf die
Güte und Menge desselben im nächsten Jahre zu schliessen. Der
Kornhändler thut ein gleiches mit dem Korn. Er füllt Gefässe
mit Korn an, und bestimmt aus dem Zu- oder Abnehmen des
Maasses in denselben den Fruchtpreis in jedem Monat. Wenn
in der Christnacht der Wind geht, so sagt man, die Bäume
rammeln sich - und erwartet dann ein reiches Obstjahr. Wessen
Schatten am Weihnachts heiligen Abend bei eingebrachtem Licht
keinen Kopf hat, der stirbt im selbigen Jahr. In der Christnacht
müssen zwei Lichter die ganze Nacht über auf dem Tisch brennen:
Löscht eins davon aus (welches doch sehr zufällig ist, oder leicht
vermieden werden kann) so bedeutet es, daß der Vater oder die
Mutter sterben werde. Wenn in dieser Nacht ein Reif vom Gefäß
springet, so soll das Jahr einer aus dem Hause sterben. Aber
wenn man auf beiden Seiten eines Menschen ein Licht in gerader
Stellung setzt, so erscheint er ohne Kopf: daß kann alle Tage
durchs ganze Jahr geschehen. In den zwölf Nächten (von Weihnachten
bis Dreikönigs-Tag) soll man keine Erbsen, Hülsen oder
andere Früchte essen, man bekommt sonst selbiges Jahr die Krätze,
oder Schwären - wenn man viele üble Feuchtigkeiten bei sich
hat, oder sich unreinlich hält. Wer an: ersten Christag nicht
Braunkohl ißt, wird ein Esel. Jungfern, die gern heirathen wollen,
sollen in der Christnacht nackend beten; denn wird ihnen ihr
Liebster im Schlaf erscheinen. Aber gewiß wird der im Schlaf
erscheinen, den das Mädchen sich wünscht. Wenn eine Dienstmagd
wissen will, ob sie länger bei ihrem Herrn in Diensten
bleiben oder abziehen werde, soll sie auf den Weihnachts heiligen
Abend den Schuh werfen. Wenn der Schuh mit der Spitze nach
der Thür steht, so glaube sie, daß sie abziehen: steht er hereinwärts,
daß sie dableiben werde. Sie setzt sich dabei mit dem
Rücken nach der Thür. Man pflegt zu sagen, daß wie jemand
glaubt, es ihm wieder fährt; dies wird auch hierbei wahr . . .
Wenn ein Mädgen wissen will, was für Haare ihr künftiger
Liebster hat; so greife sie in der Christnacht rücklings zur Stubenthür
hinaus, so bekommt sie solche Haare in die Hand. Und
wenn sie wissen will, ob sie in diesem Jahr einen Mann kriegen
werde, soll sie an das Hünerhaus klopfen und sagen:
Gackert der Hahn; so krieg ich ein'n Mann;
Gackert die Henn; so krieg ich kein'n.
Wenn sie wissen will, ob ihr Liebster gerade oder krumm seyn
werde, soll sie aus einer geschichteten Klafter Holz ein Stück
ziehen: Wie dieses ist, so ist auch der künftige Mann. Wenn
sie wissen will, wie ihr künftiger Mann heissen werde; so soll sie
den ersten Faden Garn, den sie am Weihnachts heiligen Abends
spinnt, vor ihre Hausthür spannen: Wie nun der erste vorbeigehende
heißt, so wird auch ihr künftiger Mann heissen. Die
Schäfer dürfen in den zwölf Nächten den Wolf nicht nennen;
er zerreißt sonst die Schafe. Ein Hund, der in der Christnacht
heult, wird selbiges Jahr toll. . . . Man beschwöret in dieser
Nacht den Teufel zum Geldbringen, und sucht Schätze zu graben,
weil man glaubt, den Geistern, unter deren Aufsicht diese stehen
sollen, wären, so wie dem Teufel selbst, die Hände gebunden.
Man höhlt zwölf Zwiebeln aus, und streut in das Ausgehöhlte
etwas Salz: In welcher Zwiebel nun Wasser ist, das soll anzeigen,
daß der Monat, den diese bedeuten soll, naß seyn werde.
Ist aber in der Zwiebel kein Wasser; so glaubt man, daß er
werde trocken seyn. Man setzt Salzhäufchen, für jede Person im
Haus eins. Wessen Häufchen nun umgefallen oder geschmolzen
ist, von dem glaubt man, er werde in dem Jahre sterben. . . .
Um zu wissen, ob man das Jahr noch leben oder sterben werde,
wirft man den Schuh rückwärts über sich zur Thür hinaus. Steht
die Spitze hereinwärts, so bleibt man leben; steht sie hinaus, so
stirbt man. . . . Das kommende Jahr ist nicht glücklich, wenn
man um diese Zeit, zwischen 11 und 12 Uhr des Nachts ein
Fußbad anstellt. Der Bauer umwindet dann seine Obstbäume
mit nassen Strohseilen, ohne ein Wort zu reden, um sie zu dem
folgenden Sommer fruchtbar zu machen. In dieser Nacht werden
die Coffeewahrsagereien vorgenommen. Helle Christnacht, finstre
Scheunen, sagt man, und es soll so viel heissen: Wenn in der
Christnacht der Mond scheint, und das Wetter helle ist; so soll
das Jahr an Getraide fruchtbar seyn, so daß die Scheunen von
dem Eingesammelten voll und finster werden: Wenn er aber nicht
scheint, und das Wetter trübe ist, so soll das Jahr wenig in die
Scheunen kommen, und sie licht und leer bleibe."- -
Einen so wesentlichen Teil des volkstümlichen Weihnachtsglaubens
auch die Losspiele darstellen, ganz machen sie ihn doch
nicht aus. Noch eine Reihe andre Glaubenszüge heften sich nach
und nach an das Fest, zum Teil aus alter deutscher, zum Teil
aus christlicher Quelle entsprungen. Die deutschen Züge stammen
wieder teilweise aus dem tiefen Winter, teilweise von andern
deutschen Festzeiten, teilweise entspringen sie dem deutschen Festbegriff
im allgemeinen. Erst seit dem Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts modelt die christliche Feiertagsanschauung jenen
Begriff und den aus ihm fließenden Glauben um. Das alles
aber verschmilzt in einem Maße miteinander, daß es in der Gegenwart
nicht mehr zu unterscheiden wäre, wenn uns geschichtliche
Nachrichten aus fernerer Vergangenheit nicht Aufschluß darüber
gäben.
Zu der Zeit der Wintersonnenwende, in welche die christliche
Kirche ihr Jesusgeburtsfest gesetzt hatte, deckte auch im alten
Deutschland Eis und Schnee gewöhnlich schon feit anderthalbem
Monat die Fluren. Auch die Schweine haben, nachdem sie keine
Eicheln im Walde mehr finden können, in den Stall gebracht
werden müssen, und die wilden Tiere des deutschen Urwaldes
finden nur mehr karge Nahrung. Die Wölfe rotten sich zu
Rudeln zusammen und fallen gemeinschaftlich größere Tiere an,
besuchen die Ortschaften, brechen nötigenfalls in Ställe und bedrohen
den Menschen. In wenigen Wochen wächst die Wut dieser
Raubtiere zusehends. Es ist, als ob eine Herde böser Unholde
in sie gefahren sei. Es ist nur eine sehr sachgemäße Bezeichnung,
wenn der Dezember noch mittelhochdeutsch wolfsmânet hieß. Nach
Einführung eines größeren Januarkalendenschmauses und später
Weihnachtsschmauses mochte der Duft frischen Fleisches die Wolfsscharen
an diesem Tage doppelt nach den menschlichen Wohnungen
locken. Was Wunder, wenn man gegen sie, über die man physische
Gewalt nicht besaß, zu magischen Mitteln griff?
Ehedem wurde zu Wien in der Christnacht nach vorhergehender
Mette und Hochamt das Evangelium Liber generationis
Jesu Christ secundum Matthaeum (Eingang des Matthäusevangeliums)
der „Wolfssegen" genannt, in einem eigentümlichen
Ton unter „Leitung" (Geläute) der großen Glocke der Domkirche
abgesungen. Für die seltsame Benennung „Wolfssegen" erzählte
man sich folgende Ursache: Als vor mehreren Jahrhunderten die
Stadt noch unausgebaut, und die Wildnis sie begrenzte, erlitten
die Einwohner durch die umherstreifenden Wölfe großen Schaden.
Als man aber das Evangelium zu singen angefangen, verloren
sich die Wölfe, weshalb auch dieser „löblich althergebrachte Brauch
alljährlich in der Christnacht kontinuirt wird." An der heiligen
Zeit der neuen Religion haftete die Wolfsnot. Die neue Religion
sollte auch gegen sie helfen, wie man einst mit dem deutschen
Viehweidesegen Wolf und Wölfin zu scheuchen gemeint hatte.
Für das unkausale Denken in den Zeiten des noch völlig
typischen Geisteslebens genügte der Hunger allein nicht zur Erklärung
der plötzlich auftauchenden Scharen von Wölfen. Die
wirklichen Wölfe mußten auf irgend eine Weise eine ganz wesentliche
Verstärkung an Zahl erfahren haben. Da trat ein alter,
wahrscheinlich indogermanischer Glaube an die Verwandlung von
Menschen in Tiere erklärend ein, der uns namentlich bei Griechen
und Römern vielfach bezeugt ist. Verwandlungen von Menschen
in Wölfe sind dort keine Seltenheit. Herodot weiß in seinem
vierten Buch zu erzählen, daß von Scythischen Stämmen, die
Sage ging, sie würden alljährlich einmal zu Wölfen. Pausanias
weiß davon, daß ein Fechter Damaris zehn Jahre Wolf gewesen
sei, Virgil streift den Glauben in seinen Eklogen, und Plinius
beschäftigt sich damit in seiner Naturgeschichte, zweifelt die Thatsache
stark an und verspottet sie sogar. Auch die skandinavische
Sage kennt Mannwölfe. Auch in der nordischen Nibelungensage
kommen sie vor - immer aber ohne Beziehung auf die Wintersonnwendzeit.
Auch in Deutschland haftet der Werwolfglaube
nicht ausschließlich an dieser, aber nachdem einmal ein Wintersonnwendfest
durch das Christentum geschaffen war, siedelte er sich an
ihm als seinem natürlichen Mittelpunkte an, zumal ihm die kirchliche
Festzeit vom Christtag bis Dreikönigstag, das Dodekahemeron
und die nachmaligen Zwölfnächte des deutschen Volksglaubens
entsprechenden Spielraum boten. Man glaubte seit den ersten
christlichen Jahrhunderten, daß in dieser Zeit Männer zu Wölfen
würden - der Ausdruck für dieses Phantasiegeschöpf „Werwolf"
stammte noch aus der Zeit, in der „Wer" die gewöhnliche Bezeichnung
für Mann war. Auch Verwandlungen in andre Tiere
scheint der Volksglaube gekannt zu haben. In dem hessischen
Jesusgeburtspiel aus dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts
erzählt der erwachende knecht czegenbart oder Servus, den der
Pastor weckt:
Her ich meyn der sie geschenn als mir nü
Du ducht mich in dem schloss ich wer eyn ku
Vnd worde du tzu eynem swinw.
Den volkstümlichen Glauben an die Mannwölfe der Weihnachtszeit
machten sich Burschen, die sich einmal einen tollen Tag
machen wollten, zunutze. Wie der „Bär", die „Kuh" und das
„Roß" als vermummte Gestalt umging, so auch der Wolf, an
dessen wirkliche Wolfsnatur man glaubte. Paulus Cassel berichtet
aus einer handschriftlichen Erfurter Chronik, daß im Jahre 1555
ein Wolf einige Wochen gesehen ward, „der vorab den Weibsleuten
nachlief, sie herzte und drückte, ihnen aber keinen Schaden
that; doch erschreckten manche vor ihm, daß sie totkrank davon
wurden." Sein Betragen war also ganz dasselbe, wie das der
heiligen Christlarven nach dem Berichte des Wittenberger Dozenten
Kißling.
In die populäre deutsche Litteratur kam der Glaube an die
Werwölfe erst im siebzehnten Jahrhundert und zwar nicht aus
dem Volke selbst, sondern auf eine Anregung vom Norden aus
hin. Olaus Magnus berichtet nämlich in seiner Geschichte der
Nordstämme ausführlich über das Gebaren dieser Wesen in der
Christnacht. Wie sie Menschen und Tieren mit ihrer Wut zu-
setzen, wie sie gegen die Häuser anrennen und sie aufbrechen, wie
sie in die Keller dringen, um sich ein Gütchen an Bier zu thun
oder die Bierfässer fortzuschleppen. Aus Olaus geht die Geschichte
in allerhand deutsche Bücher über, indem einer das Citat
immer vom andern abschreibt, der einige neue Züge hinzusammelt,
der andre darunter wieder Auswahl hält, aus seiner Erfahrung
ebenfalls Neues berichtet und seine Kritik an der Darstellung
andrer übt. In Reisebüchern gehören Abenteuer mit Werwölfen
zu den beliebten Erzählungen und reichen noch bis tief ins achtzehnte
Jahrhundert hinein. Meist, aber nicht immer, werden sie
nach Lappland gesetzt.
In das Jahr 1637 setzt sich selbst eine Geschichte, die bis
in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts litterarisch fortgeschleppt
worden ist. „Es begäbe sich, daß in der Curländischen Stadt
Dublin, er (eine „besonders glaubwürdige Person", die 1637
selbst „Währwölfe in Menge gesehen, und auch beynahe mit
seinem höchsten Schaden habe kennen lernen") von etlichen Teutschen
eines Tages um weihnachtliche Zeit in einen Krug, denn
so werden allda die gemeine Gast- oder Wirths-Häuser genennet,
geführet wurde, welche ihm als einen Landes-Mann und neuen
Ankömmling mit einem Willkommens-Trunck beehren wolten. Es
wäre aber in solcher Gast-Stube einer Seits besonders ein Tisch
von gemeinen Land-Bauren rings umher besetzt, aus denen einer
nach geraumen Darinnen-seyn, von dem Tisch aufgestanden, das
bey sich stehende Trinck-Geschirr zur Hand genommen, vor der
Teutschen Zech-Tisch getreten, und da es sonsten gebräuchlich,
daß, wann einer dem andern eines zubringet, man der Land-Sprache
nachzusagen pflege: Puß Guntzing (zu teutsch:) es
gilt dir, mein Herr! als habe selbiger Bauer mit besonderm
Bücken und Neigen, auch freundlichem Gesichte und geneigten
Geberden ihme (der Sprache noch unbekannten) es mit diesen
Worten zugebracht; Pus do dac man güntzig, (zu teutsch:) es
gilt dir wie mir mein Herr! Er, ob er zwar nicht wüste, was
dieses gesagt wäre, doch leichtlich aus den Geberden abnehmen
kunte, daß ihm der Bauer eines zugebracht, wolte ihm auf teutsch
den Trunck gesegnen; allein es wurde so balden von seinem an
der Seiten sitzenden Lands-Mann ihme die Hand auf das Maul
geleget, und so wohl demselbigen als auch allen andern anwesenden
Teutschen verbothen, er solte es ihme ja nicht gesegnen, auch
sich nicht neigen, als ob ers ihm gesegnete, weil er nicht wüste,
was es auf sich habe, darauf sie von dem Tisch aufgesprungen,
den Bauern überfallen, erbärmlich geschlagen, und so
lange in der Stuben herum gezogen, bis daß sie Blut sahen,
alsdann sie ihn mit noch vielem Bedrohen und aller Beschimpffung
zum Hause hinaus gestossen. Nach diesem habe er gefragt, warum
sie den guten Kerl so unverschuldet geschlagen hätten, der es doch
ihme so freundlich zugebracht habe? Darauf sie zur Antwort
gegeben, wann er ihm hätte den Trunck gesegnet, wäre er des
Abends für gewiß zu einem Währ-Wolff, jener aber dessen erlediget
worden, und solte er es sicher glauben, dann dergleichen
Verführung und böse Anführung sey schon vielen der Sprach
unkundigen Teutschen wiederfahren. Und deswegen hätte er also,
bis man Blut von ihm gesehen, auch wider ihren Selbst-Willen,
(einig zu seinem Besten) müssen geschlagen werden. Auch wurden
ihme darauf des folgenden Morgens eine Menge solcher
nach Haus lauffendenWölffe gezeiget, welche in diesem
vor den natürlichen Wölffen kunten erkennet werden: Weil sie
den Schweifs oder Schwantz wie ein gerades Scheid oder Stück
Holtz heraus reckten, da hergegen andere natürliche Wölffe denselben
unter sich und Zwischen den Beinen hencken lassen."
Daneben stehen zahlreiche allgemeiner gehaltene Berichte:
„Man erzehlet für gewiß, daß in Lappland und den benachbarten
Grentzen, etliche Menschen sich selber in Wölffe verwandeln
auff gewisse Zeit des Jahrs, nemblich in den zwölff
nechsten Tagen nach der Christmeß, und alsdann im Lande
herumb lauffen, grausamblich wüten, Menschen und Viehe anfallen,
an Leib und Leben Schaden zufügen: hernach aber wieder
zu Menschen werden, und ihre vorige Gestalt wieder bekommen.
So ihnen in werender Verwandlung irgendwo eine Wunde wird
ins Leib geschlagen, behalten sie dieselbe; wann sie ihre Menschliche
Gestalt wiederumb angenommen." Denen, die solche Dinge
nicht glauben wollen, hält man ein förmliches Experiment entgegen,
das aber die Sache zugleich wesentlich abschwächt. Um
sich gegen den erwachenden kritischen Sinn der Zeit zu behaupten,
muß sich der Wunderglaube doch einen Schritt zurückziehen.
Was der Mensch ehedem selbst gethan haben sollte, wird jetzt
dem bösen Gotte Teufel zugeschrieben. Dieser führt es aus
mittels der „Seele" des Schlafenden, die man sich körperhaft
dachte. Nach seinem Erwachen glaubt der Mensch, die That
selbst begangen zu huben.
Sennertus bietet „aus dem Munde eines fürnehmen Manns"
solch einen positiven Beweis: „Nachdem ein gewisses Weib, auf
Anzeigung, daß sie sich zum Wolfe verwandelte, gesanglich eingezogen,
und Sie solches auch selbst hatte gestanden; hat der
Magistrat ihr zugesagt, das Leben zu schencken, wann sie dessen
würde eine Probe thun. Da sie, nun solches zu thun, versprochen,
wann sie nur ihre, dazu bedürfftige, Salbe zur Hand hette; hat
man dieselbe, aus ihrem Hause geholt, und ihr gebracht. Womit
sie dann den Kopff, den Hals, die Achseln, und andre Glieder
deß obern Leibs, geschmiert, bald hernach aber, in Gegenwart deß
Magistrats, nidergefallen, und von einem tieffen Schlaff befangen
worden. Nach dreyen Stunden aber, ist sie gähling wieder aufgestanden,
und, nachdem man gefragt, wo sie, unter der Zeit
gewesen? und, was sie unterdessen gemacht hette? hat sie geantwortet,
sie wäre verwandelt worden, in einen Wolf, hette nahe
bey einer, etliche Meilen von dannen gelegenen Stadt, erstlich
ein Schaf, hernach auch eine Kuh, zerrissen. Solches nun in
Erfahrung, ob sichs also in der That verhielte, zu bringen, hat
man, bey dem Magistrat selbiges Orts, Nachfrage gethan, und
vernommen, daß dem freylich also, und ein solcher Schade unter
der Herde, würcklich geschehn wäre."
Zugleich müssen die alten Griechen und Römer als Belege
für die Wahrheit dienen. Die Stellen bei Herodot und Pausanias,
Virgil und Plinius hat schon das siebzehnte Jahrhundert
ausgegraben. Auch Olaus war ja eine achtenswerte Autorität.
Ganze Theorien erfand die gelehrte Befangenheit, welche noch
nicht gelernt hatte, zunächst einmal die Berichte auf ihre Thatsächlichkeit
zu prüfen, sondern blind glaubte, was ihr von der
Sage geboten wurde, für die sich jeder neue Berichterstatter neu
verbürgen zu müssen glaubte.
Der gelehrte Thomasius, weiland Professor zu Leipzig, erklärte
sich die seltsame Erscheinung auf seine Art. Plinius hatte
jenen Glauben stark angezweifelt, ja verspottet, der gelehrte Professor
aber deutet ihn ganz im Sinne seiner Zeit. Eine wirkliche
Verwandlung der Menschen in Tiere gehe allerdings nicht
vor, aber der Satan verblende die Augen der Menschen, daß sie
glaubten, dies geschehe. Erasmus Francisci im Höllischen Proteus
verteidigt den Volksglauben jedoch lebhaft gegen Plinius und
gewisse Medici, die Olaus Magnus nicht glauben wollen, dessen
Bericht über das Wüten der Werwölfe in der Christnacht er
wiedergibt. Der deutsche Volksglaube des ausgehenden siebzehnten
Jahrhunderts beschränkt dasselbe jedoch keineswegs auf
die Christnacht. Der Proteus gibt mehrere Belege dafür. Er
erklärt für gewiß, daß der Teufel anstatt des Betreffenden das
Vieh zerreiße, nachdem er dessen Begehren und Willen hinweggebracht
und demselben fälschlich eingebildet, als ob er selbst
wirklich ein Wolf würde, der die Schafe tot bisse. Das ist förmliche
Suggestion durch den Satan. Das siebzehnte Jahrhundert
trat aber doch schon der Frage der Wirklichkeit der Werwölfe
kritisch näher. Zu dem Herzog Albrecht in Preußen wurde „ein
Kerl von den Bauren eingebracht, über welchen sie hefftig geklagt,
daß er ihnen ihr Vieh verderbte, viel Stücke zerrissen und
erwürgt hette. Das sollte ein häßlicher Mensch gewesen seyn,
im Gesicht voll Wunden und Narben, und da er ein Wehrwolf
war gewest, von den Hunden hefftig gebissen seyn worden. Als
ihn nun Etliche, auff Hertzoglichen Befehl, gefragt, wie es eigendlich
darum wäre, und damit zugegangen, soll er geantwortet
haben; er würde, deß Jahrs zwey Mal zu einem Wolfe; ein
Mal um Weihnachten; das andre Mal, um Johannis, nach
Pfingsten; um selbige Zeit, würde er gar verwandelt, und müsste
alsdann, wie ein andrer Wolf, im Gehöltze und wildem Walde,
unter, und mit andren Wölfen, herum lauffen, auch, gleich denselben,
wüten, und niderreissen: Bevor ihm aber die Wolfs-Haare
wüchsen, und er einen gantz rauhen Wolfs-Beltz am Leibe bekäme,
befiele ihn vorher grosser Schrecken und Traurigkeit, welche
er, am gantzen Leibe empfünde: Man habe es damals, vor Erst,
so dahin gestellt seyn, und dabey beruhen lassen, biß auff weiteren
Bescheid; nachmals aber mehreren Grund davon verlangt,
und prüfen wollen, ob nicht vielleicht ein Betrug, und falsche
Einbildung darunter begriffen seyn mögte; solchem nach den
Kerl eine gute Zeit im Gefängniß behalten, und den Loch-Hütern
ernstlich befohlen, genaue Achtung auff ihn zu geben, und fleissig
drauf zu mercken, ob er seiner Aussage nach, auf berichtete Zeit,
zum Wolfe würde. Welches aber ausgeblieben, und er, nach wie
vor, in seiner häßlichen Bauren-Haut, beharret ist."
Nach Mecklenburger Glauben durfte man in den Zwölften kein
fremdes Tier an sich locken; denn es könnte in demselben ein böser
Geist stecken. Früher wagte niemand während der Zwölften den
Namen des Wolfes zu nennen, aus Furcht, daß er auf den Ruf
erscheinen möge. In dem Edikte des Herzogs Gustav Adolf vom
14. Dezember 1689 wird dieser Glaube speziell hervorgehoben.
Es dauerte noch fast ein halbes Jahrhundert, bis der Glaube
an die Werwölfe erschüttert wurde. Noch J. G. Schmidt, der
Verfasser der Gestriegelten Rocken-Philisophia, glaubte daran,
aber schon zeigten sich leise Spuren der Erschütterung. Daß Währ- oder
Behr-Wölffe ehemals vorhanden gewesen seien, bezweifelt er
nicht, nur meint er, es sei dies Teufelswerk und komme jetzt
nicht mehr vor. Die Schäfer aber glaubten noch immer, auch
ihre Herden seien noch durch Werwölfe gefährdet, und es bedürfe
nur eines Wortes, nur der Nennung ihres Namens, um
sie zu rufen. Darum dürfe man denn auch in den Zwölf Nächten
nicht Wolf sagen, sondern müsse das Tier mit „allerhand Nahmen,
als Ungezieffer, Feind, Rähes und dergleichen" bezeichnen. „Wie
sichs denn einsmahls begeben, daß ein Schäffer zu seinem Pfarr
gekommen, ein Kind tauffen zu lassen; weil aber der Pfarr mit
Nahmen Wolffgang oder Wolff geheissen hat, hat der Schäfer
seinen Antrag auf folgende Manier verrichtet: Guten Tag Herr
Ungezieffer! verzeihet mir, daß ich euch ietzt in Zwölff Nächten
so Heisse denn ich darff den Teuffel ietzt nicht recht nennen, wenn
ich nicht will in Sorgen stehen, daß das Raben-Aß mir unter
die Schaafe geräth. Der liebe Gott hat mich mit einem jungen
Heyden begabt, so wolt ich euch gebeten haben, ihr solt ihn
tauffen, und einen Christen daraus machen, u. s. w."
Schon der Superintendent Hauber, der seit 1738 seine
Zauberbibliothek herausgab, glaubte nicht mehr an die Werwölfe.
Die Epoche der Aufklärung machte dem Glauben unter den Gebildeten
den Garaus. Noch kein Jahrhundert nach der Gestriegelten
Rocken-Philosophia, schrieb ein andrer protestantischer
Superintendent, Ernst Urban Keller, in seinem Grab des Aberglaubens
über den Höllischen Proteus. „Wünsche ich einem
Buche den Untergang: so ist es diesem, welches die gröste und
dümmste Lügen als untrügliche Wahrheiten vorträgt, und den
Satan zu einem unumschränkten Herrn über den Lufthimmel und
über die Erde, über Menschen und Vieh macht, eben als hätte
alle göttliche Vorsehung aufgehört." Dann ergeht er sich besonders
in heftigen Ausdrücken über den Glauben an Werwölfe.
In den unteren Volksschichten starb der Glaube an Werwölfe
ebenfalls aus. Nur die Meinung, daß die natürlichen
Wölfe in den Zwölften besonders gefährlich und durch Nennung
ihres Namens leicht anzulocken seien, erhielt sich. Ein alter
Mecklenburger versichert, daß der Schäfer um diese Zeit lieber
den Teufel nenne, als den Wolf, aus Furcht, daß er ihm sonst
unter die Schafe fahre, und Mantzel erzählt, daß ein Bauer selbst
den Namen seines Amtmanns, welcher Wolf hieß, nicht auszusprechen
gewagt, sondern ihn Herr Undeert (Untier) genannt
habe. Das Tier aber hieß um diese Zeit „Der Graue". In
Quatzow bei Mirow darf man in den Zwölften viele Tiere nicht
beim rechten Namen nennen; statt Fuchs muß man Langschwanz,
statt Maus Bänlöper sagen; wer das versieht, zahlt Strafe, und
nachher wird das Geld vertrunken. Denselben Zug berichten
Kühn und Schwartz in den Norddeutschen Sagen. Heute aber ist
er so gut wie ganz aus dem Volksbewußtsein geschwunden. - -
Wo wie bei den blühenden Bäumen der Winteranfangsnacht
oder dem Brauch vom Tischaufstellen die Kirche Veranlassung
hatte, Glauben und Brauch nach ihrem Jesusgeburtsfest zu ziehen,
da vollzog sich diese Wanderung seit dem vierzehnten und fünfzehnten
Jahrhundert. Wo dies nicht der Fall war, hielt sich
der Volksbrauch und Volksglaube länger von Weihnachten fern.
Erst mit dem Erlöschen der alten Festzeiten im siebzehnten Jahrhundert
wanderte der volksmäßige Glaube, den die Kirche verschmäht
hatte, in ihren Dienst zu nehmen, aus freien Stücken
nach Weihnachten, nachdem die Kirche auch hier den Weg gebahnt
hatte. In dem apologetischen Jesusgeburtspiel des Klosters
Benediktbeuren spielt der böse Gott Teufel eine nicht unbeträchtliche
Rolle. Auch nachmals hatte er im Dreikönigspiel noch
regelrecht den Herodes zu zerreißen. Das mochte die Grundlage
für den Glauben abgeben, daß er in der Weihnacht ganz be-
sondere Macht besitze und gern ein besonderes Stückchen unternehme.
Das sechzehnte Jahrhundert mit seinem bangen religiösen
Zittern und Beben war einer solchen Einbildung doppelt günstig.
Namentlich den Vertretern der Kirche rückte er gern auf den Leib.
Wie er dem Doktor Luther die Bettdecke beharrlich wegzog und
ein andermal erst einem wuchtigen Tintenfaß wich, das ihm ans
Haupt sauste, so bedrängte er auch andre Priester der jungen
protestantischen Religionsgemeinschaft.
Wie der Teufel in der Weihnacht beichten geht, erzählt eine
Sage des sechzehnten Jahrhunderts, die an eine thatsächliche
Vision oder an einen schlechten Scherz anknüpft. Im Jahre 1535
erschien „Eine wahrhafftige Historia, geschehen zu Stasfurt am
abend der geburt Christi im 1534. jare. Mit einer schönen Vorrede
D. Martini Luther, in Wittenberg." In dieser Historia
bekennt der Pfarrherr Laurentius Döner zu Stasfurt „öffentlich
für jeder Mann, bey feinen wahrhafftigen Worten und bey der
allerhöchsten Wahrheit", daß ein schlechtgekleideter Mensch in der
Weihnacht zu ihm gekommen sei, als er eben nach vollendetem
Gottesdienst habe nachhause gehen wollen, und ihn gefragt habe,
ob er ihn auch beichten lassen wolle. Er habe darauf begonnen,
Zweifel, Unglauben und Lästerung gegen Jesus auszusprechen und
sei, als der Pfarrer ihn entsetzt fortgewiesen, mit Gestank entwichen.
Das ist eine echte Weihnachtssage der Reformationszeit.
Aus der Wahrhafftigen Historia entnahm sie Fincelius,
aus diesem wieder Hondorff, und noch in Strigenicius' Weihnachtspredigt
„Der süsse Jesus Christ" spukt sie. Die protestantische
Tendenzsage begünstigte und förderte diesen Glauben. Sie wußte
zu erzählen, wie sich der Böse unter die Weihnachtslarven mischt,
daß ihrer aus zwölf plötzlich dreizehn werden, und bekämpfte
auch das Spielen zu Weihnachten mit den gleichen Mitteln.
Nach dem Volksglauben brachte es Glück, nach dem Kirchenglauben
sicheres Verderben. Und die Kirche verstand, die Richtigkeit ihrer
Meinung zu beweisen und einzuschärfen. Müllenhoff erzählt in
seinen Sagen, Märchen und Liedern aus Schleswig, wie die
Bauern in der Christnacht mit ihrem Knecht spielten. Ein fünfter
gesellt sich zu ihnen. Sie spielen blind und hitzig. Da fällt
einem eine Karte unter den Tisch. Er sucht mit Licht, und sieh,
der fremde Gast hat einen Pferdefuß. Die Spieler gingen in
sich, vergruben das Geld und haben nie mehr eine Karte angerührt.
Als dann im achtzehnten Jahrhundert unter dem Einfluß
der deistisch-monistischen Litteratur der persönliche Dualismus
des Teufelsglaubens auch im Volke niederging, nahm auch diese
Sage eine entsprechende Form an. Ernst Moritz Arndt hat sie
uns überliefert:
Einst spielte ein Bauer zu Karnin in Pommern in der
Christnacht übermütig im Kruge. „Ast nu gegen Klock Twelw
ging, stund de Karniner Jäger, der mit im Spill war, up und
sede: „Smiet't de Karten tohoop und lat't uns een Vaderunser
tosam beden, damit de Düwel die't Jahr keene Gewalt äwer
uns kriegt." Der andre aber lacht ihn aus und sagt: „Düwel
hin und Düwel her! Nicks as Papensäck und Spökels vör
Kinner und olle Wiwer; den Düwel habben se lang doot sla'n."
Der Jäger warnt ihn und sagt: „Ich will durch die Welt mit
Gott und Gottes Wort." Das Spiel hört auf, der Bauer geht
nach Haus. Aber auf dem Wege griff ihn der Teufel; er fiel
in seine Hände. Für Gold verkaufte er ihm die Seele, und eines
Tages, als die Zeit um war, verbrannte er und all die Seinen;
das Teufelsgeld mit ihm. Wie man die Beschwörungsscenen in
den Weissagebrauch zu Weihnachten einführte, so bildeten die
zauberischen Neigungen der Zeit auch die Geistererscheinungen der
Christnacht weiter aus. Ein seltsames kleines Buch von 1716
„Wahre Eröffnung der Jenaischen Christnachts - Tragödie oder
Gründlicher und Aktenmäßiger Bericht von der sonderbahren und
höchst betrübten Begebenheit, welche in einem, der Stadt Jena
nahangelegenen Weinbergs-Häußgen, mit drey Personen, so die
Geister zur Zeigung eines eingebildeten Schatzes, citiret und
beschwohren, im Jahr 1715. in der Christnacht und die folgende
Nacht hierauf mit dreyen dahin gesendeten Wächtern sich zugetragen.
Auf hohen Landes - Fürstl. Spezial-Befehl zu jedermanns
Nutzen publiciret", weiß davon Schreckliches zu berichten.
Ein Studiosus Medicinae in Jena und zwey Bauersmänner versuchten
1715 in der Christnacht nahe dem Jenaer Galgen gegen
Abend zu in einem Weinbergs-Häußlein einen Schatz zu heben.
Die beiden Bauern erstickten dabei im Kohlendampf, der Student
aber kam noch mit dem Leben davon.
Noch H. L. Fischer im Buch vom Aberglauben berichtet:
„Man durchschwärmt die Nacht, welche Vorbereitung auf die
heiligsten Tage seyn soll, und macht den Kindern weiß, daß es
in dieser Nacht besonders sehr unsicher sey, und die Gespenster
da häufiger erschienen als sonst, und jedem sichtbar würden.
Heilloses Gewäsch!" - Er ficht weidlich gegen den Volksglauben.
Seinem Buch vom Aberglauben hängte er noch eine Abhandlung
an „Beiträge zur Beantwortung der Frage: ob Aufklärung schon
weit genug gediehen oder vollendet sey?"
Unter dem Einfluß solcher Sagen rückten im siebzehnten
Jahrhundert auch die Vorstellungen von dem Umzug eines „wütenden Heeres",
welche ehedem wohl an den heiligen Zeiten gehaftet hatten,
nach Weihnachten.
In der Teufelslitteratur und den magischen Schriften des
sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts kommt Wüetisheer,
auch Müetisheer genannt, oft vor. Aber niemals ist als Zeit
seines Umzuges Weihnachten genannt. Der erste Beleg dafür
stammt aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, und auch
da ist ausdrücklich bezeugt, daß die betreffende Sage auch von
andern Zeiten erzählt werde. Am frühesten ist Bercht, die aber
einem solchen „Heer" nicht anzugehören scheint, nach Weihnachten
gewandert, wie der Frau Berchtentisch beim Kloster Scheuern beweist.
Lokal fand die Verschiebung auch andrer Gestalten nach dem
Winter statt, ehe Weihnachten über Neujahr das Uebergewicht
gewann, das heißt schon vor dem fünfzehnten Jahrhundert. In
Mecklenburg zog noch 1880 in der Neujahrsnacht „der wilde
Jäger" oder Fru Gauden durch die Luft mit Peitschenknallen
und schrecklichem Hundegeheul, aber ohne den Leuten zu schaden.
In den Saturnalien berichtet 1663 Prätorius: „Am Heil.
Weynachten zeugt die Diana herum mit ihrem wütenden KriegsHeer",
aber noch ist dieser Umzug nicht ganz fest an Weihnachten
gebunden. Zwei Sagen weiß er davon zu berichten. „Ein Bauer
muß in Weynachten der Frau Holle ihren Wagen verkeilen"
und „der Treue Eckart machet auff Wennachten semper-volle
Kannen:
„Sonsten soll auch die Frau Holla gezogen seyn, da ihr
ein Baur mit der Axt begegnet: Welchen sie angeredet, daß er
ihr den Wagen verkeilen oder verschlagen soll, welches er auch
gethan. Nach verrichteter Sache aber hatt die Frau Holla dem
Arbeiter und Nacht-Löhner befohlen, die Späne auffzuraffen, und
zum Trinckgelde mitzunehmen. Welches ihm aber vergeblich oder
unnützlich vorgekommen: derentwegen er sie meistentheils liegen
gelassen, und nur ein Stücke oder drey für die lange weile mit
sich genommen: solche aber sollen zu Ducaten geworden seyn;
wie er nach Hause gerathen. Da er den Verlust oder Verschertzung
der übrigen Späne bedauert; aber zu späte, und ob er wohl
ümme gekehrt ist, dieselbigen zu suchen; so war doch nichts weiter
vorhanden gewesen: fondern una cum pulvisculo alles verschwunden
befunden worden.
„Weiter soll es zu Schwartze (welches ein Dorff ist in
Thüringen) geschehen seyn, auff Weynachten; daß auch die Frau
Holla fürüber gezogen, da der Treue Eckart vorne an im Troppe
gewesen, und die begegneten Leute gewarnet hat, damit sie möchten
aus dem Wege treten, daß ihnen kein Leid wiederfahre. Bey
solchem Zuge aber sollen ein paar Knaben desselbigen Dorffs
zugesehen haben, welche aus der Schencke Bier geholet, und solches
nach Hause tragen wollen: Weil aber die Gespenster im vollen
Marg gewesen; so waren sie ein wenig abseits gewichen mit ihren
Kannen, an einer Ecke: da sollen unterschiedliche Weiber derselben
Rotte solche ihre Kannen genommen und draus gleichsam
getrunken haben. Darzu doch die Knaben aus Forcht stille geschwiegen :
wiewohl sie nicht gewust, wie sie ihnen gethun solten,
wenn sie nach Hause mit leeren Gefässen kommen würden: Endlich
soll der Treue Eckart drauff zu sie gesprochen haben: Das
heisset euch Gott sprechen, daß ihr nichtes geredet habet; sonsten
solten eure Hälse ümmegedrehet worden seyn; und nun gehet
drauff flugs nach Hause, und saget von dieser Geschichte keinem
Menschen etwas, so werden eure Kannen immer voll seyn, und
wird ihnen niemahl an Bier gebrechen oder fehlen. Solches
hatten die Knaben bey 3. Tage in acht genommen: da es ihnen
ergangen, wie jener Witwen, in der Bibel, mit ihrem Oelkruge.
„Aber endlich hatten sie es doch aus Vorwitz nicht länger
verbergen können; fondern die Sache ihren Eltern erzehlet. Da
war es mit dem Cornu copiae ausgewesen, und hatte der
Brunnenquell versiegen. Andere sagen, es sey dieses nicht eben
in Weynachten geschehen, sondern auff eine andere Zeit."
Das Verhältnis des Wütenden Heeres zu den einheimischen
deutschen Göttern ist ein noch nicht genügend aufgeklärtes und
bedürfte einer eigenen eindringenden Untersuchung. Aus dem
Schwanken der in ihm vorkommenden Namen von Ort zu Ort
zu schließen, haben wir es wohl meist mit lokalen Dämonen,
vorwiegend aber mit Sturmgeistern zu thun. Jedenfalls ist es
ein eigentümlicher Zug, daß die Namen der zu Weihnachten auf
der Erde umziehenden Masken niemals mit denen der durch die
Luft brausenden Spukgestalten zusammenfallen. In Mecklenburg
zieht „der wilde Jäger", „Fru Gauden", „Fru Gode", „Fru
Waur" oder „Fru Gor" durch die dunklen Wolken, aber auf
Erden wandelt Ruhklas, der rauhe (in Pelz oder Erbsenstroh
gehüllte) Nikolaus, der Heilige des 6. Dezember. Selbst wo die
Spukgestalt noch einen deutschen Namen führt, der nicht im
Heiligenkalender wiederkehrt, wie Ruprecht, Rupert oder Bercht,
da erscheint sie niemals zugleich als Führerin des wütenden Heeres.
In Bayern ist Martin der Schimmelreiter. Ihn trägt das Roß,
das einstmals zur Schlachtstätte geführt wurde. Es ist erst eine
spätere Verschiebung, wenn der Jäger von Hofen in Schwaben
in der Weihnacht umgeht, und in Bayern „Wuetes", ein Heerzug,
der die lieblichste Musik macht. Strecken dann die Leute
die Köpfe zum Fenster hinaus, so schwellen sie so riesenhaft an,
daß sie dieselben nicht wieder hereinbringen können. - -
Nachdem im siebzehnten Jahrhundert Weihnachten allgemeiner
im Volke zu Ehren gekommen war, fand sich auch allerhand
Wetterglaube ein. Er ist jedoch nie recht volkstümlich geworden,
und die Uebertragung ist wahrscheinlich durch die halbgelehrte
Kalenderlitteratur erfolgt, die Nachfolgerin der Cisiojanen des
ausgehenden vierzehnten und der folgenden Jahrhunderte. Der
Anfang des Jahres, das Beschneidungsfest, hieß lateinisch festum
circumcisionis in der Kirchensprache, während Januarius
der Name des ersten Monats war. Das Merkwort für beide
Bezeichnungen wurde Cisiojanus. Für jeden Monat gab es einen
Merkvers, den man kennen mußte. Er enthielt alle wichtigen
Tage mit Namen, und die zwischen ihnen stehenden Worte deuteten
sogar das Datum derselben an. Der Januarvers lautete
z. B. vielfach:
Jesus das Kind ward beschnitten,
Drei König vom Orient kamen geritten
Und opferten dem Herrn lobesam;
Antonius sprach zu Sebastian:
Agnes ist da mit Paulus gewesen,
Wir sollen auch mit genesen.
Ob die Merkverse gerade viel Sinn hatten, war durchaus
Nebensache. Die Gelehrten hatten lateinische Hexameter, um die
wichtigen Tage im Gedächtnis festzuhalten, und selbst Gelehrte
wie Melanchthon wendeten ihre Zeit auf die Herstellung neuer.
Ihren Ursprung verdanken die Cisiojanen dem Bestreben,
den römischen Kalender zugleich mit den durch ihn deutlich festgelegten
Heiligentagen volkstümlich zu machen. Diese Arbeit begann
etwa seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, nachdem
die alten Festzeiten den kirchlichen Feiertagen zu weichen begannen.
Chronikalisch kommt die Rechnung zuerst 1370 vor,
urkundlich zuerst 1390. Aus den Cisiojanen wurden nachmals
die populären Kalender mit ihren Merkversen, die aber wohl
ausnahmslos erst im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts entstanden.
Bei Prätorius (1663) haben die Wetterregeln, welche sich an
das Weihnachtsfest knüpfen, noch keinerlei typische Form angenommen.
Später belegte Wetterverschen büßen vielfach ihren
Reim ein, wenn man die mittelhochdeutschen Wortformen in sie
einsetzt. Die Saturnalien wissen darüber: „Wann es umb Weynachten
donnert, so bedeutet es Wind." „Die Grüne zu Weynachten,
den Ostern Schne, die Vesperzeit vor Weynachten, sampt
selbiger Nacht und Tag, ganz helle und schön, ohne Wolcken;
bedeutet Vberfluß an Korn, Wein, Früchten und Fischen. Wind
aber und Regen Pestilentzische Seuche. Die Bauren vergleichen
den Geburtstag, dem Jenner. St. Stephanum, dem Hornung;
und also fort: biß aufs der Heil. 3. König Tag: jeden Tag einen
jeden Monath."
Die Zeit, in der sich dieser Glaube im einzelnen in der
Kalenderlitteratur ausbildete, war aber auch schon die Anfangszeit
seines Niederganges in den gebildeten Schichten. Schon Prätorius'
Bericht ist nicht ohne Spott, am Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts aber gehen einzelne Männer direkt zu seiner Bekämpfung
über. Um 1722 spricht der Dresdner Pfarrer Hilscher
aus, es sei gewiß, daß die zwölf Nächte nicht den Zustand der
zwölf Monate im folgenden Jahr vorbedeuten könnten.
Der Philosoph Wolff bespricht in den „Vernünftigen Gedanken
von den Absichten der natürlichen Dinge" den Wetterglauben der Weihnacht:
„Man will aus der Witterung des ganzen
Jahrs, ja gar daraus, daß der Christtag entweder auf einen
Sonntag oder andern Tag in der Woche fällt, von veränderlichen
Witterungen das folgende Jahr über urtheilen. Hierher gehöret
ferner die Regel von den zwölf Tagen und zwölf Nächten von
dem Christtag an gerechnet, daraus man von der Beschaffenheit
der zwölf Monate des folgenden Jahres prognosticirt. Z. E. daß
der Christtag in Sonntag fällt, soll einen warmen Winter, starke
Winde, viel Ungewitter, einen lieblichen Frühling, heissen und
trockenen Sommer, feuchten und kalten Herbst bedeuten." Er
bestreitet diesen Tagen nachdrücklich die Vorbedeutung, da ihre
Lage nicht das mindeste mit den natürlichen Ursachen zu schaffen
habe, welche das Wetter hervorbrächten. Trotzdem lebt der Wetterglaube
im Volke fröhlich weiter und bildet sich, durch die Kalender
gepflegt, zu einem förmlichen, allerdings wenig interessanten
System aus. Das „Grab des Aberglaubens" von 1777 bemerkt
nur, das Wetter der Zwölften sei vorbedeutend, der Christtag
für den März, der Stephanstag für den April u. s. w. Aber in
dem „Buch vom Aberglauben" zählt H. L. Fischer schon eine
ganze Reihe Züge auf: „Wenn die Sonne am heiligen Christtage
scheinet, so bedeutet es ein glücklich Jahr. Den 2ten, so bedeutet
es Theurung. Den dritten Uneinigkeit. Den vierten
drohets den Kindern Masern und Blattern. Den fünften geräth
das Obst und Winderfrucht wohl. Den sechsten giebt es Uiberfluß
an Baum- und Feldfrüchten. Den siebenten gute Viehweide;
hingegen Theurung an Korn und Wein. Den achten
viel Fische und wilde Vögel. Den neunten den Kaufleuten glückliche
Handelschaft. Den zehnten gefährliche Gewitter. Den elften
grosse Nebel und Krankheiten. Den zwölften bedeutets Krieg
und Blutvergiessen." Nach anderm Glauben bedeuten diese Tage
andres: „Unter den zwölf Nächten versteht man bekantermassen
diejenigen zwölf Tage und Nächte, die vom ersten Christtag anfangen,
und sich am Abend vor dem Feste der Offenbahrung
Christi endigen. Die abergläubischen Thoren wollen von der
Witterung, die in diesen Tagen einfällt, auf die Witterung des
ganzen Jahrs schliessen. Der erste Christtag soll den März, der
zweite den April, der dritte den Mai u. s. w. bedeuten." - - -
In dem alten einheimisch deutschen Volksglauben ist jede
Festzeit insofern heilig, als alles, was in ihr geschieht, eine besondere
Bedeutung hat. Nicht nur, was in der Natur vorgeht,
fondern ebensogut, was der Mensch thut. Arbeit, die der Mensch
in ihr leistet, wird besser als andre, und was sonst nicht gelang,
gelingt jetzt. Noch an den heutigen Volksfesten tummelt man
sich gern und thut nicht selten zur eigenen Befriedigung anstrengende
Arbeit im Wettbewerb.
An dem deutschen Winteranfangsfeste und später an den
nach Deutschland in vorchristlicher Zeit eingeführten Januarkalenden
gab es eine Menge Glauben an die große Segenskraft der Arbeit.
Was man in der Festzeit schuf, das hielt besser, erfüllte seinen
Zweck besser und that die Arbeit gewissermaßen halb von selbst.
Auf die Zeit um Weihnachten ist manches davon übergegangen.
In Deutschland glaubte man im vierzehnten Jahrhundert,
daß, wenn man in der Weihnacht Hafer auf das Dach legte und
den Tieren zu fressen gäbe, diese fruchtbar würden. Wenig später
ging die Meinung, das am Christabend in die Stube gestreute
Stroh sei kräftig, den Weibern die Flöhe fern zu halten. Das
Füttern der Vögel zur Weihnacht ist eine Freundlichkeit, die der
Mensch auch heute noch den hungrigen Tierchen während des
Winters gern erweist. Der Gedanke, sie an der Weihnachtsfreude
auch mit teil haben zu lassen, mag noch dazu gekommen
sein. Und was man dem Hausvieh that, wollte man ihnen nicht
entziehen.
Schon um 1400 war das Umwickeln der Bäume mit Strohbändern
zum Schutz gegen aufkriechende Raupen nach Weihnachten
gerückt. Nachdem man die Handlung nicht mehr verstand, und
sie durch die Verlegung sinnlos geworden war, wirkte sie nur
durch die Weihekraft der heiligen Zeit, und dieser Glaube hat
sich bis zur Gegenwart erhalten. Auch Speise und Trank haben
in dieser Zeit besondere Segenskraft. Um 1600 sagt das Papistenbuch
von der Zeit unmittelbar nach Weihnachten: „Am dritten
tag darnach beget man Sanct Johansfest, da trinkt ydman Sant
Johans Segen, das ist ein gesegneter Wein, ob Altar, darauß
man auch Kügele macht für das Wetter und schaur. an disem
Tag trinkhen die Männer die sterke, die frauwen die schön." Auch
auf der Arbeit als solcher liegt besonderer Segen. Prätorius weiß
davon manches Stücklein.
„Weiter wird auch berichtet, daß die Frau Holla (oder
Holda) im Weynachten anfange herum zu ziehen.
„Derentwegen denn die Mägde ihren Rockenstiel auffs neue
anlegen oder viel Werck, oder Flachs herümwinden, und die
Nacht über stehen lassen. Soll nun die Frau Holla solches
sehen: so soll sie sprechen: So manches Haar, so manches gutes
Jahr. Weiter soll solche Frau Holle auffs grosse neue Jahr,
oder am Heiligen 3. Könige Tage wiederümme kehren nach ihrem
Horselberg (davon in meinem Bocksberge zu lesen) marchiren:
trift sie denn unterwegens Flachs auffm Rocken an; so soll sie
sprechen: So manches Haar, so manches böses Jahr. Derentwegen
reissen um selbigen Feyerabend die Mägde alles von ihren
Rocken herunter, was sie nicht vorher abgesponnen haben; damit
nichts dran bleibe, noch ihnen ein böses Omen könne geben.
Wiewohl die meisten sich befleissigen alles angelegte Werck und
pensum im abspinnen vorher herunter zu bringen."
Nach mitteldeutschem Volksglauben legen zu Weihnachten
die Hühner wieder. („Dieses ist die gemeine Sage: Aber wenn
sie wegen der Kälte verhindert werden; so geschihet es viel später:
ist aber ein warmer Winter; so ist es offte zeitiger geschehen:
und kehren sich die Hüner wenig an Weynachten.") Später
hilft man dem Eierlegen der Hühner selbst nach. „Auf den
Weyhnacht- Neu-Jahrs- und H. 3 König-Heilig-Abend soll man
den Hünern den Ragen, den Kühen aber die Milch von Heringen
zu fressen geben, so geben diese viel Milch, und jene legen viel
Eyer in diesem Jahre."
„Den Hühnern giebt man in dieser Zeit," heißt es 1793,
„Hirsenbrei, damit sie in der Folge viel Eier legen. Wer am
Christtag ein ungesottenes Ei früh nüchtern isset, der soll sehr
schwer tragen können."
„Das Brod so auff Weynachten gebacken wird, sol sich lange
gut halten."
„Wer nun diß S. Johannis Brod zeugen will, der muß es
im Christmonat erstlich sechs oder sieben Tag in Zucker oder
Honigwasser weichen, darnach in einen gelöcherten Topf mit Erde
thun, und im Mertzen mit dem Erdreich in ein anders setzen,
kaum eines Fingers dick, daß sie außkeimen können. Haben sie
aber außgekeimet, so lasse man den Keimen nur einen Finger
über die Erden gehen, daß er nicht ersticke, und besprenge es je
über den dritten Tag mit Honigwasser." Selbst in den kirchlichen
Festbrauch dringt der von der Kirche nach Weihnachten gezogene
Winteranfangsbrauch ein: Wie sich ehedem mit den in der Martinsnacht
geschnittenen Ruten besonderer Weiheglaube verband, so,
meinte das Volk später, könne man mittels einer in der Christnacht
geschnittenen Rute einen entfernten Feind schlagen. Dieses
Glaubens bemächtigt sich dann die Kirche. „Welches Schwerdt
der Babst die Christnacht weyhet; solches ist kräftig alle (gemeinte)
Ketzer außzurotten."
Die Popularität, welche Weihnachten im siebzehnten Jahrhundert
erreicht, zeigt sich auch dadurch, daß das Fest mehrfach
ins Sprichwort eindringt. Prätorius kennt mehrere Fälle: „Zu
Weinachten, in der Schnitt-Ernde." „Man soll nicht von Weihnachten
predigen am Ostertage." „Schöne Pfingsten, magere Weynachten."
Der Weihnachtsbrauch befiehlt: „In der Weynachts Nacht,
muß man weitlich Doppeln und Spielen. Auff Weihnachten
muß man wacker gesteifte Krausen und geplättete Halstücher
tragen. Auf Weynachten, soll man Schweine schlachten."
Die Gestriegelte Rocken Philosophia von J. G. Schmidt
weiß noch mehr Gutes von der Weihnachtsarbeit. Sie schafft
bessere Erzeugnisse als sonstiges Abmühen: „Wer etwas an sich
trägt, das mit Zwirn genehet ist, welcher in der Christnacht gesponnen
worden, an dem hafftet keine Lauß, und bleibet auch
keine bey ihm, so er welche hat. Ein Hembd, das mit Zwirn,
der in zwölff Christ-Nächten gesponnen worden, genehet ist, angezogen,
ist zu vielen Dingen gut."
„Wer am Weyhnacht-Heilig-Abend, am Neu-Jahrs-Heilig-Abend,
und am Heil. Drey-König-Heilig-Abend etwas stiehlt, der
kann das gantze Jahr sicher stehlen." „Wer die 3 H. Abende,
als an Weyhnacht- Neu-Iahr und H. 3 König-Abend, Geld zehlet,
dem wird es das gantze Jahr an Gelde nicht mangeln." „Wer
in der Christ-Nacht Heu stiehlt, und davon dem Vieh giebt, so
gedeyet das Vieh, und so er hernach stiehlt, wird er nicht drüber
begriffen." „Wenn am Christ Heilig-Abend ein Leichentuch in
der Feuermauer (oder Schorstein) henget, muß das Jahr eines
in dem Hause sterben." „Wenn man an Weyhnachten, Neu-Jahrs
und H. 3. König-Heiligen-Abend den Waschhader an einen
Zaun hängt, und hernach die Pferde damit abputzt, so werden
die Pferde fett." „Wenn man einen Schwerdt-Pfennig am
Weyhnacht H. Abend in den Stamm eines Obst-Baumes schlägt,
so trägt er dasselbige Jahr gewiß Früchte."
Der Pfarrer Hilscher kennzeichnet 1722 diese Gattung Bräuche
ganz richtig. „Etliches ist dahin gemeinet, als ob man durch Ausübung
gewisser Dinge vor einem besondern Uebel sich bewahren, oder
einigen Vortheil in diesem und jenem Stücke erlangen könte
dahin gehört das Binden der Bäume, das aufstellen der
Wasser-Krügelgen, das kalte Bad, das essen der Bohnen,
das Heustehlen, das Zwirnen, das Geldzehlen, das
Verschlingen der Hagebutten, das setzen der Gicht-Bäume,
das streuen der Brodt-Krümgen, und dergl."
Die ehedem an Martini geschnittene Rute mit ihrer Beziehung
auf das Austreiben des Viehes am Frühlingstag hat,
auf Weihnachten gewandert, vom Hexenglauben des sechzehnten
Jahrhunderts einen neuen Zweck bekommen, ohne darum ihre
Beziehung auf den Frühling zu verlieren. „Wenn man in der
zwölften Stunde der Christnacht neunerley Holz schneidet, und
dasselbe bey sich trägt, so sieht man am Walburgistage, wenn
der Hirte zum ersten Male austreibt, alle Hexen mit Melkkübeln
gekrönt."
Wenn man am zweiten Weihnachtsfeiertage die Pferde zu
den Schmieden führte und ihnen eine Ader schlagen ließ, nachdem
sie vorher wohl geritten worden, so glaubte man um 1809,
könne ihnen das ganze Jahr kein Schade widerfahren. Ebenso
Ketten und Sporen und dergleichen, die man in dieser Nacht
verfertige, wären im stände, Pferde und Wagen, und wenn sie
noch so tief steckten, gehend zu machen. Um die Bäume draußen
an diesem Segen Anteil haben zu lassen, braucht man ihnen die
Gegenwart der Festzeit nur anzukündigen. „Die alten Hollsteiner
hatten die abergläubische Gewohnheit, am Kaßabend in
die Holzungen zu gehen, an die Bäume mit den Worten zu
klopfen: ,Frouwet (freuet) ju jy Böme, de hillige Karst is
kamen’ Diese Worte sollten die Kraft haben, reiche Eichen- und
Büchenmast zu bringen."
Bis an das Ende des siebzehnten Jahrhunderts kennt der
deutsche Volksglaube nur eine Förderung der Arbeit durch die
heilige Zeit. Erst mit dem Beginn des achtzehnten beginnt die
Kirche die Feiertagsarbeit mittelst des Volksglaubens selbst zu
bekämpfen. Langsam dringen einzelne solche Züge in den Volks-
glauben ein und treten neben die alten, denen sie zum Teil
direkt widersprechen. Aber das thut nichts. Der Volksglaube
ist kein philosophisches System, und auch in solchen sind
Widersprüche nichts allzu seltenes. Langsam gewinnen die Eindringlinge
Boden. Nach 1800 steht der Kampf gleich, aber
1850 ist er bereits zu Gunsten der christlichen Feiertagsanschauung
entschieden. Seitdem beginnt die Weihe der Arbeit in heiliger
Zeit auszusterben. Es ist der christliche und römische Begriff
des Feiertages im Gegensatz zum volkstümlichen Festtage,
der sich jetzt Boden schafft. Nach der christlichen Auffassung ist
Arbeit Plage, Strafe, und wenn man eifrig ist, zu leisten, zu
erwerben, dann ist das keineswegs das beste, was man thun
kann. Viel besser, man trachtet in mönchischem Nichtsthun nach
dem Reiche Gottes. So wird die Arbeit am kirchlichen Feste
verfehmt, Arbeit entweiht den Feiertag. Schon das alte mosaische
Gesetz gebietet: du sollst den Feiertag heiligen, und nach der noch
älteren jüdischen Sage ist die Arbeit in die Welt gekommen als
Strafe für den Ungehorsam der ersten Menschen. Es ist eine
völlig undeutsche Auffassung, die im heißen Orient wohl verständlich
ist, von der aber der deutsche Bauer und Krieger nichts
weiß. Dreinzuschlagen ist seine Freude. England hat die jüdisch-christliche
Anschauung schon seit dem sechzehnten Jahrhundert angenommen.
In Deutschland faßt sie erst jetzt mit der gesetzlichen
Einführung der Sonntagsruhe wirklich Wurzel.
Die Gestriegelte Rocken-Philosophie kennt zuerst solchen Weihnachtsglauben
unter dem Einfluß der christlich-römischen Feiertagsanschauung.
„Man soll den Obst-Bäumen in zwölff Christ-Nächten
keinen Spinn-Rocken sehen lassen, sonst wird selbiges Jahr kein
Obst." „Man soll in zwölff Nächten nicht (Flachs) brechen, sonst
verderben die Aepffel und Birn." „Man soll in den zwölff
Nächten nicht dreschen, es verdürbt sonst das Geträidig so weit
als der Schall gehört wird."
Noch in der Gestriegelten Rocken-Philosophie ist der Zwirn,
der in der Christnacht gesponnen wurde, nützlich gegen Ungeziefer.
Aber schon Johann Samuel Adami erzählt in seinen Deliciae
evangelicae eine schreckliche Geschichte von der Feiertagsarbeit.
Eine Wäscherin stärkte und plättete bis spät in die Christnacht
Stulpen und abscheuliches Halsgekröse. Da erschien ihr ein gräßlicher
Mann mit Klauen, daß ihr die Lust zu weiterer Arbeit verging.
Das Ausmisten der Viehställe während der zwölf Nächte ist geradezu
schädlich. In demselben Maße, wie man der Gegenwart näher
kommt, tritt auch dieser Volksglaube in den Dienst der kirchlichen
Feiertagsanschauung, deren Kern das Ruhen der Arbeit ausmacht.
Alle Sammlungen von Volksglauben aus der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts enthalten zahlreiche Belege.
In ihren Norddeutschen Sagen, Märchen und Gebräuchen stehen
Kuhn und Schwartz bereits so sehr im Banne dieser kirchlichen
Anschauung, daß sie als Charakteristikum dieses Glaubens die
Androhung gewisser Strafen für den angeben, welcher das Ge-
bot der Heilighaltung dieser Zeit durch Arbeit, namentlich durch
Spinnen bricht. Das Material bestätigt diese Verallgemeinerung nur
teilweise. Von den in dem Abschnitt „Gottheiten der Zwölften"
enthaltenen etwa zwanzig einzelnen Zügen sind drei nicht ganz
klar. Sechs Fälle halten Arbeit in der heiligen Zeit für gut,
elf dagegen bereits für verwerflich. Wenn Fru Gode in der
zwölften Nacht umzieht und den Wocken derer besudelt, die
nicht abgesponnen haben, so heißt das natürlich, man solle in
den Zwölften so fleißig spinnen, daß am Ende der Wocken leer
sei. Aber der Volksglaube sagt auch direkt: „sonst ist's gut, in
dieser Zeit zu spinnen," nur abends darf nichts auf dem Wocken
bleiben, denn das wäre ja ein Beleg für Faulheit.
Selbst der einfachste Volksglaube, der sich auf das allernächstliegende
engste Feld der Alltagsarbeit bezieht, ist im Laufe
der Zeiten Wandlungen unterworfen, die ihn in sein Gegenteil
verkehren können. Auch wo Lebensverhältnisse und Bedürfnisse
konstant bleiben, kann unter einem nachhaltigen geistigen Einfluß,
wie ihn die Kirche dargestellt hat, ein solcher Umschwung erfolgen.
Die Ersetzung des Rocken durch die mechanische Spinnmaschine
wird jenem Glauben in allerkürzester Frist sein Grab graben, wo
er nicht allbereits in dieses gesunken ist, und niemand wird ihm
nachtrauern, vielleicht ein paar alte Großmütterchen abgerechnet,
die über den abnehmenden Glauben unter der Jugend seufzen.
Noch in andrer Weise, auch inhaltlich, liefert die neue Religion
einzelne Züge zum volkstümlichen Weihnachtsglauben. Ist
schon die Herrschaft des Teufels in der Christnacht ein christlicher
Zug, so sammeln sich auch schon fertige christliche Sagen an
dem Feste.
Auch nachdem der Jesussagenkreis in den Evangelien vorläufig
litterarisch abgeschlossen war, schlossen sich immer neue Elemente
an ihn an: schon das frühe Mittelalter kennt diese jüngeren
Züge unter dem Namen der Tradition. Sie sind oft anekdotenhaft
und eigneten sich darum besonders gut dazu, volkstümlich zu
werden, besser sogar als die eigentlich kanonischen Erzählungen.
Sie machen die drei Magier der älteren Sage zu Königen und
geben ihnen Modenamen Kaspar, Melchior und Balthasar. Von
ihnen ist denn auch mancher Zug volkstümlich geworden, namentlich
seitdem im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die populäre
deutsche Prosalitteratur einen größeren Umfang erhalten hatte.
Auch in den volkstümlichen Weihnachtsglauben sind ein paar
solche Züge dauernd übergegangen. Der Leipziger Magister
Prätorius, der 1663 sein Buch über Weihnachten schrieb,
hat uns, obwohl selbst Protestant, eine Reihe mitgeteilt. Er
benutzt sie zur Polemik gegen den Katholizismus. Sie sind ihm
eigentlich nur als Mittel zu diesem Zweck interessant. Um den
katholischen Theologen seiner Zeit darzuthun, wie weit sie seiner
Meinung nach eigentlich zurück sind, hielt er ihnen populäre Ge-
schichtchen vor, an denen sie ganz unschuldig sind, ja zu denen
sie nur dadurch in einer gewissen Beziehung stehen, daß sie sich
niemals von ihnen losgesagt haben. Aber diese Polemik ist ihm
innerste Herzenssache. All seinen Spott und seinen Hohn gießt
er über die Gegner aus und absichtlich gibt er eine so bunte
Musterkarte von Einzelheiten wie nur möglich.
Die kirchliche Tendenzsage schmückt die Geburt ihres Gottes
mit allerhand Zügen aus. Um die unbefleckte Empfängnis zu
beweisen, erzählt sie bündig: „Wie Christus gebohren war, da
wolte ein Weibsbild Mariam die Mutter für keine Jungfrau
halten; sondern wolte nach Arth der Wehemütter solches erkundigen:
Darüber ihr Arm verdorrete", und noch allerhand anderes
hat sie zu berichten. „Das Christkindlein hat mit einem Münche
geredet. Jesus hat zwey Kinder lebendig gemachet. In den
ersten Weinachten soll ein Kind so groß als ein Mann über
der Stadt Rom gestanden seyn, in deme Maria gebohren. Die
drey Weisen sind wunderlich zusammengekommen, wie sie das
Christkindlein haben besuchen wollen. Man weiß von Zeichen
zu erzählen, die in der Christnacht Gott denen drey Königen habe
wiederfahren lassen. Christus auff der Reyß nach Egypten Land
hat einen Brunnen gemachet." Auch aus der ältesten jüdischen
Sage werden Züge auf Weihnachten angesetzt: „Die Sodomiten
wurden mit den ersten Weynachten getilget." Kirchliche Handlungen
haben zu Weihnachten eine ganz besondere Kraft: „Wenn
zu Rom in Weinachten der Heiligthumb dem Volcke gewiesen
wird; so werden dadurch viel Besessene vom bösen Feinde erlöset."
Einzelne Dinge berichtet sie auch ausführlicher:
„Wie die H drey Könige geheissen, und wie sie alle mit ein
ander zu Jerusalem ankommen? Der eine hieß Melchior, der
ander Balthasar, der dritte Caspar: Die sahen in der Stern
Kunst, daß in Judäa war gebohren JESUS CHRIST, der
Welt HERR. Nun saß ein König in Saba, der ander in
Arabia, der dritte in Tharsis. Da nun die Könige die Stern
sahen, da wolten sie nicht länger beyten, sie wolten die Wahrheit erfahren.
Melchior, der König von Arabia, war der erste
mit seinem Volck, und kam zu dem Berg Calvariae, auff den
hernach CHRISTUS geführet und gemartert ward. Also bleib
er in den Nebel auff dem Berg. Da der König Melchior auff
den Berg kam von Gottes Gewalt, da kam Balthasar der König
von Tharsis und Insulen auch eine besondere Straß in ein kleines
Dorff hieß Galilaea (Galilaea, Regio fuit, non pagus). Da
nun die Könige kamen an die Stadt, da ging der Nebel auf
über sie, aber den Stern sahen sie nicht: da kam der dritte
König Caspar von Saba mit seinem Volck auf einen besonderen
Weg: Da was der Nebel und die Finster zumahl hin. Also
kamen sie zu einander, und da sie mit allem ihrem Volck zusammen
kommen, da empfing ihrer jeglicher den andern mit ihren
Nahmen, lieblich und schön, und wie das jeder mit seinem Volck
besondere Sprach und Zungen hat, verstunden sie doch einander
wohl, und saget je einer dem andern, warumb sie wehren aus
kommen. Das war alles ein Sach. Also zogen sie in der Stadt,
daß ihrer niemand gewahr war."
Von solchen traditionellen Zügen sind vor allem zwei in
den deutschen Volksglauben eingemündet. Epiphanius leitete aus
dem kirchlichen Glauben, Jesus habe am 6. Januar auf der Hochzeit
zu Kana Wasser in Wein verwandelt, die Sitte her, an
diesem Tage Wasser aus dem Flusse zu schöpfen und es für
segensvolle Wirkung im ganzen Jahre aufzubewahren. Es wiederhole
ich an diesem Tage das Wunder von der Verwandlung des
Wassers in Wein. In Karien sei ein Quell, welcher sich in derselben
Stunde, wo die Diener an der Hochzeit in Kana Wasser
schöpften und Jesus es in Wein verwandelte, sich auch in Wein
verwandelt hätte. Solche Erfahrungen hätten Christen in Kleinasien,
Arabien und Aegypten gemacht. Dagegen deutet Chrysostomus
diesen Brauch auf die Taufe im Jordan; „denn dieser
Tag ist es, an welchem er getauft ist und die Natur des Wassers
heiligte. Deshalb bringen auch um Mitternacht dieses Festes die
Leute Krüge zum Wasser, schöpfen es und bewahren es für das
ganze Jahr, weil nämlich heute die Wasser geheiligt sind, und
geschieht ein offenbares Wunder, da trotz der Länge der Zeit die
Natur jener Wasser nicht verdirbt, sondern durch ein volles Jahr,
ja oft durch zwei und drei Jahre, was heute geschöpft ward,
unverdorben und frisch bleibt, und nach solcher Zeit mit dem
jüngst aus den Quellen geschöpften wetteifert." Im siebzehnten
Jahrhundert war dieses Epiphaniasschöpfen im südlichen Deutschland
etwas nicht Ungewöhnliches. Dem gelehrten Crombache
übersandten seine Gönner eine Bescheinigung des Priesters in
Scheu, daß daselbst solches Wasser seit 60 Jahren aufbewahrt
worden und noch immer kräftig genug sei, magische und diabolische
Künste abzuwehren. Dies ward unter dem 22. Oktober 1640
bescheinigt. Nach dem Papistenbuch ward die Christnacht damals
so heilig gehalten, „daß etlich beredt sind, all Brunnen werden
diesen Augenblick, so Christus geboren sei auf diese Nacht zu
Wein und in hui wieder zu Wasser". Auch Pratorius berichtet,
wie in der Weihnacht alles Wasser zu Wein werde. „Als Christus
ist gebohren worden, sennd alle Wasser drittehalb Stunden stillgestanden.
Wie Christus ist gebohren worden; da hat sich
eine Oel-Quelle ereiget, die den gantzen Tag mildiglich Oel gegeben."
In der Gestriegelten Rocken-Philosophie wird derselbe
Weihnachtsglaube berichtet. Aber der Verfasser fragt spottend,
wenn sonst Wein sich verändere, so werde er zu Essig - warum
werde denn der Christnachtswein dann wieder Wasser? und schließt
drastisch: „unser Wasser aber in der Christ-Nacht wird wohl allezeit
Gänse-Wein bleiben, davon die albern abergläubischen Gänse
nicht leichtlich einen Rausch bekommen werden." Aber auch das
bloße Wasser ist heilkräftig. „Wer in der Christ-Nacht ins kalte
Bad gehet, der bekömmt selbiges Jahr die Krätze nicht, und so
er sie schon hat, so vergehet sie davon." Das Buch vom Aberglauben
von 1791 und Eberhardts Neuste Ansicht und Beleuchtung
der Geschichte der Sonn- und Festtage von 1799 kennen
den gleichen Glauben.
Aus Niederösterreich und Deutschböhmen berichtete Vernaleken
noch 1859 den Glauben, daß in der Christnacht alles Wasser
Wein sei, und zwei kleine Sagen, wie es denen ging, die die
heilige Ruhe der Nacht durch ihren Vorwitz störten. Der Volksglaube
ist seiner Sache eben nicht mehr sicher. Auch in Mecklenburg
kehrt die Sage von der Verwandlung des Wassers in Wein
und dem Opfer der Neugierde wieder, die dieses Geschehnis
nachprüfen will. Aus dem Volksglauben des neunzehnten Jahrhunderts
hat Paulus Cassel zahlreiche Belege zusammengestellt.
Neben den Glauben von der Verwandlung des Wassers in
Wein tritt noch der von den redenden Tieren der Weihnacht.
Die alte christliche Sage weiß zu erzählen, daß Ochs und
Eselein den neugeborenen Gott verehrt hätten. Mittelalterliche
Bilder zeigen sie gern neben der Krippe mit den beiden Eltern.
Die volkstümliche Weihnachtsaufführung läßt die Tiere reden
und sich nach den Einzelheiten der Geburt erkundigen, und schon
Prätorius berichtet in deutscher Sprache, daß „die unvernünfftige
Thier dem kleinen Kindelein Jesu seinen gebührenden Ehren Titul
geben haben", wie in der Heiligen Christnacht vor Zeiten etliche
unvernünftige Thiere geredet und miteinander gesprochen haben.
Auch andere Wesen haben ja an der Verehrung teilgenommen.
„Die Schlangen sind durch die Lufft geflogen, wie Christus gebohren
worden. Für dem newen Christ-Kindlein hat sich ein
Baum geneiget." Die Tradition, die gern einzelne Züge spaltet
und dann jeden für sich ausführt, hat ihre Kraft auch an diesem
versucht. Wohl schon im Mittelalter, wenn uns ein andrer
Zweig aus dieser Wurzel auch erst im siebzehnten Jahrhundert
belegt ist.
„Als Maria und Joseph mit dem Kind Jesu auff dem Wege
nach Egypten wahren, kommen sie des andern Tages zu einem
hohen Berg, da funden sie eine Höle, die war voller Drachen.
Da die Maria und Joseph ersahe, da wurden sie traurig und
fürchten, sie kämen umb das Kind. Jesus saß aufs seiner lieben
Mutter Schoß, der sprang herab, und geboth den Thieren, daß
sie niemand nichts thäten. Da kamen aus dem Wald Hirsche,
Bern, Wölff, Eychorn, und all der Thier der man erdencken
kundte, die liessen vor und neben dem Wege, und fielen nieder
auff ihre Knie, und empfingen ihm, daß er ihr Schöpfer was
und aller Welt Herr und weiseten sie den Weg. Es kamen
auch die Vögel und sassen nieder an den Weg und trieben grossen
Schall, und ehrten Mariam und ihr Kind." Daraus entwickelt
sich wohl erst seit dem achtzehnten Jahrhundert der Volksglaube,
in der Weihnacht könnten von zwölf bis ein Uhr die Tiere reden.
Von den Pferden besonders, aber auch von andern Tieren ist
er uns 1799 bezeugt. 1859 gab es diesen Glauben in Ober- und
Nieder-Oesterreich sowie in Ungarn, und man berichtete
grauenvolle Geschichten darüber; so schützt sich der Volksglaube
selbst vor der Kritik, indem er das Nachprüfen zu verhindern
sucht, das auch dem Glauben von den blühenden Bäumen sein
Grab gegraben. Der speziell christliche Weihnachtsglaube hat sich
nur zwei Jahrhunderte behauptet; in Blüte gestanden hat er nur
ein einziges, das siebzehnte. Was sich dann nicht vom deutschen
Glauben hat aufsaugen lassen, wie der Weinglaube und das
Reden der Tiere, die sich beide von der kirchlichen Sage losgelöst haben,
ist zu Grunde gegangen. Der deutsche Volksglaube
aber und der deutschgewordene erliegt erst im neunzehnten Jahrhundert
in den weiten Schichten des Volkes der fortschreitenden
Bildung.
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